Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

Am 01.07.2020 legte die Bundesregierung einen Entwurf für ein Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens vor. Mit diesem Entwurf sollen die Vorgaben der europäischen Restrukturierungsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden.

Dem Regierungsentwurf ging am 13.02.2020 ein Referentenentwurf voraus, zu welchem die AG SBV bereits Stellung bezogen hat. Leider weicht der Regierungsentwurf an maßgeblichen Stellen deutlich vom Referentenentwurf ab.

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) begrüßt ausdrücklich, dass entsprechend der Empfehlung im Erwägungsgrund 21 der EU-Richtlinie die Entschuldungsfrist von drei Jahren für alle natürlichen Personen gelten soll. Dagegen lehnt die AG SBV ab, dass diese Regelung zunächst nur befristet bis 2025 eingeführt werden soll. Es sind aus Sicht der sozialen Schuldnerberatung keine Gründe ersichtlich, die eine Befristung der Regelung zur Verkürzung in irgendeiner Weise rechtfertigen würden.

Die zeitnahe Umsetzung der EU-Reform wird gleichfalls begrüßt. Die unmittelbare Umsetzung ist nicht nur aufgrund der potenziellen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf natürliche Personen sachgerecht und geboten, sondern bietet auch den seit Jahren überschuldeten natürlichen Personen wieder eine Perspektive.

Namhafte Richter*innen, Rechtswissenschaftler*innen, Insolvenzverwalter*innen und Schuldnerberater*innen, die das Insolvenzrecht maßgeblich begleitet und geprägt haben, haben ihre Kritik am Regierungsentwurf sehr plastisch und prägnant in einem Aufruf formuliert. Dieser Kritik schließt sich die AG SBV an und fordert, die Bedenken der Fachpraktiker*innen im weiteren parlamentarischen Verfahren zu berücksichtigen.

Insbesondere wendet sich die AG SBV gegen alle geplanten Vorschriften im RegE, die nicht den wirtschaftlichen Neuanfang der überschuldeten Menschen im Fokus haben.

1. Befristung der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens für Verbraucher*innen (Art. 2 Nr.2, 5, 9 Abs. 2 RegE)

Die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre soll für Verbraucher*innen zunächst nur bis zum 30.06.2025 gelten. Die Entscheidung über eine etwaige Entfristung dieser Regelung wird von einer Evaluation des Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhaltens abhängig gemacht.

Eine Rückkehr zum „alten Recht“ (heute § 300 InsO: Abtretungsfrist sechs Jahre, drei Jahre bei Befriedigungsquote von 35 % oder fünf Jahre nach Zahlung der Verfahrenskosten) ist für den Fall, dass die Verkürzung auf drei Jahre für Verbraucher*innen nicht entfristet wird, in einem neuen § 312 InsO-E vorgesehen.

Bewertung

Die AG SBV lehnt die Befristung und damit die Rückkehr zur alten (heutigen) Rechtslage ab.

Der Bericht der Bundesregierung über die Wirkungen der Restschuldbefreiung vom Juni 2018 hat bereits gezeigt, dass die Restschuldbefreiung innerhalb von drei Jahren bei einer Mindestbefriedigungsquote von 35 % nur für deutlich unter 2 % der Schuldner*innen erreichbar war. Als Folge daraus hat die Bundesregierung in ihrem Bericht einen klaren gesetzgeberischen Handlungsbedarf erkannt und vorgeschlagen, eine Änderung im Rahmen der anstehenden Umsetzung der EU-Reform über die Richtlinie zur Restrukturierung und Entschuldung vorzunehmen. Die nun im Regierungsentwurf vorgenommene Befristung der Dauer der dreijährigen Abtretungsfrist für Verbraucher*innen und Wiedereinführung der zu Recht kritisierten Regelung zum 01.07.2025 widerspricht diametral den eigenen Evaluationsergebnissen. Es ergibt keinen Sinn, dass die gescheiterte, noch gültige Regelung (Verkürzung auf drei Jahre nur unter Bedingung einer 35 %-Quote), weiter im Gesetz zementiert wird.

