Stellungnahme zur weiteren Umsetzung der Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum Girokonto für jedermann

Recht auf ein Girokonto und Erhalt von Girokonten

1. Einleitung

Schuldner, die über kein Girokonto verfügen, sind in vielfacher finanzieller und sozialer Hin- sicht benachteiligt:

  • Arbeitgeber verlangen vom Arbeitnehmer den Nachweis einer Kontoverbindung, da Lohn oder Gehalt nur bargeldlos gezahlt werden.
  • Vermieter verlangen vom Mieter die Erteilung einer Einzugsermächtigung für dessen Konto, um die pünktliche Zahlung der Miete zu gewährleisten
  • Ähnliche Vorgehensweisen sind auch für andere Dienstleister typisch (Telekommunikationsanbieter, Versicherer). Der Bundesgerichtshof erachtet entsprechende Vertragsklauseln mit dem Hinweis darauf, dass ein Girokonto heute selbstverständlich geworden ist, als zulässig.
  • Bareinzahlungen und Baranweisungen sind mit überdurchschnittlich hohen Gebühren (-abschlägen) für den kontolosen Schuldner verknüpft, da allein für monatlich wiederkehrende Zahlungsvorgänge wie Mietzahlung, Zahlung der Energie- und Heizkosten, die Zahlung von Versicherungsbeiträgen, Mehrkosten von 40,– bis 80,– Euro pro Monat entstehen.
  • Den Empfänger/innen von Arbeitslosengeld (ALG I und II) ohne eigene Kontoverbindung zieht der Leistungsträger die Gebühr für Überweisungen dann gleich im Vorwege von der gesetzlich normierten Leistung ab, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie ohne eigenes Verschulden kontenlos sind. Bei Bezug von ALG II erhalten die Betroffenen wegen der Kontolosigkeit daher weniger als das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum.
  • In einigen Bundesländern, unter anderem Hessen, ist die Anmeldung eines Kfz nur gegen die Erteilung einer Einzugsermächtigung möglich. Das heißt: ohne Konto kein Auto.

Vor mehr als 10 Jahren hat der Zentrale Kreditausschuss (ZKA) – nicht zuletzt vor dem Hintergrund entsprechender Gesetzgebungsinitiativen – seine Mitgliedsverbände dazu aufgerufen, „Girokonten für jedermann“, d.h. Konten, die auf Guthabenbasis ohne Überziehungskredit geführt werden, auf Anfrage zu eröffnen. Seitdem herrscht Streit darüber, ob dieses Ziel erfolgreich umgesetzt wurde. Die Bankenseite sieht nur wenige jedoch regelbare Problemfälle.

Aus Sicht der Schuldner- und Verbraucherberatungsstellen stellt sich die Situation völlig anders dar: Täglich werden in den Beratungsstellen Fälle bekannt, in denen der Zugang zum Konto verwehrt bzw. das Konto gekündigt wurde.

Der Bundestag hat mit Beschlussempfehlung vom 30. Juni 2004 die Bundesregierung aufgefordert,

  1. (…)
  2. sich dafür einzusetzen, dass die Selbstverpflichtung der Kreditwirtschaft dahin gehend ergänzt wird, dass die Kündigung von Girokonten und die Ablehnung des Antrages auf ein Girokontos schriftlich begründet und auf die Möglichkeit der kostenlosen Inanspruchnahme einer Schlichtungsstelle deutlich hingewiesen wird;
  3. darauf hinzuwirken, dass die Schlichtungsstellen sämtliche Beschwerden von Kunden über die Ablehnung oder Kündigung von Girokonten entgegennehmen. Unabhängige Personen sollen diese zeitnah prüfen. Die Schlichtersprüche sollen in geeigneter Form veröffentlicht werden.

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) hat im Rahmen einer Stichprobe bei Schuldner- und Verbraucherberatungsstellen in 2005 überprüft, ob die Kreditwirtschaft gemäß der Beschlussempfehlung des Bundestages handelt.

Im Folgenden stellen wir die Ergebnisse dieser Stichprobe sowie weiterer Erfahrungen dar und äußern uns zu den Problemen des Schlichtungsverfahrens. Im Anhang zu diesem Bericht fügen wir insgesamt 10 exemplarisch ausgewählte dokumentierte Beispiele bei.

In diesem Zusammenhang verweisen wir auch auf die Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverbandes, in der zusätzliche Aspekte enthalten sind.

