Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) zum Referentenentwurf der Bundesregierung eines Gesetzes über die Statistik der Überschuldung privater Personen (Überschuldungsstatistikgesetz – ÜSchuldStatG) vom 16. Juni 2011

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) begrüßt den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 16. Juni 2011 für eine Überschuldungsstatistik privater Personen.

Ausgangssituation

Bis 2006 erfassten die Beratungsstellen der Schuldner- und Verbraucherverbände ihre Daten in unterschiedlichem Umfang und nach unterschiedlichen Kriterien. Eine Vergleichbarkeit der auf diese Weise gewonnenen Klientenstatistik war nur sehr schwer möglich. Gemeinsam mit dem Bundesfamilienministerium, den Bundesländern, der Wissenschaft, dem Statistischen Bundesamt und der Schuldnerberatung, wurde seinerzeit eine Überschuldungsstatistik entwickelt. Auf deren Basis konnten ab 2006 die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen online und anonymisiert Daten ihrer Klientinnen und Klienten an das Statistische Bundesamt übermitteln. Diese Daten ermöglichten erstmalig Aussagen vor allem über die Soziodemografie der Klienten; auch konnten die Erkenntnisse für die sozialpolitische Arbeit der Schuldnerberatung genutzt werden.

Zum Gesetzentwurf

Vor dem Hintergrund der nach wie vor großen Zahl überschuldeter Haushalte in Deutschland, und der damit einher gehenden enormen sozialen und wirtschaftlichen Probleme, ist es aus Sicht der Schuldnerberatung notwendig, auch in Zukunft weiterhin ausreichend gesicherte, statistische Angaben zu den Personen zu bekommen, die die Beratungsstellen aufsuchen. Die im Gesetzentwurf dargestellten Erhebungsmerkmale beinhalten die mit der AG SBV abgestimmten Kriterien.

Wir schlagen vor, die statistische Erhebung um Daten zur Zielgruppe der Schuldnerbera-tungsstellen zu ergänzen. Denn die Beratungsstellen können durch die Art ihrer Finanzierung dergestalt eingeschränkt sein, dass sie nicht alle Klientinnen und Klienten beraten können, sondern beispielsweise nur Arbeitslose. Dies wird nach unserer Kenntnis dann etwa Auswirkung haben auf den Anteil der Arbeitslosen, der in der Statistik erfasst wird. Durch die Erhebung von Einschränkungen in der Beratungsklientel ließen sich bestimmte Verfälschungen der Statistik vermeiden.

Des Weiteren bitten wir um Streichung des § 4 Nr. 7 Überschuldungsstatistikgesetz. Gem. § 3 Bundesdatenschutzgesetz handelt es sich bei den übermittelten Daten nicht um personen-bezogene Daten, da sie zwar Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer natürlichen Person betreffen, diese Person jedoch aufgrund der anonymisierten Über-mittlung der Daten nicht bestimmt oder bestimmbar ist. Deshalb ist weder eine Rechtsgrund-lage noch eine Einwilligung in die Datenübermittlung erforderlich.

Beteiligung der Beratungsstellen an der Statistik

Erfreulicherweise hat sich seit 2006 die Beteiligung der Beratungsstellen an der Über-schuldungsstatistik gesteigert. Waren es für das Berichtsjahr 2006 von den bundesweit rund 1.000 Beratungsstellen 124, die an der Überschuldungsstatistik teilgenommen haben, sind es für das Berichtsjahr 2009 bereits 236 Beratungsstellen.

Immer noch nimmt aber ein Großteil der Beratungsstellen nicht an der Statistik teil. Dabei ist die grundsätzliche Bereitschaft zur Beteiligung vorhanden; in einigen Bundesländern wird jedoch die Software, durch die die Überschuldungsstatistik in den Beratungsprozess unprob-lematisch integriert werden kann, von den Landesregierungen nicht finanziert. Die Bera-tungsstellen sehen sich nicht in der Lage, für die Kosten der geeigneten Software selbst auf-zukommen. Hinzu kommt: Nur mit der geeigneten Software lässt sich der Aufwand der Beratungsstellen für die Überschuldungsstatistik minimieren; andernfalls muss die Überschuldungsstatistik zusätzlich und separat zu anderen Statistiken, die die Landesregierungen fordern, geführt werden.

Um eine grundlegende Verbesserung der Beteiligung der Beratungsstellen an der Statistik zu erreichen und damit auch die Aussagekraft der Statistik entscheidend zu erhöhen, sollten sich Bund und Länder gemeinsam an der Finanzierung der entsprechenden statistischen Module der gängigen Software-Programme beteiligen.

Ebenso bitten wir die Bundesregierung, auf die Bundesländer, Kommunen sowie Ar-beitsagenturen bzw. Jobcenter einzuwirken, die bereits Statistiken nach eigenem Muster führen. Diese sollten in der Weise an die Überschuldungsstatistik angeglichen werden, dass die weiteren Statistiken aus den Daten der Überschuldungsstatistik so weit wie möglich generierbar werden. Das Führen mehrerer, unterschiedlicher Statistiken nebeneinander bedeu-tet für die Beratungsstellen eine unnötige Mehrarbeit, die wegen der starken Arbeitsbelastung oft nicht geleistet werden kann.

Zukünftige Entwicklung

Der vorliegende Gesetzentwurf sieht eine freiwillige Teilnahme der Schuldner- und Insol-venzberatungsstellen vor. Die Überschuldungsstatistik als neue, gesetzlich angeordnete Bundesstatistik, soll im Hinblick auf die Entwicklung der Beteiligung der Schuldner- und In-solvenzberatungsstellen überprüft und dem Deutschen Bundestag bis 31. Dezember 2014 über die gemachten Erfahrungen und die Folgerungen für eine mögliche Weiterentwicklung berichten.

Wie bereits ausgeführt, sollte von Bundesregierung und Ländern gemeinsam angestrebt werden, die Aussagekraft der Statistik zu verbessern. Wenn dies in vier Jahren nicht gelun-gen sein sollte, dann muss zu diesem Zeitpunkt überprüft werden, ob mit einfacheren statistischen Verfahren wie beispielsweise Stichproben die Qualität der Erhebung optimiert werden kann.

Sollte im Rahmen der Überprüfung festgestellt werden, dass, die Statistiken der Bundesländer, Kommunen sowie Arbeitsagenturen und Jobcenter bis dahin nicht vereinheitlicht werden konnten, so müsste ggf. eine Überarbeitung der Kriterien der Überschuldungsstatistik zu einer Vereinheitlichung und somit zum Bürokratieabbau beitragen. Sollte dies notwendig sein, bieten die Verbände der AG SBV ihre Unterstützung an.

Die Bundesstatistik sollte aus Sicht der AG SBV jedoch nicht die alleinige Grundlage für sozialpolitische Entscheidungen, gesetzlichen Regelungsbedarf und Steuerungsüberlegungen der Bundesländer und Kommunen sein. Wir regen an, dass die seit 2004 unterbrochene Überschuldungsforschung in Deutschland – unter Einbeziehung der durch die Überschuldungsstatistik ermittelten Daten – wieder fortgesetzt wird.

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