Bei Rücknahme der Verkürzung im Jahre 2025 entstünde zudem die Situation einer Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund zwischen Verbraucher*innen und selbständig tätigen natürlichen Personen, wie z. B. Einzelunternehmern oder Freiberuflern, die auf verfassungsrechtliche Bedenken (Art. 3 GG) stößt.

Letztendlich entsteht ein künstliches Zeitfenster bis zum 30.06.2025, in dem Verbraucher*innen rechtssicher eine dreijährige Entschuldungsfrist beantragen könnten. Dies wird nach unserer Einschätzung zu einem unnötigen Andrang auf Gerichte und Beratungsstellen führen.

Änderungsvorschlag

Der § 312 InsO-E ist ersatzlos zu streichen.

2. Evaluation zur Entfristung der dreijährigen Verfahrensdauer für Verbraucher*innen (Art. 2 RegE, Art. 107a-EGInsO-E)

Der RegE sieht im Zusammenhang mit der Befristung der Verkürzung der Verfahrensdauer für Verbraucher*innen eine Evaluation vor. Die Bundesregierung soll dem Bundestag bis zum 30.06.2024 darüber berichten, wie sich die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf das Antrags-, Zahlungs- und Wirtschaftsverhalten von Verbraucher*innen ausgewirkt hat. Das Ergebnis dieser Evaluation soll für die Entscheidung maßgeblich sein, ob die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auch für Verbraucher*innen auf Dauer beibehalten wird.

Bewertung

Es gibt sehr viele Gründe, die das künftige Antrags- und Zahlungsverhalten von Verbraucher*innen beeinflussen können. Die Covid-19-Pandemie wird z. B. die wirtschaftlichen Lebenslagen von vielen Verbraucher*innen noch lange und nachhaltig belasten. Somit ist eine vermehrte Antragstellung zu erwarten, ohne dass der Missbrauchsgedanke auch nur ansatzweise trägt. Durch die Einführung einer solchen Evaluation als Bedingung für eine dauerhafte Verkürzung des Verfahrens für Verbraucher*innen wird ein Misstrauen zum Ausdruck gebracht, das weder nachvollziehbar, noch zahlenmäßig belegbar ist.

Auch die Schufa geht von einem äußerst stabilen Rückzahlungsverhalten der Verbraucher*innen in Bezug auf Verbraucherkredite (97,9 % aller Verbraucherdarlehen werden ordnungsgemäß und pünktlich zurückbezahlt) aus – und das schon seit vielen Jahren.

Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Christine Lambrecht hat erst kürzlich erklärt:

„Die Einführung des Restschuldbefreiungsverfahrens im Jahr 1999 und sämtliche nachfolgende Erleichterungen des Zugangs zur Restschuldbefreiung waren stets von der Sorge begleitet, dass die Insolvenz für Schuldnerinnen und Schuldner ihren Schrecken verlieren könnte und dass deshalb Anreize zu einer sorglosen oder gar missbräuchlichen Überschuldung gesetzt werden könnten. Bewahrheitet haben sich derartige Befürchtungen nicht. Nach den meisten Studien zählen unverschuldete und unvorhergesehene Ereignisse wie Krankheit, Scheidung und Arbeitslosigkeit bei Verbraucherinnen und Verbrauchern zu den Hauptursachen von Überschuldungen, die sich über die Dauer des Restschuldbefreiungsverfahrens nicht steuern lassen. Selbst dort, wo die Überschuldung im Einzelfall auf objektiv vermeidbares Verhalten zurückzuführen ist, schränken nicht selten wirtschaftliche und psychosoziale Belastungen die Fähigkeit der Betroffenen zu einer geordneten finanziellen Planung ein. Da diese Fälle weit überwiegend masse- und ein- kommenslos sind, haben auch die Gläubigerinnen und Gläubiger regelmäßig nichts von einem längeren Verfahren.“

Die Beratungspraxis zeigt deutlich, dass Überschuldung ein strukturelles Problem ist und um es mit den Worten des ehemaligen BGH-Richters Prof. Dr. Gerhard Pape auf den Punkt zu bringen: „Eine frivole Schuldenmacherei im Hinblick auf die Möglichkeit der Restschuldbefreiung hat es nie gegeben.“

Änderungsvorschlag

Die bedingungslose Verfahrensverkürzung auf drei Jahre ist einheitlich auf Unternehmen und Verbraucher*innen anzuwenden. Eine Evaluation ist nicht erforderlich.