2. Ergebnisse der Stichprobe

Die durchgeführte Stichprobe macht deutlich, dass die Umsetzung der „ZKA-Empfehlung“ nach wie vor unbefriedigend ist und es sich dabei keineswegs nur um Einzelfälle handelt. Betroffenen werden unter Umgehung der „ZKA-Empfehlung“ Guthabenkonten verweigert und bestehende Kontoverbindungen gekündigt.

Alle überregionalen und etliche regionale Kreditinstitute waren Gegenstand von Meldungen. Regionale Schwerpunkte waren nicht festzustellen. Meldungen erfolgten aus allen Bundesländern. Insgesamt beteiligten sich 134 Beratungsstellen an der Stichprobe mit bis zu 50 Einzelmeldungen je Beratungsstelle.

2.1. Verweigerung von Guthabenkonten

Ohne Zweifel gibt es Kreditinstitute die die ZKA-Empfehlung vorbildlich umsetzen. Dennoch werden nach wie vor Kunden ohne Begründung abgewiesen und müssen sich hierbei in Einzelfällen auch diffamierende Äußerungen anhören wie z.B.

„Solche Leute wie Sie wollen wir nicht“

„Wir sind keine Auszahlungsstelle für Sozialleistungen„bei und bekommen Arbeitslose grundsätzlich kein Konto“

„gehen Sie doch zur Sparkasse. Die sind für Leute wie Sie zuständig“.

In jedem 17. Fall wurde Kunden mitgeteilt, dass man die ZKA-Empfehlung nicht anerkenne oder nicht kenne. Beispielhaft sei dies am Schreiben des Hessischen Resozialisierungsfonds aufgezeigt (Anlage 1).

Die Verweigerung der Einrichtung von Guthabenkonten erfolgte in aller Regel aufgrund negativer SCHUFA-Eintragungen. Zugenommen hat die Verweigerung infolge eröffneter Insolvenzverfahren.
In 9 von 10 Fällen stellte die Verweigerung eines Guthabenkontos einen Verstoß gegen die ZKA-Empfehlung dar. In den verbleibenden Fällen wurde die Verweigerung damit begründet, dass laut SCHUFA-Auskunft ein Girokonto bei einem anderen Kreditinstitut bestünde. Kritisch angemerkt werden muss jedoch, dass die SCHUFA-Auskünfte in Einzelfällen überholt waren oder sich die Konten bereits in der Abwicklung befanden und daher nicht mehr benutzt werden konnten.
Die Verweigerung der Einrichtung von Guthabenkonten steht in einem engen Zusammenhang mit der Furcht vor zukünftigen arbeits- und kostenintensiven Kontenpfändungen. Exemplarisch ist dies am Beispiel der Sparkasse Kraichgau dargestellt (Anlage 2). Auffällig und aus unserer Sicht skandalös ist, dass die Schlichtungsstelle des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg der Sparkasse Recht gibt und die Unzumutbarkeit begründend ausführt:

„… Die Sparkasse ist nach der ZKA-Empfehlung in einem Fall dieser Art erst dann zur Einrichtung eines Guthabenkontos verpflichtet, wenn … in absehbarer Zeit nicht mit Kontenpfändungen gerechnet werden muss.“

Folgte man dieser Argumentation, könnte grundsätzlich bei negativer SCHUFA-Eintragung die Eröffnung eines Guthabenkontos abgelehnt werden.

2.2. Kündigung von Girokonten

In fast allen uns vorliegenden Fällen verstieß die Kündigung von Girokonten, dabei auch von Guthabenkonten, gegen die Empfehlung des ZKA.

In 2/3 der Fälle wurden Konten aufgrund von Kontopfändung gekündigt. Teilweise wird den Kunden die Kontokündigung angedroht, falls der Gläubiger nicht in einer festgesetzten Frist (in der Regel vier Wochen) die Kontenpfändung zurücknimmt oder ruhend stellt. Dies setzt jedoch eine Ratenvereinbarung mit dem pfändenden Gläubiger voraus, die oftmals nicht realisierbar oder in Hinblick auf die Gesamtverschuldung und die Anzahl der Gläubiger schuldnerberaterisch nicht angezeigt ist (Anlage 3 und 4). Das Schreiben der Postbank (Anlage 3) ist deshalb exemplarisch, weil korrekt auf die Unpfändbarkeit von Sozialleistungen hingewiesen wird, gleichzeitig aber eine Rückzahlungsvereinbarung aus diesen unpfändbaren Sozialleistungen als Bedingung für die Weiterführung des Guthabenkontos gestellt wird.

