Das Hauptziel der geplanten Gesetzesänderung ist die Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens. Damit sollen die Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1023 in nationales Recht umgesetzt werden.
Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) begrüßt ausdrücklich, sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf die Verfahrensverkürzung zu konzentrieren. Gleichwohl regen wir an, weiteren Regelungsbedarf im Blick zu behalten.
Die AG SBV begrüßt folgende Änderungen:
- Entschuldung für alle Schuldner*innen in einem Zeitraum von drei Jahren
- Löschungsverpflichtung für Auskunfteien binnen eines Jahres nach Erteilung der Restschuldbefreiung
- Drittmittel, die zur Masse fließen, sollen sich nicht mehr erhöhend auf die Verwal-tervergütung auswirken
- Mit Erteilung der Restschuldbefreiung verlieren allein aufgrund der Insolvenz er-lassene Tätigkeitsverbote ihre Wirkung
Im Folgenden nimmt die AG SBV zu einzelnen Punkten Stellung:
1. Entschuldung für alle Schuldner*innen in einem Zeitraum von drei Jahren
Es ist uneingeschränkt zu begrüßen, dass die bedingungslose Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens für alle umgesetzt werden soll. Es wäre weder nachvollziehbar noch den Betroffenen vermittelbar, wenn ein Unterschied zwischen Unternehmer*innen und Verbraucher*innen in der Verfahrenslänge oder Verfahrensausgestaltung gemacht würde.
Der Referentenentwurf schlägt eine sukzessive Verfahrensverkürzung vor, die mit der Gesetzesverabschiedung rückwirkend in Kraft treten soll. Bei der gewählten Tabellenform handelt es sich um eine klare und leicht anwendbare Darstellung. Schrittweise soll eine Verkürzung hin zu einer 3-jährigen Abtretungsfrist bis zum 17.07.2022 erfolgen.
Es ist positiv zu bewerten, dass durch die sukzessive Verkürzung ein ausgleichendes Moment geschaffen werden soll, um z. B. eine Überlastung von Beratungskapazitäten und Finanzierungslücken im Bereich der Schuldnerberatung zu vermeiden.
Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, dass die Umsetzungsfrist um die Notfrist verlängert werden soll. In Erwägungsgrund 21 empfiehlt die EU den Mitgliedsstaaten, die Richtlinie so früh wie möglich auch auf die Verbraucher*innen anzuwenden.
Dies ist aus unserer Sicht – unter Ausschöpfung der regulären Umsetzungsfrist – der 17.07.2021. Die Richtlinie sieht in Art. 34 eine Verlängerung der Umsetzungsfrist nur dann vor, wenn besondere Schwierigkeiten dies rechtfertigen. Diese besonderen Schwierigkeiten sind hier nicht zu erkennen.
Änderungsvorschlag:
Die Gesetzesänderung tritt bis zum 17.07.2021 in Kraft. Die Verkürzung der aktuellen Laufzeiten kann durch einen entsprechenden Tabellensprung (z. B. zwei Monate statt einem Monat) angepasst werden.
2. Löschungsverpflichtung für Auskunfteien soll verkürzt werden
Hier sehen wir die jahrelange Forderung nach einer Verkürzung der Speicherfristen (teilweise) erfüllt. Leider sendet der Eintrag „Erteilung der Restschuldbefreiung“ in den Auskunfteien bis dato kein positives Signal.
Obwohl eine Rückkehr in geordnete finanzielle Verhältnisse stattgefunden hat, können Schuldner*innen nicht wieder uneingeschränkt am Wirtschaftsleben teilnehmen oder z. B. das existenzielle Bedürfnis, ein neues Mietverhältnis einzugehen, umsetzen.
Die Erteilung der Restschuldbefreiung wird letztendlich als negatives Merkmal klassifiziert (was sich z. B. auch in den Score-Werten der Schufa niederschlägt).
Die Verkürzung der Speicherfrist von drei Jahren auf ein Jahr ist insofern uneingeschränkt zu begrüßen.
Die AG SBV schlägt darüber hinaus vor, eine Analogie im Bereich der außergerichtlichen Einigungen herzustellen. Dem außergerichtlichen Einigungsversuch wird zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens im Gesetz eine große Bedeutung zugemessen. Schuldner*innen, die diesen Weg des außergerichtlichen Interessensausgleichs zur Vermeidung der Insolvenz beschreiten können, würden nach Erledigung der Forderungen weiterhin für drei Jahre in den Auskunfteien gespeichert bleiben. Hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden – auch für diese Fälle ist aus unserer Sicht eine Verkürzung der Löschungsfrist vorzusehen.