3. Evaluation zur Datenspeicherung (Art. 2 RegE, Art. 107a-EG InsO-E)

Die geplante Evaluation soll weiter auf Hindernisse eingehen, die von einer nach Erteilung der Restschuldbefreiung bestehenden Speicherung insolvenzbezogener Daten durch Auskunfteien ausgehen.

Bewertung

Im Referentenentwurf war eine Verkürzung der Löschungspflicht von Einträgen zu Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren für Auskunfteien von drei Jahren auf ein Jahr vorgesehen.

Eine Verkürzung der Löschungspflichten soll nunmehr von Ergebnissen der Evaluation zum Antrags- und Zahlungsverhalten abhängig gemacht werden. Somit wird die Beseitigung eines dringenden Problems auf einen Zeitpunkt nach dem 30.06.2024 verschoben.

Eine solche Evaluation ist überflüssig. Der Gesetzgeber geht noch in der Begründung zu seinem Referentenentwurf vom 13.02.2020 selbst von einer dringenden Notwendigkeit der Verkürzung der Speicherfrist aus. Diese Begründung ist nach unserem Dafürhalten weiterhin zutreffend. Daher ist es nicht nachvollziehbar, dass nun auf diese Verkürzung gänzlich verzichtet wird.

Die Praxiserfahrungen der Schuldner*innen und der sie unterstützenden Schuldnerberater*in- nen belegen: Der Eintrag „Erteilung der Restschuldbefreiung“ in Auskunfteien versendet – anders als in der Begründung zum Regierungsentwurf ausgeführt – kein positives Signal. Obwohl eine Rückkehr in geordnete finanzielle Verhältnisse stattgefunden hat, können Schuldner*innen nicht wieder uneingeschränkt am Wirtschaftsleben teilnehmen oder das existenzielle Bedürfnis, z. B. ein neues Mietverhältnis einzugehen, den Strom- oder Telefonanbieter zu wechseln, umsetzen. Eine echte zweite Chance wird vormals überschuldeten Menschen damit vorenthalten.

Vielmehr entscheiden faktisch die Auskunfteien über das wirtschaftliche Schicksal restschuldbefreiter Menschen. Die Erteilung der Restschuldbefreiung wird weiterhin als negatives Merkmal klassifiziert (was sich z. B. in den Score-Werten der Schufa niederschlägt).

Änderungsvorschlag

An der Regelung aus dem Referentenwurf ist festzuhalten.

4. Rückwirkende Verkürzung (Art. 2 Nr. 1 RegE; Art. 103k EGInsO-E)

Die Gesetzesänderung „Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens auf drei Jahre“ soll zum 01.10.2020 in Kraft treten. Für Verbraucher*innen, die ab dem 01.10.2020 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, soll eine Abtretungsfrist von drei Jahren gelten.

Sollte ein Antrag im Zeitraum vom 17.12.2019 – 30.09.2020 gestellt worden sein, sieht der Entwurf im „Monatsrhythmus“ eine rückwirkende Verkürzung der Abtretungsfrist vor (beginnend mit fünf Jahren und sieben Monaten bis hin zu vier Jahren und zehn Monaten). Für Anträge, die ab dem 01.10.2020 gestellt werden, gilt dann einheitlich die dreijährige Abtretungsfrist (Verfahrensdauer).

Bewertung

Diese Staffelung bzw. sukzessive Verkürzung ist dem Referentenentwurf vom 13.02.2020 entnommen. Es sollte ein „harter Schnitt“ einer Stichtagsregelung von einem sechsjährigen auf ein dreijähriges Verfahren vermieden werden. Stattdessen sollte eine schrittweise Annäherung an ein verkürztes Verfahren erfolgen.