Aufgrund von Pfändungen werden Konten auch ohne jegliche Frist mit sofortiger Wirkung gekündigt (Anlage 5). Begründet wird dieses Vorgehen damit, dass eine Kontopfändung auch bei einem Freigabebeschluss nach § 850 k ZPO oder Schutz der Zahlungseingänge gem. § 55 SGB I „dauerhaft blockiert“ sei und daher ein Kündigungsgrund gemäß ZKA- Empfehlung vorliege. Dieser Position schlossen sich auch einzelne Schlichtungsstellen an (vgl. Kap. 3.4).

Gestiegen ist die Zahl der Kündigungen von Girokonten aufgrund eröffneter Insolvenzverfahren, wobei die kontoführenden Kreditinstitute nicht Insolvenzgläubiger sind (Anlage 6).

3. Das Schlichtungsverfahren

Die eingerichteten Kundenbeschwerdestellen haben sich als unzureichendes Mittel erwiesen, die bestehenden Probleme bei der Einrichtung und Führung von Girokonten für Jedermann zu lösen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.

3.1. Mangelnde Information

Kaum ein Kunde weiß, welche Beschwerdemöglichkeiten er hat und an wen er sich wenden muss. Die Kreditinstitute informieren hierüber nach wie vor nicht.

In weniger als 1 % der uns vorliegenden Fälle wurden die betroffenen Verbraucher über die Möglichkeit in Kenntnis gesetzt, sich an eine Schlichtungsstelle zu wenden. Dies steht in eklatantem Widerspruch zu den Verlautbarungen der Bankenverbände, die ihre Kundenbeschwerdestellen und Schlichtungsverfahren stets als wirksamen Lösungsweg für alle auftretenden Problemfälle darstellen. Durch den unterlassenen Hinweis auf diesen Lösungsweg wird wirksam verhindert, dass die Beschwerdemöglichkeit tatsächlich in großem Umfang in Anspruch genommen wird. Dies hat auch der Bundestag in seiner Beschlussempfehlung vom 30.06.2004 erkannt, als er die Kreditinstitute nach dem letzten Bericht der Bundesregierung dazu aufforderte, bei Kontokündigungen und -verweigerungen auf Beschwerdestellen „deutlich“ hinzuweisen und Ablehnungen schriftlich zu begründen. Nichts davon ist geschehen.

Dieser Vorwurf trifft nicht nur die Bankfilialen vor Ort. Die Verbände der Kreditwirtschaft haben sich keineswegs bemüht, die Vorgaben des Bundestages ernsthaft umzusetzen. Erst im Sommer 2005 wurden den angeschlossenen Kreditinstituten einheitliche Merkblätter und Vordrucke zur Kundeninformation zur Verfügung gestellt, die, wie unsere Stichprobe bewiesen hat, nach wie vor kaum Verwendung finden. Damit haben sich die Verbände fast 1 ½ Jahre Zeit gelassen, um der Forderung des Bundestages nachzukommen und eine einfache Kundeninformation zu formulieren! Ein derartiger Zeitablauf lässt nur den Rückschluss zu, dass eine Information der Betroffenen und eine Inanspruchnahme der Schlichtungsverfahren gerade nicht gewollt waren. Die angeschlossenen Kreditinstitute wurden von den Verbänden offenbar auch nicht aufgefordert, vor Fertigstellung der Vordrucke übergangsweise selbst für eine Information der Kunden zu sorgen.

Teilweise drängt sich der Eindruck auf, dass die Kreditinstitute selbst nicht in ausreichendem Maße über ihre Kundenbeschwerdestellen Bescheid wussten. Noch im September 2005 verweist die Postbank Dortmund – eine der zentralen Beschwerdestellen der Postbank – in einem Schreiben auf das Amtsgericht, bei dem man die Adresse des zuständigen Ombudsmannes erfahren könne (Anlage 7)!

3.2. Dauer der Verfahren

Die Dauer der Verfahren ist äußerst uneinheitlich. Für die Betroffenen sind Wartezeiten von einem Monat und mehr keinesfalls hinnehmbar. Denn sie befinden sich ohne Girokonto häufig in einer echten Notlage. Im Gegensatz zur Gerichtsbarkeit gibt es bei den Schlichtern keine Eilverfahren oder vorläufigen Entscheidungen, die den Eintritt schwerwiegender und nicht umkehrbarer Folgen während der Dauer des Verfahrens verhindern.

