Positionen und Vorschläge der AG SBV aus Anlass der COVID-19 Pandemie

Ver- und überschuldete Haushalte sind von den Folgen des nahezu stillstehenden öffentlichen Lebens besonders betroffen. Der Schutz vor Pfändungen und die Beantragung von Sozialleistungen oder anderen Hilfen sind aktuell deutlich erschwert.

Gleichzeitig stellen die Kontakt- und Betretungsverbote für die Beratungsstellen einegroße Herausforderung dar, wenn sie die Ratsuchenden dabei bestmöglich beratenund unterstützen wollen. Aktuell sind überwiegend nur Telefon- und Onlineberatungen möglich. Dies kann Probleme für diejenigen Beratungsstellen aufwerfen, deren Finanzierung auf Einzelfallabrechnungen beruht.

Als Zusammenschluss der Sozialen Schuldnerberatung der Wohlfahrtsverbände, der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung und der Verbraucherzentrale Bundesverband setzt sich die AG SBV für die Belange der ver- und überschuldeten Personen und der sie beratenden Dienste und Einrichtungen ein.

Die AG SBV hat sich entschieden, die Problemanzeigen und Lösungsvorschläge der Beratungspraxis und der angeschlossenen Beratungsstellen in einen gemeinsamenVerständigungs- und Aushandlungsprozess einzuspeisen, den die Verbände derfreien Wohlfahrtspflege (BAGFW) wegen der COVID-19 Pandemie mit der Bundesregierung und den Fachministerien eingerichtet hat. Davon versprechen wir uns eine schlagkräftige Wahrnehmung der Interessen und eine bessere Koordination mit angrenzenden Beratungs- und Hilfebereichen, beispielsweise der Sozialberatung, der Wohnungslosen-, Sucht- und Straffälligenhilfe. Denn viele der im Folgenden angesprochenen Probleme und Fragestellungen sind auch für andereBeratungsdienste und Hilfeangebote relevant. Darüber hinaus nutzen wir auch direkte Kontakte, die wir zum Beispiel in den Ministerien haben. Dort bringen wir unsere Positionen und Anregungen direkt ein.

Der Fortbestand der Hilfe- und Beratungsstruktur muss ebenfalls rasch sichergestellt werden. Nach dem Ende der Coronakrise ist mit einem deutlich erhöhten Beratungsaufkommen zu rechnen, weil dann viele Ratsuchende ihre zwischenzeitlich aufgelaufenen und durch Moratorien nur aufgeschobenen finanziellen Probleme rasch lösen müssen.

Für folgende Problembereiche muss nach Auffassung der AG SBV eine rasche und dennoch tragfähige Lösung gefunden werden:

Sicherstellen des Beratungsangebotes

Auch wenn die Bundesebene nicht originär für die Finanzierung der Schuldnerberatung zuständig ist, ist die Bundesregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass die Bundesländer geschlossen mit den Landesligen entsprechende Lösungen verhandeln.

  • Die im Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) vorgesehene 75% – Förderung genügt hierzu nach unserer Auffassung nicht. Zwar werden die abrechenbaren Beratungsfälle vorübergehend abnehmen. Dem steht aber ein erheblicher Anstiegvon Anfragen, Kurz-, Telefon- und Onlineberatungen gegenüber, die bisher nicht oder nur teilweise abgerechnet werden können.
  • Bei einzelfallbezogenen Finanzierungen sollte daher in diesem Jahr auf Basis der Fallzahlen des Jahres 2019 eine quartalsweise Abschlagszahlung erfolgen, um die Liquidität der Träger sicherzustellen.
    Alternativ könnten die Durchschnittswerte aus der Vergangenheit (eine ggf. auf Basis der letzten sechs Monate vor dem 01.01.2019 fortgeführte Finanzierung einzelfallbezogener Leistungsvereinbarungen, unabhängig von der Wahrnehmung des Angebots) für die Berechnung herangezogen werden.

Abmilderung der Folgen für ver- und überschuldete Haushalte, Sicherung der Existenz

Lücken in der Beratung führen dazu, dass sich die Ver- bzw. Überschuldungssituation verschärft: Pfändungsschutzmaßnahmen unterbleiben, Stromsperren und andere Zwangsmaßnahmen werden wirksam, der Beratungsbedarf insgesamt erhöht sich,und wird auch nach Ende der Krise noch einige Zeit in höherem Umfang fortbestehen.

  • Zugang zur Beratung ausweiten:
    Zielgruppenspezifische kommunale Leistungsvereinbarungen sollten um bisher nicht berücksichtigte Personengruppen ergänzt werden. Damit soll in und insbesondere nach der Krise allen überschuldeten Menschen ein offener Zugang im Sinn der kommunalen Daseinsvorsorge ermöglicht werden.
  • Existenz wirksam sichern:
    Im Sinne einer effektiven Existenzsicherung sollte von Neupfändungen vorerst abgesehen werden.
    Die befristete Anerkennung der tatsächlichen Aufwendungen für Miete und Heizung (vgl. Art. 1 Nr. 2 Abs. 3 Sozialschutzpaket DRS 19/18107) sollte auch für Bedarfsgemeinschaften möglich sein, die schon vor der Corona Krise eine Kostensenkungsaufforderung bekommen haben. Denn eine Wohnungssuche ist derzeit nicht möglich.
    Aus dem gleichen Grund sollten Zwangsräumungen und Energiesperren für die Zeit der Krise auch dann untersagt werden, wenn die zugrundeliegenden Schulden bereits zuvor bestanden (vgl. Art. 5 §§ 1-3 des Entwurfs eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, BT-DRS 19/18110). Betroffene können z.Zt. ihre finanziellen Probleme aus eigener Anstrengung nicht adäquat lösen.
  • Zugang zum Pfändungsschutzkonto sichern und insbesondere die Leistungen aus Corona-Hilfspaketen vor Pfändung schützen:
    Die die AG SBV spricht sich für eine unbürokratische Anpassung von Vorschriften zum Pfändungskonto aus.
  • Ver- und Überschuldete Verbraucher_innen informieren:
    Die zuständigen Stellen sollten über die gesetzlich vorgesehenen Maßnahmen bei Miet- und Darlehensschulden und zur Verhinderung von Energiesperren, sowie zu den Hilfemöglichkeiten aus dem Sozialschutzpaket rasch und umfassend informieren.
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