Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern

Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern vor Gewalt sowie zur Änderung weiterer zwangsvollstreckungsrechtlicher Vorschriften (Gerichtsvollzieherschutzgesetz – GvSchuG) – Referentenentwurf vom 12.11.2020

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) bedankt sich für die Gelegenheit der Äußerung und nimmt zu dem Entwurf eines Gerichtsvollzieherschutzgesetzes (GvSchuG) vom 12. November 2020 nachfolgend gerne Stellung.

Zusammenfassung

Mit dem vorgelegten Entwurf verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher bei der Durchführung von Vollstreckungshandlungen besser vor Gewalt zu schützen. Des Weiteren sollen verschiedene zwangsvollstreckungsrechtliche Vorschriften modernisiert und das Verfahren effektiver und schneller werden.

Die Zielsetzung, Gerichtsvollzieher vor Gewalt zu schützen, ist zu begrüßen ebenso wie die Aktualisierungsvorhaben. Einige der geplanten Änderungen sind aus Sicht der AG SBV jedoch zu weitgehend oder zu wenig zielorientiert und sind daher abzulehnen.

Die AG SBV regt daher folgende Änderungen an:

  • Die erleichterte Einholung von Drittauskünften gemäß § 802l Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 ZPO-E ist zu weitgehend. Die Regelung, wonach eine nicht abgegebene Vermögensauskunft in einem anderen Verfahren den Gerichtsvollzieher berechtigt, Drittauskünfte beim Rententräger, Bundesamt für Finanzen und beim Kraftfahrzeug-Bundesamt einzuholen, sollte gestrichen werden.
  • Auf die Rechtsfolgenverweisung im neu eingeführten § 98 Abs. 1a InsO-E ist zu verzichten, da die Insolvenzordnung bereits umfassende Rechtsmittel und –folgen vorsieht, damit der Schuldner seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nachkommt.
  • Die Höhe des unpfändbaren Bargeldes gemäß § 811 Nr. 3 ZPO-E sollte nicht nur für den Schuldner, sondern auch für weitere im Haushalt lebende Personen festgelegt werden. Nummer 3 b) sollte zudem sprachlich eindeutiger gefasst werden.
  • Der Pfändungsfreibetrag gemäß § 850a Nr. 4 ZPO sollte in „Sonderzahlung zum Jahresende“ umbenannt werden und auf den Zeitraum von November bis Januar festgelegt werden.
  • Die Unpfändbarkeit der Sonderzahlung zum Jahresende (Weihnachtsgeld) ist ausschließlich an der Höhe der Grundfreibetrags gemäß § 850c ZPO zu orientieren.
  • Der Freibetrag für Lebensversicherungen auf den Todesfall gemäß § 850b Nr. 4 ZPO sollte regelmäßig an die Entwicklung des Grundfreibetrags gemäß § 850c ZPO angepasst werden.
  • Die Altersstaffelung gemäß § 851c ZPO sollte sich differenzierter an einer altersgerechten Einkommensentwicklung orientieren.

1. Verbesserung des Schutzes von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern vor Gewalt

Die Vorschrift des § 757a ZPO-E regelt die Möglichkeit der Auskunft über das Vorliegen polizeilicher Erkenntnisse zu den Schuldnern, falls Anhaltspunkte für eine Gefahr körperlicher Verletzung bestehen. Bestätigen sich diese, können Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtvollzieher polizeiliche Vollzugsorgane bei der Vollstreckungshandlung hinzuziehen. Im Absatz 3 ist zusätzlich vorgesehen, dass die Hinzuziehung der Polizei insbesondere bei Räumung und Durchsuchung der Wohnung auch ohne vorherige tatsächliche Anhaltspunkte erfolgen kann.

Bewertung:

Die AG SBV weist darauf hin, dass hierdurch leicht eine Stigmatisierung bestimmter Gegenden, Stadtviertel oder Straßen erfolgen kann, die schon als soziale Brennpunkte bekannt sind. Allerdings ist anzuerkennen, dass es sich bei einer Räumung oder Durchsuchung um einen intensiven Eingriff in die geschützte Privatsphäre handelt und wegen ihrer Folgen für die Betroffenen auch um eine meist emotionale Situation. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung nachvollziehbar, dient sie doch dem Schutz der (körperlichen)
Unversehrtheit des vollstreckenden Gerichtsvollziehers oder der Gerichtsvollzieherin. Das ist uneingeschränkt zu begrüßen.