Von den bekannt gewordenen Schlichtungsfällen wurden im Berichtszeitraum die zügigeren in einem Zeitraum von 1 bis 1,5 Monaten abgewickelt. Lediglich der Ombudsmann des VÖB, der innerhalb von gut 2 Wochen den Standardfall einer Kündigung nach Kontopfändung zu Gunsten des Kunden entschied, blieb in diesem Fall auch zeitlich in einem für den Kunden hinnehmbaren Rahmen. Auf der anderen Seite stehen Verfahren mit einer Dauer von 5 Monaten und mehr. Extremes Beispiel war hier der Fall einer Kontenverweigerung (Anlage 8), der ebenfalls vom Ombudsmann der öffentlichen Banken zu Gunsten des Beschwerdeführers entschieden wurde. Das Konto war von Seiten der Postbank mit Schreiben vom 05.06.2003 abgelehnt worden. Der Schlichtungsvorschlag erging ein ganzes Jahr später, am 14.06.2004. Erst mit Schreiben vom 28.12.2004, also nochmals fast 4 ½ Monate nach dem Schlichtungsvorschlag, erklärte sich die Postbank schließlich bereit, ein Guthabenkonto zu eröffnen.

3.3. Unverbindlichkeit der Verfahren

Die Kreditinstitute können nicht gezwungen werden, einen für sie positiven Schlichterspruch
– zeitnah und vollständig – zu befolgen. Die Schlichtungsvorschläge sind für die angeschlossenen Kreditinstitute letztlich ebenso unverbindlich wie die ZKA-Empfehlung selbst. In einem von der Schuldnerberatungsstelle des Diakonischen Werkes Aalen betreuten Fall wies die Postbank den Schlichtungsspruch des Ombudsmannes der öffentlichen Banken durch Be-schluss vom 10.11.2005, Aktenzeichen 1244/2005, zurück. Der Ombudsmann hatte zu Gunsten des Kunden entschieden, dass die Kontenkündigung gegen die Empfehlungen des Zentralen Kreditausschusses verstoße. Der Postbank sei „aus vielen Vorgängen die hiesige Auffassung bekannt, dass eine Pfändung nicht automatisch zu einer Kündigung des Kontos berechtigt. Dadurch ist das Konto nicht ohne weiteres von der Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr ausgeschlossen“. Mit Schreiben vom 28.12.2005 teilte der Bundesverband der Öffentlichen Banken Deutschlands der Schuldnerberatungsstelle mit, dass die Postbank den Schlichtungsspruch nicht angenommen habe und damit der Schlichtungsversuch gescheitert sei.

Die seitens der Kreditinstitute in der politischen Diskussion (wenn schon nicht gegenüber betroffenen Kunden) so stark in den Vordergrund gestellten Kundenbeschwerdestellen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass den Kunden letztlich keinerlei Rechte gegenüber den Kreditinstituten zustehen. Auch das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen vertritt in seiner Entscheidung vom 22.12.2005, Aktenzeichen 2 U 57/05, die Auffassung, dass aus der ZKA-Empfehlung kein gerichtlich einklagbarer Anspruch auf Erhalt eines Girokontos hergeleitet werden kann.

Damit bleibt den Betroffenen in einer Situation, die existenzielle Dinge wie Wohnung oder Arbeitsstelle berührt, lediglich die Möglichkeit, eine „Bittschrift“ an einen Schlichter der Kreditwirtschaft zu richten. Dieser trifft eine Entscheidung, die frei und ohne gesetzlich festgelegte Vorgaben erfolgen kann und nicht überprüfbar ist. Gegen Fehlentscheidungen, mangelnde Begründungen oder fehlende Ermittlungen können sich die Betroffenen nicht wehren.

3.4. Einzelne Entscheidungen

In knapp der Hälfte der im Berichtszeitraum der AG SBV bekannt gewordenen Verfahren (47%) ging die Schlichtung für den Kunden positiv aus. In den meisten dieser Fälle wird einschränkungslos festgestellt, ein Kündigungsgrund/Ablehnungsgrund habe nicht vorgelegen. Dies bedeutet, dass selbst nach Ansicht der verbandsinternen Ombudsmänner die Entscheidung der Kreditinstitute, ein Guthabenkonto zu verweigern oder zu kündigen, häufig korrigiert werden musste.