Diese stufenweise Anpassung war im Referentenentwurf an ein Inkrafttreten der neuen, dreijährigen Abtretungsfrist zum 17.07.2022 ausgerichtet. Damit sollte ein zeitlicher Nachteil für die Antragsteller*innen bis zu diesem Stichtag vermieden werden. Durch diese Regelung sollte auch ein Bearbeitungsstau bis zum Inkrafttreten der Drei-Jahres-Regelung bei Schuldnerberatungsstellen, Insolvenzverwalterbüros und Gerichten vermieden werden.

Ein Festhalten an genau dieser rückwirkenden „Einphasung“ ist nicht mehr sinnvoll. Gleichwohl muss es für Schuldner*innen, die bereits seit dem 17.12.2019 im Vertrauen auf die Änderung im Jahr 2022 einen Antrag auf Eröffnung gestellt haben, eine rückwirkende Verfahrensverkürzung geben. Im Interesse des Gesetzgebers, aber auch zur Wiederherstellung des Vertrauens der Schuldner*innen, Gerichte und Verwalter*innen in die bereits am 07.11.2019 erfolgte Ankündigung dieser Übergangsregelung durch die Pressemitteilung des BMJV, ist eine Anpassung dieser Regelung sogar zwingend erforderlich. Die andernfalls entstehende Ungerechtigkeit und der damit einhergehende Vertrauensbruch sind nicht hinnehmbar.

Änderungsvorschlag

Art. 103k EGInsO-E

Überleitungsvorschrift zu Artikel 1 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens

  1. Auf Insolvenzverfahren, die vor dem 01.10.2020 beantragt worden sind, sind vorbehaltlich des Absatzes 2 die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden.
  2. Für Insolvenzverfahren, die im Zeitraum vom 17.12.2019 bis einschl. 30.09.2020 beantragt worden sind, gilt ab dem 01.10.2020 eine Abtretungsfrist nach § 287 der Insolvenzordnung von drei Jahren. Davon unberührt bleiben die Regelungen des § 300 InsO in der bis zum 30.09.2020 geltenden Fassung.

Damit wäre klar, dass Verbraucher*innen ab dem 01.10.2020 ebenfalls in drei Jahren rest- schuldbefreit werden. In diesem Fall enden die Laufzeiten und Abtretungsfristen der Verfahren, die zwischen dem 17.12.2019 und dem 30.09.2020 gestellt wurden, also alle gleichzeitig am 30.09.2023.

Beispiel: Für einen Verbraucher, der seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens z. B. am 01.03.2020 gestellt hat, bedeutet dies eine Laufzeit von drei Jahren und sieben Monaten.

5. Unangemessene Verbindlichkeiten und eine Versagung von Amts wegen (Art. 1 Nr. 4, 5, §§ 295 Abs. 1 Nr. 5, 296 Abs. 1a InsO-E)

Der RegE nimmt in den Katalog der Obliegenheiten während der Wohlverhaltensphase neu mit auf, dass Schuldner*innen keine unangemessenen Verbindlichkeiten begründen dürfen. Dieser Versagungsgrund soll bereits dann Grundlage für eine Versagung der Restschuldbefreiung sein, wenn dem Insolvenzgericht Umstände für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzungshandlung der Schuldner*innen bekannt werden. Dann soll nach dem RegE auch eine Versagung von Amts wegen in Betracht kommen.

Bewertung

Weder die Schaffung eines neuen Versagungsgrundes, noch die Prüfung einer Versagung von Amts wegen sind sinnvoll, sachlich geboten oder notwendig. Im Gegenteil: Bereits im laufenden Insolvenzverfahren ist die im derzeitigen § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO geregelte Versagungsgrundalternative „unangemessene Verbindlichkeiten“ eine für die Praxis äußerst unbestimmte und schwer fassbare Regelung, die durch die Rechtsprechung wiederkehrend geformt werden musste.

