Lösungsvorschläge zu den aktuellen Problemen mit der Befeiung von der Rundfunkgebührenpflicht

I. Ausgangslage

Bis zum 31. März 2005 hatten auch Familien oder Einzelpersonen mit geringem Einkommen einen Anspruch auf die GEZ-Gebührenbefreiung. Dabei durfte das Einkommen aller Haushaltsangehörigen eine eigenständige fixierte Einkommensgrenze nicht überschreiten. Die Einkommensgrenze ergab sich aus dem 1,5-fachen Sozialhilferegelsatz für den Haushaltungsvorstand plus einfacher Regelsatz für die sonstigen Haushaltsangehörigen, plus 3 %i- gem Zuschlag für Haushaltsangehörige über 65 Jahre, plus Kosten der Unterkunft.

Mit dieser Regelung konnten alle Bezieher von Niedrigeinkommen, die unter der festgelegten Einkommensgrenze bleiben, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit werden. Mit dem Befreiungsbescheid konnte dann bei der Deutschen Telekom der „Sozialtarif“ beantragt werden, der zu reduzierten Gebühren beim Telefonieren führt.

Seit dem 1. April 2005 gelten neue Richtlinien für die Befreiung von der Rundfunkgebühren- pflicht.

Wesentliche Änderungen sind:

  • Die Gebührenbefreiung ist nicht mehr von der Höhe des Einkommens abhängig sondern von der Einkommensart
  • Befreiungsanträge werden nicht mehr vom örtlichen Sozialamt, sondern von der GEZ- Verwaltungszentrale in Köln bearbeitet. Befreiung wird gewährt, wenn der Antragsteller nachweist, dass er eine der definierten Einkommensarten bezieht. Nach Angaben der GEZ sind diese Voraussetzungen abschließend; weitere Befreiungstatbestände seien nach dem „Willen des Gesetzgebers“ nicht vorgesehen. Auch im Antragsformular oder im Informationsmaterial finden sich keine Hinweise auf Befreiung von weiteren Personengruppen.

Diese Regelung schließt eine ganze Reihe von Personen mit niedrigem Einkommen aus. Die GEZ vertritt die Ansicht, dass Erwerbstätige, Arbeitslosengeld I – Empfänger und Rentner, die keine ergänzende Sozialleistung beziehen, von der Befreiung ausgeschlossen sind. Auch ALG II-Bezieher mit befristetem Zuschlag (gemäß § 24 SGB II) – egal in welcher Höhe – sind davon betroffen. Auch Jugendliche und junge Volljährige, die im Rahmen der flexiblen Ver- selbständigung betreut und vom Landesjugendamt flexibles Taschengeld und ggfs. einen Anteil der Ausbildungsvergütung (ca. 30 %) zur freien Verfügung haben, sind nach der neu- en Regelung nicht für die Befreiung der Rundfunkgebührenpflicht vorgesehen. Weiterhin kommt es zu Problemen, weil Taschengeldbezieher in stationären Einrichtungen nach SGB VIII / XII sowie Auszubildende mit Anspruch auf Leistungen nach § 59 ff. SGB III bei den Personengruppen nach § 6 Rundfunkgebührenstaatsvertrag nicht genannt sind.

II. Auswirkungen und Probleme der neuen Regelung, sowie Lösungsansätze aus Sicht der Praxis der Schuldnerberatung

1. Folge der neuen Regelung: Befreiungstatbestand ist reduziert auf vorgegebene Einkommensarten

Problem

Personen an der Bedürftigkeitsschwelle ohne anerkannten Sozialleistungsbescheid er- halten keine Befreiung. So kommt es immer häufiger zu Schulden gegenüber der GEZ. In einer Meldung vom Kölner Stadtanzeiger vom 18. März 2006 teilt die GEZ mit, dass derzeit „Forderungsausfälle von 50 Millionen Euro zu verzeichnen sind.“

Lösungsvorschlag

Wie bereits der Vorsitzende der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg, Hans-Jörg Böhringer, im November 2005 in einem Schreiben an Sozialminister Renner vorgeschlagen hat, sollte die „Wiederanwendung der bisherigen Befreiungsvorschriften der Verordnung für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht“ eingeführt werden. Das entspricht auch dem Tenor eines Urteils des Verwaltungsgerichtes Berlin vom 25. Januar 2006 (VG 27 A 229.05), in dem einem Auszubildenden „wegen einer vergleichbaren Bedürftigkeit“ die Härtefallregelung des § 6 Abs. 3 RgebStV zugespro- chen wurden. Im Übrigen sollte bereits in den Antragsformularen auf die Befreiungsmöglichkeit nach der Härtefallregelung hingewiesen werden.