53% der bekannten Entscheidungen verliefen für die Kunden negativ, wobei die Gründe häufig nicht nachvollziehbar waren, wie die nachfolgend beispielhaft aufgeführten und in der Anlage beigefügten Fallbeispiele verdeutlichen:

Bei einer Kontoverweigerung mit der Begründung, es gäbe bereits ein anderes Konto, konn- te im Schlichtungsverfahren der Nachweis geführt werden, dass der SCHUFA-Eintrag über das andere Konto falsch war. Dennoch lehnte der Ombudsmann die Kontoeröffnung ab (vgl. Anlage 8).

Ein anderer Fall endete mit einer Entscheidung des Schlichters, wonach bei Überschuldung keine Eröffnungsverpflichtung des Kreditinstitutes bestünde, da mit zukünftigen Kontopfän- dungen zu rechnen sei (vgl. Anlage 2).

Einige der im Berichtszeitraum ergangenen und der AG SBV bekannt gewordenen Schlichtungssprüche stellen unzulässigerweise anstelle der ZKA-Empfehlung auf Zumutbarkeitserwägungen zu Gunsten der Kreditinstitute ab. So heißt es in einem Schlichtungsvorschlag des Ombudsmannes der Öffentlichen Banken (Anlage 9) wörtlich:

„… zwar mag richtig sein, dass mit der ZKA-Empfehlung eine gesetzliche Regelung vermieden werden sollte. Gleichwohl sollte danach das allein unter sozialen Gesichtspunkten zu betrachtende Entgegenkommen seine Grenze an der Zumutbarkeit einer Kontoführung finden …“. (Hervorhebungen durch AG SBV)

Die Schlichter der Baden-Württembergischen Sparkassenorganisation (Anlage 2) teilen einer betroffenen Kundin mit

„Nach der einschlägigen Empfehlung des Zentralen Kreditausschusses zum „Girokonto für jedermann“ kommt es darauf an, ob die Aufnahme oder Beibehaltung der Geschäftsverbindung mit dem Kunden für die Sparkasse unzumutbar ist“.

Und weiter:

„Die Sparkasse ist nach der ZKA-Empfehlung in einem Fall dieser Art erst dann verpflichtet, wenn der Kunde durch Vorlage geeigneter Unterlagen zumindest glaubhaft macht, dass sich seine Vermögensverhältnisse konsolidiert haben und in absehbarer Zeit nicht mit neuen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gerechnet werden muss.“

Die zitierten Auffassungen der Ombudsmänner widersprechen dem Wortlaut und der Intention der ZKA-Empfehlung.

Weitere Schlichtersprüche dokumentieren, dass häufig sich widersprechende Entscheidungen unterschiedlicher Ombudsmänner getroffen werden. Dies war im Berichtszeitraum wiederholt der Fall bei Fragen der örtlichen Zuständigkeit und bei Kündigungen auf Grund von Kontopfändungen. Gerade im letzteren Fall scheint unter den Schlichtungsstellen weitgehend Uneinigkeit darüber zu bestehen, ob Kontopfändungen überhaupt – und wenn ja, wie viele – die Bank dazu berechtigen sollen, ein Konto im Einklang mit der ZKA-Empfehlung zu kündigen.

Im Gegensatz zu gerichtlichen Entscheidungen gibt es in Schlichtungsverfahren keine Grundsatzentscheidungen. Daher kann sich auch keine daran angelehnte einheitliche Praxis der Kreditinstitute herausbilden, in bereits klar entschiedenen Fallkonstellationen auf Kündigungen bzw. Ablehnungen von vornherein zu verzichten. Auf diesem Weg würde auf Dauer eine Vielzahl von Verfahren verhindert und die Betroffenen vor unberechtigten Kündigungen und Ablehnungen wirksam geschützt.

4. Weitere Aspekte

Neben den Ergebnissen aus der Stichprobe sind vor dem Hintergrund der Rückmeldungen aus der Schuldnerberatungspraxis weitere Aspekte von Bedeutung.

4.1. Leistungsbezieher nach SGB II und XII ohne Girokonto

Eine in 2005 durch die Verbraucherzentrale NRW durchgeführte Befragung bei Sozialämtern, Agenturen für Arbeit (ARGE) hat ergeben, dass zwischen 1 % und 20 % der Leistungsempfänger über keine Kontoverbindung verfügen. Ähnliche Erfahrungen wurden aus anderen Bundesländern (Berlin, Bayern, Sachsen) gemeldet. Wir teilen in diesem Zusammenhang nicht die Einschätzung der Bundesagentur für Arbeit (BAA), dass im Jahr 2004 nur die 383 von insgesamt 115.000 Leistungsbeziehern, die die Inanspruchnahme der Schlichtungs- und Beschwerdestellen der Banken und Sparkassen nachgewiesen haben, „ohne eigenes Verschulden über kein Konto“ verfügten. Unseres Erachtens kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass die Menschen, die dieses Verfahren nicht in Anspruch nehmen, für ihre Kontolosigkeit die Verantwortung tragen.