Die Abgrenzung von Verbindlichkeiten, deren Begründung billig und gerecht erscheint, gegen- über denen, die als Luxusausgaben deklariert werden könnten, ist fließend. Es handelt sich um Einzelfallentscheidungen im Kontext der jeweiligen Verhaltensweisen und Lebenssachverhalte der Schuldner*innen. Ein Blick in die Kommentarliteratur zum § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO bestätigt diese Unsicherheit und macht deutlich, dass es bisher sehr wenige Entscheidungen gibt, die deswegen zu einer Versagung der Restschuldbefreiung geführt haben. Durch die Fortführung dieses Versagungsgrundes in den Katalog der Obliegenheiten wird weder für Schuldner*innen, noch für Gläubiger*innen Klarheit erreicht.

Erschwerend tritt hinzu, dass eine Versagung von Amts wegen möglich werden soll. Dies widerspricht nicht nur der Struktur des Insolvenzrechts, es ist auch weder im Sinne der Gläubiger*innen, noch der Insolvenzgerichte. Insolvenzverfahren werden nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag von Gläubiger*innen oder Schuldner*innen eröffnet. Versagungsanträge wer- den von Gläubiger*innen gestellt, während das Insolvenzgericht „unparteiisch“ über die Anträge entscheidet. Es verbietet sich, die Gerichte in die Bewertung zu drängen gleichzeitig Antragsteller und Entscheider zu sein. Damit würde Insolvenzrecht eine Art Sanktionscharakter verliehen, den es bisher nicht hat. Die Verfolgung ihrer Interessen ist allein die Aufgabe und Verantwortung der Gläubiger*innen.

Änderungsvorschlag

Die Regelungen der §§ 295 Abs. 1 Nr. 5, 296 Abs. 1a InsO-E sind ersatzlos zu streichen.

6. Sperrfrist von elf Jahren in Verbindung mit fünf Jahren Dauer für Folgeverfahren (Art. 1 RegE, § 287 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und § 287a Abs.2 Nr.2 und Nr.3 InsO-E)

Die Sperrfrist zur Einleitung eines erneuten Verbraucherinsolvenzverfahrens soll von zehn Jahren auf elf Jahre angehoben werden. Im Zusammenspiel mit der Frist von fünf Jahren für ein Folgeverfahren führt das zu einer Frist von sechzehn Jahren für eine erneute Erteilung der Restschuldbefreiung.

Bewertung

Es ist nicht nachvollziehbar, warum hier – ohne Not – eine Änderung vorgenommen werden soll, die dazu führt, dass Schuldner*innen erst nach sechzehn Jahren wiederholt entschuldet werden könnten.

An dieser Stelle soll nochmals nachdrücklich betont werden: In der Regel liegt kein „Fehlverhalten“ der Schuldner*innen bei wiederholter Antragsstellung vor. Das Gros der Schuldner*innen agiert gerade nicht missbräuchlich auf ein Zweitverfahren hin, aber es gibt Lebensläufe, in denen nach erteilter Restschuldbefreiung eine neue Überschuldungssituation eintritt. Eine moralisierende Sicht begleitet von einem erzieherischen Gedanken wird den tatsächlichen Lebenslagen von überschuldeten Menschen nicht gerecht. Eine Neuverschuldung wird oft durch unvorhersehbare Ereignisse wie z. B. Erwerbslosigkeit, Trennung, Krankheit, gescheiterte Selbständigkeit, den Tod der Partnerin bzw. des Partners – oder eine unvorhersehbare und unerwartete Pandemie – ausgelöst.

Die „Wartefrist“ von elf Jahren und die einer Sanktionierung gleichkommende Verlängerung eines Zweitverfahrens auf fünf Jahre (insgesamt sechzehn Jahre) bis zu einer zweiten Entschuldung steht gerade der Absicht der Einführung der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens entgegen, die Menschen möglichst zügig wieder zu sanieren und am Arbeits- und Wirtschaftsleben teilhaben zu lassen.

Änderungsvorschlag

Die ohnehin sehr lange Sperrfrist ist nicht unnötig zu verlängern. Für Folgeverfahren ist die Laufzeit von drei Jahren beizubehalten.

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