2. Vorgabe durch neue Regelung: Dem Antrag muss zwecks Prüfung der ALG II – Bescheid im Original oder als beglaubigte Kopie beigefügt werden.

Problem

Hilfeempfänger haben also lediglich die Möglichkeit, das Original ihres Bewilligungsbe- scheides aus den Händen zu geben oder gegen eine Gebühr von 6,00 € bei einem 4- seitigen Bescheid eine amtliche Beglaubigung der Kopie vornehmen zu lassen. Da sei- tens der GEZ offensichtlich nicht sichergestellt werden kann, dass der Originalbescheid zurückgesandt wird (Aussage einer GEZ-Mitarbeiterin: „Die Unterlagen werden nach der Bearbeitung geschreddert“.), muss seitens der Hilfeempfänger eigentlich auf die kosten- trächtigere Variante der Beglaubigung zurückgegriffen werden, es sei denn, die Kopie des Bescheides wird durch ein Pfarramt kostenlos beglaubigt. Es ist aber wohl unstreitig, dass letztgenannte Möglichkeit nur eine Notlösung sein kann, zumal dies in Diasporagemeinden für viele Menschen gar keine Lösung ist.

Lösungsvorschlag

Mit dem Bescheid über die entsprechende Sozialleistung wird eine Bescheinigung zur Vorlage bei der GEZ ausgehändigt. Dieser ist zu entnehmen, dass der Antragsteller die Voraussetzungen für eine Rundfunkgebührenbefreiung erfüllt. Ähnlich wurde im Übrigen schon zu BSHG – Zeiten verfahren.

3. Vorgabe durch Regelung: Die Rundfunkgebührenbefreiung erfolgt erst ab dem Folgemonat nach Antragstellung.

Problem

Erhält ein Hilfeempfänger bspw. im März 2006 seinen Bewilligungsbescheid für SGB II – Leistungen mit dem er umgehend die GEZ-Befreiung beantragt, so erhält er diese erst ab April 2006. Für den Monat März 2006 ist eine Forderung entstanden, die seitens der GEZ beigetrieben wird. Noch schwieriger wird es, wenn der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II negativ beschieden wird und die Leistungsbewilligung erst nach einem Wi- derspruch gewährt wird. In diesem Fall können mehrere Monate vergehen.

Lösungsvorschlag

Bewilligung der Rundfunkgebührenbefreiung ab dem ersten Monat des Leistungsbezu- ges nach SGB II bzw. dem gleich stehender Leistungen.

4. Folge der neuen Regelung: Durch die Übernahme der Abwicklung des Antragsverfahrens durch die GEZ, scheint diese an ihre Leistungsgrenze zu stoßen. Die Folge sind mehrmonatige Bearbeitungszeiten

Problem

Wurde der Rundfunkgebührenbefreiungsantrag endlich beschieden, war der Bewilli- gungszeitraum des SGB II – Bescheides abgelaufen. Folglich wurde ein ablehnender Bescheid erlassen mit dem Hinweis, dass der Zeitraum für den der SGB II – Bezug beschieden war, abgelaufen sei. Eine rückwirkende Befreiung sei zudem nicht zulässig (s. auch Punkt. 2.).

Lösungsvorschlag

Befreiung ab dem ersten Monat des Leistungsbezuges nach SGB II bzw. dem gleich stehender Leistungen.

5. Folge der neuen Regelung: Bewilligung der GEZ-Befreiung nur für 6 Monate

Problem

Hoher Verwaltungsaufwand auf beiden Seiten

Lösungsvorschlag

Befreiung von den Rundfunkgebühren für 12 Monate, verbunden mit der Verpflichtung des Hilfeempfängers, bei maßgeblicher Veränderung der finanziellen Verhältnisse, dies der GEZ entsprechend mitzuteilen. Dadurch könnten pro Antragsteller mehrere Bearbeitungsvorgänge im Jahr eingespart werden. Eine solche Vorgehensweise wird sich wahr- scheinlich dann noch rechnen, wenn davon ausgegangen wird, dass ein Teil der Hilfeempfänger die GEZ nicht über ihre positiv veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse unterrichtet.

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