2. Erleichterter Zugang zu Informationen über verwertbare Vermögensgegenstände

§ 802l ZPO-E sieht vor, dass der Gerichtsvollzieher Drittauskünfte nicht erst dann verlangen darf, wenn der Schuldner seiner Vermögensauskunft nicht nachgekommen oder eine vollständige Befriedigung nicht zu erwarten ist. Er kann dies bereits dann, wenn die Zustellung der Ladung zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht ausführbar ist oder wenn eine Anordnung zur Eintragung im Schuldnerverzeichnis über eine nicht abgegebene Vermögensauskunft in einem anderen Verfahren nicht älter als drei Monate ist.

Bewertung:

Die Tatbestände zur Einholung von Drittauskünften sollen ausgeweitet werden. Dies ist insbesondere im Hinblick auf § 802l Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 ZPO-E abzulehnen. Die Vorschrift hat in dieser Form einen Strafcharakter, denn sie ermöglicht die Einholung von
Drittauskünften bereits dann, wenn der Schuldner in einem anderen Verfahren nicht zum Termin erschienen ist. Die Gründe hierfür werden nicht berücksichtigt, ebenso wenig wie die Möglichkeit einer Nachholung der Abgabe der Vermögensauskunft. Denn eine Beseitigung der Eintragungsanordnung ist nicht ohne weiteres formlos möglich, selbst wenn die zugrunde liegende Tatsache nicht mehr besteht.

Diese Voraussetzung für die erweiterte Informationsmöglichkeit sollte daher ersatzlos entfallen.

Übertragung der Auskunftsrechte des Gerichtsvollziehers auf das Insolvenzverfahren

Gemäß § 98 InsO-E soll ein neuer Absatz eingeführt werden, wonach das Insolvenzgericht Maßnahmen gemäß § 802l Abs. 1 S. 1 ZPO-E zusätzlich zu den bereits vorhandenen Auskunftspflichten bzw. Durchsetzungsrechten des Gerichts anordnen kann.

Bewertung

Die Einfügung des § 802l Abs. 1 Satz 1 ZPO-E in die Insolvenzordnung als Absatz 1a in § 98 InsO-E ist abzulehnen.

Eine zusätzliche Auskunftsmöglichkeit durch das Gericht nach § 802l Abs. 1 Satz 1 ZPO-E erscheint nicht erforderlich, weil der Schuldner mit der Antragstellung eines Insolvenzverfahrens bereits umfassend Auskunft erteilt und darüber hinaus gemäß § 97 zur Auskunft und Mitwirkung verpflichtet ist. Darüber hinaus besteht nach § 98 Abs. 2 InsO die Möglichkeit der Anordnung einer Haft, bis der Schuldner entsprechende Auskünfte erteilt oder mitwirkt. Sollte er seiner Auskunfts- und Mitwirkungspflicht nicht nachkommen, droht die Versagung der Restschuldbefreiung (gem. § 4c oder § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Der Insolvenzverwalter hat im Rahmen der allgemeinen Auskunftspflicht der Behörden (siehe auch VG Greifswald, ZVI 2017, 482) bereits die Möglichkeit auf zusätzliche Daten zuzugreifen. Die AG SBV fordert weiter die Streichung der in § 98 Abs. 1a Nr. 4 InsO-E eingeräumten weitgehenden Befugnisse, die „aus anderen Gründen erforderlich erscheinen“. Da es sich hierbei um einen erheblichen Eingriff in den Datenschutz handelt, sollten die Eingriffsgrundlagen genau bestimmt sein, was aber aufgrund der darin verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe nicht der Fall ist.
Besonders systemfremd erscheint in diesem Zusammenhang Absatz 1a Nummer 1 des § 98 InsO-E, der auf eine frühere Eintragungsanordnung Bezug nimmt – insbesondere da der  Zugriff auf die Daten nur in einem zeitlich sehr begrenzten Zeitraum möglich ist.