Änderungsvorschlag:
Erweiterung des § 301 Abs. 5 InsO-NEU um folgenden vierten Satz:
„Entsprechendes gilt für gespeicherte Informationen, deren Löschung aufgrund eines Erledigungsvermerks des Gläubigers nach Erfüllung eines außergerichtlichen Vergleichs beantragt wird.“
3. Keine Erhöhung der Verwalterkosten bei Drittmitteln
Es ist uneingeschränkt zu begrüßen, dass die Drittmittel sich nicht erhöhend auf die Verwaltervergütung auswirken sollen. In den Fällen, in denen Drittmittel z. B. aus dem Verwandtenkreis zur vorzeitigen Erteilung der RSB zur Verfügung gestellt werden könnten, war bislang nicht vermittelbar, dass ein Großteil der Gelder in Kosten „untergehen“ und somit dem eigentlichen Zweck der frühzeitigen Sanierung entzogen werden. Die Einbeziehung von Drittmitteln wird somit gestärkt.
4. Anhebung der Sperrfrist von 10 auf 13 Jahre
Die Sperrfrist für ein erneutes Insolvenzverfahren als Eingangsentscheidung des Gerichts soll von 10 auf 13 Jahre angehoben werden.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum hier – ohne Not – eine Änderung vorgenommen werden soll. Das Gros der Fälle benötigt zwar kein zweites Insolvenzverfahren, aber es gibt durchaus Menschen, in deren Leben nach erteilter Restschuldbefreiung eine neue Überschuldungssituation eingetreten ist. Dies ist im Regelfall nicht auf ein unwirtschaftliches Verhalten der Schuldner*innen zurückzuführen, sondern es sind erneut unvorhersehbare Ereignisse eingetreten (Trennung, gescheiterte Selbständigkeit, Krankheit, Tod des Partners etc.), die mit ungeplanten Einkommenseinbußen zusammenhängen und aufgrund dessen zu einer Überschuldung führten.
Es lag in der Regel überhaupt kein „Fehlverhalten“ der Schuldner*innen vor.
Die Schuldner*innen haben nicht missbräuchlich auf ein Zweitverfahren hin agiert. Ein moralisierender Ansatz oder ein „erzieherischer“ Gedanke wird den Lebenslagen nicht gerecht.
Empfehlung:
Es wird keine Anhebung der Sperrfrist vorgenommen.
5. Weiterer Reformbedarf
Wir möchten an dieser Stelle die Gelegenheit wahrnehmen, weitere rechtliche Hürden aufzuzeigen, die sich für Schuldner*innen im laufenden Insolvenzverfahren, in der Wohlverhaltensperiode aber auch nach erteilter RSB ergeben. Die Chance zur Umsetzung weiterer, dringender Reformbedarfe könnte jetzt und hier genutzt werden. Die dadurch geschaffene Rechtssicherheit würde zur Klarheit für alle am Verfahren Beteiligten beitragen und Entlastung mit sich bringen.
Vorrangig besteht hinsichtlich der nachfolgenden Punkte Regelungsbedarf:
- Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung auch ohne Kostendeckung, wenn kein Gläubiger eine Forderung anmeldet
- Unwirksamkeit alter Pfändungsbeschlüsse mit Insolvenzeröffnung
- Frist zur Feststellung ausgenommener Forderungen für die Gläubiger
5.1. Vorzeitige Erteilung der Restschuldbefreiung auch ohne Kostendeckung, wenn kein Gläubiger eine Forderung anmeldet
In der Praxis der Schuldnerberatung lässt sich oft beobachten, dass kein Gläubiger seine Forderung zur Tabelle anmeldet und damit auf die Geltendmachung der Forderung verzichtet. Nach geltendem Recht ist in § 300 Abs. 1 Nr. 1 InsO geregelt, dass auch in diesen Fällen eine vorzeitige Restschuldbefreiung auf Antrag nur erteilt werden kann, wenn die Kosten des Verfahrens gedeckt sind.
In zahlreichen Fällen können die Verfahrenskosten von den Schuldner*innen nicht aufgebracht werden, so dass sich mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine sinnentleerte Wohlverhaltensperiode anschließt. Das Verfahren wird ohne Gläubiger*innen und auch ohne praktische Aufgabe für die Treuhänder*innen weitergeführt. Es werden lediglich weitere unnötige Kosten produziert, die letztendlich die Staatskasse belasten (siehe dazu auch AG Aurich Beschluss vom 20.11.2015, 9 IK 395/14 und AG Göttingen Beschluss vom 21.12.2015, 71 IK 123/15).
Es ist sinnvoll, dass, sollte kein Gläubiger eine Forderung angemeldet haben, ein sofortiger Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gestellt werden kann und sich dann die Nachhaftungszeit für die Kosten (§ 4 b Abs. 1 InsO) anschließt.
