Schlagwort: Armuts- und Reichtumsbericht

Politik muss einen offenen Zugang zur Beratung ermöglichen

Der im Frühjahr 2017 vorliegende 5. Armuts- und Reichtumsbericht wird nachweisen, dass die Schuldenlast privater Haushalte seit zehn Jahren zunimmt. Mehr als sechs Prozent der Bevölkerung sind akut in Ihren Existenzgrundlagen bedroht. Sie brauchen dringend gute Beratung. Aber nicht alle Menschen haben einen Zugang. Einen gesetzlichen Zugang haben Überschuldete nur, wenn sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende oder Sozialhilfe beziehen. Was aber ist mit Erwerbstätigen, Rentnern, Studierenden? Müssen sie erst hilfebedürftig werden, um Beratung zu bekommen? Nur in den Kommunen, die im Rahmen der allgemeinen Daseinsfürsorge einen offen Zugang zur Beratung gewähren, wird diesen Menschen geholfen.

Die AG SBV fordert daher die Politik auf, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, dass alle Personen, die mit ihrer Schuldenlast nicht mehr klar kommen Zugang zu einer Beratung bekommen können. Die AG SBV wird in einen engagierten Dialog mit Politiker*innen treten.

Einige Mitgliedsverbände der AG SBV haben Stellungnahmen zum 5. Armuts- und Reichtumsbericht abgegeben:

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Stellungnahme zum Entwurf des 3. Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung

Teil B

II.3.2 Entwicklung der Überschuldung

Bericht

Der Bericht (S. 45) führt aus, dass die Anzahl der überschuldeten Haushalte auf rund 1,6 Mio. zurückgegangen ist. Diese Zahl ist Ergebnis einer Studie zur Überschuldung privater Haushalte mit Kreditverbindlichkeiten.

Bewertung

Die Bundesregierung verfügt nicht mehr wie in früheren Jahren über das Interesse und die Fähigkeit, über die Zahl und die Struktur von Überschuldungsfällen in Ost- und Westdeutsch- land Auskunft zu geben. Stattdessen greift sie auf Teilzahlen zurück, die nach herrschender sozialwissenschaftlicher Auffassung fragwürdig sind. Die Anzahl der überschuldeten Haus- halte kann nicht nur an Kreditverbindlichkeiten festgemacht werden. Andere Überschuldungsformen, als die der Kreditverschuldung, wer- den somit bagatellisiert, was im Hinblick auf die schwierige Lebenslage der Betroffenen nicht gerechtfertigt ist. Wenn keine verlässlichen Zahlen vorliegen, wäre es ehrlicher dies zu sagen, als eine Zahl zu benennen, die als Entwarnung missverstanden werden könnte. Die Entwicklung des Niedriglohnbereichs und der Reallöhne, der Armutsrisiken und der tatsächlichen Verarmungsverläufe geben der Projektion der Bundesregierung, dass die Überschuldung ihren Höhepunkt überschritten habe, keine Nahrung.

Lösung

Notwendig ist eine kontinuierliche Überschuldungsforschung, die unter Einbeziehung aller relevanten Überschuldungsformen die Entwicklung nachweist.

II.3.3 Ursachen und Auslöser von Überschuldung

Bericht

Laut Bericht ist die Arbeitslosigkeit, die regelmäßig mit deutlichen Einkommenseinbußen verbunden ist, der empirisch wichtigste Einzelüberschuldungsfaktor (s. 47).

Bewertung

Die Aussage ist zutreffend, aber nicht neu. Zwischen Arbeitslosigkeit und Überschuldung besteht ein enger kausaler Zusammenhang. Zum einen ist Arbeitslosigkeit ein wesentlicher Auslöser von Überschuldungssituationen, zum anderen stellt die Überschuldung ein gravierendes Vermittlungshemmnis in den Arbeitsmarkt dar. Außerdem gefährden Überschuldungsprobleme noch bestehende Arbeitsverhältnisse, weil den Arbeitgebern erhebliche Belastungen durch die Überschuldung von Arbeitnehmern entstehen. Diese Zusammenhänge werden im Bericht nicht dargestellt.