Für die AG SBV ist deshalb der Mehrwert der Übertragung des § 802l Absatz 1 Satz 1 ZPO-E für das Insolvenzverfahren nicht erkennbar.

3. Neustrukturierung des Pfändungsschutzes in bewegliches Vermögen

Die in § 811 ZPO normierte Unpfändbarkeit von Sachen und Tieren wird mit dem Referentenentwurf neu strukturiert und modernisiert.

Bewertung:

Die Modernisierung des § 811 ZPO-E wird von der AG SBV positiv bewertet. Insbesondere die Ausweitung des Pfändungsschutzes auf alle Haushaltsangehörigen, unabhängig von bestimmten Lebensformen, trägt den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft Rechnung.

Kritisch zu werten ist allerdings § 811 Absatz 1 Nummer 3 ZPO-E, mit der der Schutz von Bargeld im Haushalt des Schuldners bewirkt werden soll. Die Abkehr vom Zweck des Bargeldes nach bisherigem Recht führt zu Schwierigkeiten. So ist ein Pauschalbetrag von 300 Euro für einen alleinstehenden Schuldner zwar sachgerecht, im Falle einer mehrköpfigen Familie jedoch nicht ausreichend. Hier sollte eine Staffelung nach Anzahl der Haushaltsmitglieder ergänzt werden – denn die Vorteile einer Pauschalierung (nach Köpfen) insgesamt liegen auf der Hand. Ebenso kritisch ist die Formulierung der Bezugnahme zum Pfändungsschutzkonto bei Bargeldbeträgen über 300 Euro zu sehen. Zwar ist der Zweck der Regelung nachvollziehbar, nämlich für das Bargeld einen an das P-Konto angelehnten Pfändungsschutz vorzusehen und hierbei einen doppelten Schutz auszuschließen. Es wird jedoch angeregt, die Vorschrift sprachlich so zu überarbeiten, dass eine zweifelsfreie Rechtsanwendung der komplexen Materie gewährleistet ist. Dies erscheint in der vorliegenden Form nicht gegeben.

4. Aktualisierung einiger Vorschriften zu unpfändbaren und bedingt pfändbaren Bezügen sowie Altersrenten

Weihnachtsvergütung (§ 850a Nr. 4 ZPO-E)

Der bisherige Freibetrag des Weihnachtsgeldes in Höhe von maximal 500 € wird auf maximal den Grundfreibetrag erhöht. Der Zweck der Anpassung liegt nach der Gesetzesbegründung zukünftig explizit auch darin, dass der Schuldner bestimmte Verpflichtungen erfüllen oder Anschaffungen tätigen kann, die über das Jahr aus dem monatlichen Budget nicht erbracht werden konnten.

Bewertung:

Die Anpassung des Pfändungsschutzes im Rahmen des § 850a Nr. 4 ZPO-E ist – nicht nur aufgrund der seit 2002 nicht angepassten Regelung – uneingeschränkt zu begrüßen. Wie die Begründung schon ausweist, dient die häufig noch als „Weihnachtsgeld“ bezeichnete Sonderzahlung nicht nur der Sicherstellung eines bescheidenen Weihnachtsfestes, sondern darüber hinaus auch noch der Anschaffung von dringend benötigten einmaligen Anschaffungen, die im Rahmen der monatlichen Gehaltszahlungen nicht abgedeckt werden können.

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände unterstützt uneingeschränkt die erweiterte Bewertung und Bedeutung der Unpfändbarkeit eines Teils des „Weihnachtsgeldes“. In den letzten Jahren sind immer mehr Arbeitgeber dazu übergegangen statt eines Weihnachtsgeldes eine Jahressonderzahlung im Zeitraum vom November bis ca. Mitte Januar auszuzahlen. In der Rechtsprechung ist daher umstritten, ab wann es sich bei der Sonderzahlung um eine im engen Sinne für Weihnachten gedachte Zahlung handelt oder nicht (siehe auch BAG, NZA, 2012, 1246; BAG NZA 2016, 840) . Das ist nicht sachgerecht, insbesondere wenn ein Teil dieser Sonderzahlung auch dazu dienen soll, neben dem Weihnachtsfest auch weitere erforderliche Anschaffungen zu ermöglichen. Die AG SBV hält es daher für erforderlich, dass die Bezeichnung in Sonderzahlung zum Jahresende umbenannt wird, um den Zweck möglichst aller Sonderzahlungen zum Jahresende sicherzustellen.