4.2. Betroffene ohne Selbsthilfepotential

Aus regelmäßigen Kontakten mit betroffenen Menschen wissen wir, dass viele überfordert sind, sich zu wehren. Für die Inanspruchnahme der Schlichtungsstelle bedarf es einer intensiven fachlichen Unterstützung durch Beratungsstellen oder sonstige Dritte. Es ist davon auszugehen, dass die betroffenen Schuldner/innen in dieser Situation häufig den Weg des geringsten Widerstandes gehen, trotz der finanziellen Einbußen, die sich daraus ergeben.

Bei dem Streit über die tatsächliche Zahl der Personen ohne Girokonto darf nicht vergessen werden, dass das Thema Schulden in weiten Teilen unserer Gesellschaft weiterhin tabuisiert ist. Es ist den Betroffenen häufig peinlich, die mit der Ver- und Überschuldung einhergehenden, oft existenziellen Probleme, öffentlich zu machen.

4.3. Die neue „Vertreibungspolitik“

In den letzten Monaten wurden vermehrt Fälle gemeldet, in denen aufgrund von gestiege- nem Arbeitsaufwand zusätzliche monatliche Kontoführungsgebühren verlangt werden. Die zusätzlichen Gebühren belaufen sich auf monatliche Beträge zwischen 15 € und 35 € und somit jährliche zusätzliche Kosten von 180 € bis 420 €. (Beispiel Anlage 10). Hier geht es offensichtlich ausschließlich darum, die Kunden zum freiwilligen „Gehen“ zu bewegen.

5. Fazit

Die Ergebnisse der Stichprobe und die weiteren Erfahrungen aus der Praxis bestätigen1, dass es nach wie vor erhebliche Mängel bei der Umsetzung der ZKA-Empfehlung gibt. Daraus ziehen wir folgendes Fazit:

  • Die Einschaltung der Schlichtungsstellen hat sich nur bedingt bewährt:
    • auf die Beschwerdestellen wird völlig unzureichend hingewiesen;
    • die Dauer der Verfahren ist für Betroffene ohne Konto unzumutbar;
    • bis zu der Entscheidung der Schlichtungsstelle verfügen die Betroffenen über kein Konto;
    • der Schlichterspruch ist für die Banken rechtlich nicht bindend;
    • das Ziel des „Girokontos für jedermann“ wird verfehlt (z.B. Legitimation der Kündi- gung aufgrund von Kontopfändungen)
  • Die Einrichtung von Guthabenkonten wird, wie die Stichprobe belegt, in der weit überwiegenden Zahl der Fälle grundlos verweigert. Die Verweigerung der Kontoeröffnung wird in der Regel nicht schriftlich begründet.
  • Girokonten werden vor allem wegen des derzeitigen Kontopfändungsrechts weiterhin von den Kreditinstituten gekündigt.

6. Forderungen

Nach den nunmehr über zehnjährigen Erfahrungen mit der „ZKA-Empfehlung“ muss festgestellt werden, dass dieser Weg gescheitert ist. Den reinen Empfehlungscharakter der Selbstverpflichtungserklärung hat das Hanseatische Oberlandesgericht mit seiner Entscheidung vom 22.12.2005 bestätigt und einen einklagbaren Rechtsanspruch abgelehnt. Der einvernehmliche Beschluss des Bundestages vom 30.06.2004 wurde von der Kreditwirtschaft nur unzureichend befolgt.

Folgende Forderungen ergeben sich aus unserer Sicht

  • Der Gesetzgeber ist nunmehr aufgefordert, einen Rechtsanspruch auf ein Girokonto auf Guthabenbasis einzuführen, so wie dies in einigen EU-Mitgliedsstaaten bereits geschehen ist.
  • Gleichzeitig ist eine umgehende Novellierung des Kontopfändungsrechts erforderlich, auch um die Banken in ihrer Funktion als Drittschuldner zu entlasten.

  1. Wir möchten an dieser Stelle auf die aktuelle Veröffentlichung der Verbraucherzentrale Hamburg verweisen. Allein in dieser Beratungsstelle wurden im Zeitraum von Juni 2005 bis Februar 2006 57 Kontokündigungen und 96 verweigerte Kontoeröffnungen gemeldet.
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