Änderungsvorschlag des § 300 Abs. 2 InsO-NEU:
Streichung des Halbsatzes „…und hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens und die sonstigen Masseverbindlichkeiten berichtigt…“
5.2. Unwirksamkeit alter Pfändungsbeschlüsse auf dem P-Konto mit Insolvenzeröffnung
Alte, vor der Insolvenzeröffnung ausgebrachte Pfändungen auf einem P- Konto, die nicht unter die sogenannte Rückschlagsperre fallen, verbieten Schuldner*innen und Insolvenzverwalter*innen nach Verfahrenseröffnung den
Zugriff auf von der Pfändung erfasste Vermögenswerte. Der BGH (Urteil vom September 2017, IX ZR 40/17) hat entschieden, dass diese Pfändungen wirksam bleiben und der öffentlich-rechtlichen Verstrickung unterliegen. Schuldner*innen und Insolvenzverwalter*innen sind damit gezwungen, gesonderte Anträge zur Aufhebung von Pfändungen oder zur Unwirksamkeitserklärung der Pfändungsmaßnahme zu stellen, was die Gerichte unnötig belastet und je nach Region zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Schuldner*innen fühlen sich aus diesem Grunde oftmals gezwungen, neue Girokonten einzurichten, um ungehindert wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen zu können.
Empfehlung:
Abhilfe könnte geschaffen werden, wenn in der Insolvenzordnung die Unwirksamkeit alter Pfändungen mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geregelt wäre.
5.3. Frist zur Feststellung ausgenommener Forderungen
Meldet ein Gläubiger eine Forderung mit dem Attribut „vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung“ an und legt der Schuldner Widerspruch gegen dieses Attribut ein, so gibt es bislang keine Frist für den Gläubiger, eine Feststellungsklage zu erheben, um den Widerspruch des Schuldners zu beseitigen. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 3. April 2014, IX ZB 93/13) kann der Gläubiger trotz Erteilung der Restschuldbefreiung und trotz des Widerspruchs des Schuldners gegen die Deliktseigenschaft einer Forderung aus einer vollstreckbaren Ausfertigung des Tabellenauszugs vollstrecken.
Die Feststellungsklage ist aber eigentlich notwendig zur Klärung der Frage, ob eine Forderung nach § 301 InsO der Restschuldbefreiung unterliegt, oder nach § 302 InsO davon ausgenommen ist.
Schuldner*innen erhalten somit über Jahre keine Klarheit darüber, ob diese Forderung nach erteilter Restschuldbefreiung noch gegen sie durchgesetzt werden kann. Für viele Schuldner*innen ist dieser Umstand ein höchst belastendes Moment. Oft wird dann entgegnet, dass sie eine negative Feststellungsklage erheben könnten. Die Lebenslagen der Schuldner*innen sind in der Regel mit zahlreichen Problemen belastet, wodurch diese von der Erhebung einer Klage abgehalten werden bzw. damit auch überfordert sind.
Darüber hinaus wäre es Sache des Gläubigers, sich schon frühzeitig um die Feststellung der Forderung mit Deliktseigenschaft zu bemühen.
Es ist nicht nachvollziehbar, warum dem Schuldner nach § 184 Abs. 2 S. 1 InsO aufgegeben wird, den Widerspruch bei titulierten Forderungen binnen Monatsfrist zu verfolgen, der Gläubiger aber keiner Frist unterliegt.
Änderungsvorschlag:
Es wird seitens der AG SBV vorgeschlagen, dass der Gläubiger nur bis spätestens zum Schlusstermin die Möglichkeit hat, die Feststellungsklage zu erheben. Nur so besteht eine realistische Möglichkeit, dass mit Erteilung der Restschuldbefreiung Klarheit über den Umfang der Restschuldbefreiung herrscht. Die Erhebung der Klage muss dem Insolvenzgericht nachgewiesen werden. Anderenfalls sollte die Tabelle korrigiert und die Deliktseigenschaft der Forderung gestrichen werden.
Fazit
Die AG SBV kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem Referentenentwurf vieles bedacht und geregelt wurde, was für Schuldner*innen mit einer Entlastung verbunden ist.
Wir sehen, dass die Lebenssituationen von Schuldner*innen und die Konsequenzen einer jahrelangen Ausgrenzung vom sozialen und wirtschaftlichen Leben Eingang in die Entwurfsfassung und Entwurfsbegründung gefunden haben.
Wir suchen allerdings darum nach, unsere Änderungsvorschläge zu berücksichtigen. Gern stehen wir für einen weiteren Dialog zur Verfügung.