Lösung

Der Bericht sollte die Bedeutung und Rolle der Schuldnerberatung als Instrument der Arbeitsmarktintegration beschreiben. Mit der Einführung des SGB II hat die Schuldnerberatung eine wichtige Funktion (§16,2 SGB II) für den Erhalt und die Wiedererlangung eines Arbeitsplatzes. Dies belegen Studien zur Wirksamkeit von Schuldnerberatung (S.175)

Teil D

II.3 Überschuldeten Privathaushalten helfen – Überschuldung vorbeugen und beseitigen

Bericht

Laut Bericht (S. 174) wirkt die Bundesregierung dem Überschuldungsprozess mit einem Maßnahmekonzept entgegen, das auf den Interventionsebenen Gesetzgebung, soziale Infrastruktur und Informationsvermittlung ansetzt. Benannt werden u.a. Novellierung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, Einführung eines pfändungsfreien Girokontos und Überschuldungsstatistik.

Bewertung

Das „Maßnahmekonzept“ der Bundesregierung ist ambivalent. Auf der einen Seite sind die Initiativen zur Neuregelung des Verbraucherinsolvenzverfahrens und zum pfändungsfreien Girokonto zu begrüßen. Auf der anderen Seite kann von einem Maßnahmekonzept auch hinsichtlich der „sozialen Infrastruktur“ in keiner Weise die Rede sein. Der Bericht geht nicht auf die Frage ein, wie die Bundesregierung mit der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) und den Verbraucher- und Wohlfahrtsverbänden zusammenarbeitet. Ebenso enthält der Bericht keine Aussagen darüber, wie de Bundesregierung die unterschiedlichen Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten der Bundes-Landes und kommunalen Ebene moderiert und koordiniert. Nicht angesprochen wird die gesellschaftliche Verantwortung der Finanzdienstleister für eine verantwortliche Kreditvergabe und wie der Verbraucherschutz wirksamer gestaltet werden kann.
Ebenfalls hat sich die Bundesregierung nicht dazu geäußert wie sie die – so positiv bewerte- te- Überschuldungsstatistik des Statistischen Bundesamt fortführen will.

Die jetzige rechtliche Regelung (nach §7 Bundesstatistikgesetz) erlaubt eine Fortführung bis längstens für das Berichtsjahr 2010. Danach müsste diese Erhebung eingestellt werden, sofern keine weitere gesetzliche Regelung getroffen wird.

Lösung

Überschuldung ist ein Querschnittsthema, das den Zuständigkeitsbereich mehrer Ministerien betrifft. Die federführende Koordination eines Ministeriums ist erforderlich um die vielfältigen und notwendigen Einzelaktivitäten zu einem politschen Gesamtansatz zu bündeln. Unter Einbeziehung von Politik, Wohlfahrts- und Verbraucherverbänden, Wissenschaft und Kreditwirtschaft ist ein „Nationaler Aktionsplan gegen Überschuldung“ zu entwickeln. Themen eines solchen Aktionsplans können u.a. sein:

  • Förderung der Finanzkompetenz/ Prävention
  • Präventive Einkommens- und Budgetberatung
  • Ausbau und finanzielle Absicherung der Schuldnerberatung
  • Weiterentwicklung des Verbraucherinsolvenzverfahrens
  • Kontopfändungsschutz
  • Recht auf Girokonto
  • Transparenz und verbesserter Datenschutz beim Kreditscoring
  • Gesetzlich verankerte Bundesstatistik zur Überschuldun
  • Überschuldungsforschung
  • Wirtschaftliche Beratung und Bildung in Familienzentren und Einrichtungen der Familienbildung
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