Durch die Begrenzung des unpfändbaren Betrags auf die Höhe des Grundfreibetrags wird sichergestellt, dass der Zweck der Sonderzahlung zwischen November und Mitte Januar sowohl dem Weihnachtsfest, aber auch für dringend notwendige Anschaffungen zur Verfügung steht, ohne die Gläubiger übermäßig zu benachteiligen.

Die doppelte Begrenzung des Freibetrags, einmal auf die Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens und maximal auf die Höhe des Grundfreibetrags, führt dazu, dass bei Zahlungen unterhalb der Freibetragsgrenze diesen Schuldnern ein geringerer Freibetrag zur Verfügung steht. Die Änderung wirkt sich somit insbesondere für Schuldner positiv aus, deren Sonderzahlung höher als 1.000 € ist. Das Bedürfnis Anschaffungen zu tätigen, ist jedoch umso größer, je geringer das Einkommen ist. Darüber hinaus sind die Kosten für Anschaffungen, z. B. einer Waschmaschine für alle gleich hoch, so dass eine Staffelung des Pfändungsschutzes durch die Beschränkung auf die Hälfte des monatlichen Arbeitseinkommens nicht sachgerecht erscheint. Für alle Schuldner sollte daher eine Beschränkung auf den Betrag nach § 850c ZPO ausreichen.

Ansprüche auf Lebensversicherungen auf den Todesfall (§ 850b Nr. 4 ZPO-E)

Der Freibetrag für Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall abgeschlossen sind, wird auf 5.400 € erhöht.

Bewertung:

Die AG SBV begrüßt, dass der Freibetrag für Lebensversicherungen auf den Todesfall auf 5.400 € erhöht wird, damit für Angehörige des Schuldners eine angemessene Abdeckung der Beerdigungskosten möglich ist. Der bisherige Freibetrag deckt seit längerem nicht mehr die anfallenden Kosten.

Die AG SBV schlägt weiter vor, dass dieser Freibetrag gleichfalls dynamisiert wird, damit eine zeitnahe Anpassung an die Entwicklung der Beerdigungskosten jederzeit gewährleistet ist. Die Anpassung könnte sich analog der Regelung des § 850c Abs. 2a ZPO an der prozentualen Entwicklung des Grundsteuerbetrags gem. § 32a Abs. 1 EStG orientieren.

Pfändungsschutz bei Altersrenten (§ 851c ZPO-E)

Die in § 851c ZPO geregelten pfändungsfreien Ansparbeträge für die Altersrente werden insoweit angepasst, als dass auch der Gesamtbetrag bei Eintritt in die Rente nicht der Pfändung unterworfen ist.

Bewertung:

Die AG SBV begrüßt die Anpassung der einer Pfändung nicht unterworfenen Ansparbeträge für die Altersvorsorge, insbesondere die Erhöhung des Gesamtbetrags auf 340.000 €. Gleichfalls begrüßt wird die Dynamisierung der Freibeträge und Koppelung an die Entwicklung des Kapitalmarktes, an das Sterblichkeitsrisiko und die Entwicklung des unpfändbaren Grundfreibetrags nach § 850c ZPO.

Nicht ganz nachvollziehbar ist die überproportionale Anpassung der jährlichen Freibeträge bis zum 27. Lebensjahr. Auf der einen Seite ist die Erhöhung zu begrüßen, um den Schuldnern, die bereits in jungen Jahren ausreichend für das Alter vorgesorgt haben, dieses Vermögen zu sichern. Auf der anderen Seite ist das Einkommen in dieser Altersgruppe in der Regel nicht so hoch, um den Freibetrag ausschöpfen zu können. Eine differenzierte Staffelung – nach Alter und durchschnittlicher Einkommensmöglichkeiten – würde sich daher anbieten.

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