Finanzierung der Schuldnerberatung

Zentrale Forderungen der AG SBV zur Finanzierung im Überblick

  1. Schuldnerberatung bedarfsgerecht ausbauen!
    Das Angebot an Schuldnerberatungsstellen ist völlig unzureichend. Nur eine Minderheit der überschuldeten Haushalte (10-15 %) kann derzeit in einer Beratungsstelle beraten werden.
  2. Schuldnerberatung wirkt positiv auf Überschuldete, öffentliche Haushalte und Gläubiger!
    Die Beratung überschuldeter Menschen ist eine notwendige und sinnvolle Hilfe. Notwendig, weil sich die Zahl der Menschen die überschuldet ist, in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt hat und diese Menschen ohne eine qualifizierte Schuldnerberatung häufig keine Chance mehr haben ihre aus der Überschuldung resultierenden Probleme zu lösen. Sinnvoll, weil die staatlichen Mehrausgaben als Folge einer nicht bewältigten Überschuldung ungleich höher sind als die Kosten einer Beratung.
  3. Keine Trennung von Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung!
    Schuldnerberatung mit ihren verschiedenen Elementen ist eine umfassende und komplexe Tätigkeit, zu der aus fachlicher Sicht sowohl die soziale Schuldnerberatung als auch die Verbraucherinsolvenzberatung als wichtige Komponenten gehören. Diese Einheit muss trotz der unterschiedlichen Kompetenzen (Land, Kommune) und damit Finanzierungsquellen gewährleistet sein.
  4. Bedarfsschlüssel muss Grundlage der Finanzierung sein!
    Grundlage jeglicher Finanzierung sollte ein allgemein anerkannter Bedarfsschlüssel sein, um ein den Bedarf deckendes Netz an Schuldnerberatungsstellen in Deutschland zu gewährleisten. Jede/r überschuldete Bürger/in muss die Möglichkeit haben, kurzfristig einen Beratungstermin zu bekommen. Es sollten deshalb mindestens zwei vollzeitbeschäftigte Schuldnerberatungsfachkräfte für 50.000 Einwohner zur Verfügung stehen. Auf Grundlage dieser Bedarfsrechnung fehlen derzeit bundesweit nach Schätzungen der AG SBV etwa 1.600 Beratungsfachkräfte.
  5. Finanzierung von Schuldnerberatung muss gesichert sein!
    Damit die Finanzierung in allen Ländern/Kommunen von einer vergleichbaren Grundlage ausgeht, sollte eine künftige Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen auf Grundlage eines anerkannten Bedarfsschlüssels aus einer Hand erfolgen. Die Entscheidung über die unterschiedlichen Anteile der Finanzierung kann nicht dem Verhandlungsgeschick (der Träger) bzw. der Verhandlungsbereitschaft (der unterschiedlichen Finanziers) überlassen bleiben.
  6. Schuldnerberatung braucht Planungssicherheit!
    Die Finanzierung der Schuldnerberatung muss eine angemessene personelle und materielle Ausstattung der Schuldnerberatungsstelle unter Berücksichtigung tariflicher Löhne, Verwaltungskosten, Fortbildung und Sachkosten umfassen. Nur dadurch kann die Qualität und der Erfolg der Schuldnerberatung sichergestellt werden.

1. Ausgangssituation

Zahl der Überschuldeten hat sich verdoppelt

1990 hat das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) erstmalig Zahlen zur Überschuldungssituation in Deutschland (damals noch ohne die neuen Bundesländer) veröffentlicht. Bis heute hat sich die Zahl der überschuldeten Haushalte mehr als verdoppelt. Nach den zuletzt veröffentlichten Statistikensind rund drei Millionen Haushalte überschuldet.

Überschuldung führt zur Verarmung und sozialen Ausgrenzung

Die Überschuldungssituation vieler Familien in Deutschland ist eine wesentliche Ursache für ihre Verarmung und soziale Ausgrenzung. Das Überschuldungsproblem betrifft nicht ausschließlich soziale Randlagen, sondern dehnt sich auf weite Bevölkerungsschichten aus.

Verschuldungsprozesse, die in Überschuldung münden, kommen in allen sozialen Schichten vor. Überschuldung bedeutet für die Betroffenen eine völlige Destabilisierung ihrer Existenz. Sie sind Stress und psychischem Druck ausgesetzt und häufig gesundheitlich beeinträchtigt. Materielle und immaterielle Belastungen verstärken sich gegenseitig. Die kritischen Verhältnisse belasten Partnerschaften schwer und wirken sich negativ auf die Entwicklung der Kinder aus. Zu Unrecht wird in der öffentlichen Diskussion Überschuldung regelmäßig auf materielle Probleme verkürzt.

Schuldnerberatung ist unverzichtbar für die Stabilisierung überschuldeter Menschen

Es wird heute von niemandem mehr bestritten, dass die Beratung überschuldeter Menschen eine dringend notwendige und sinnvolle Hilfe ist. Eine zunehmende Zahl überschuldeter Menschen hat ohne eine qualifizierte Schuldnerberatung kaum mehr eine Chance, ihre aus der Überschuldung resultierenden Probleme zu lösen. Die soziale Schuldnerberatung der Wohlfahrts- und Verbraucherverbände hat die Funktion einer wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung. Zu ihren Aufgaben gehört neben der Existenzsicherung, dem Schuldnerschutz und der Schuldenregulierung auch die psychosoziale Beratung.

Schuldnerberatung hilft, öffentliche Gelder einzusparen

Schuldnerberatung kann in erheblichem Umfang soziale Leistungen (wie ALG I, Krankengeld, ALG II, Grundsicherung) einsparen. Sie trägt mit dazu bei, Arbeitsplätze trotz Überschuldung zu erhalten oder bei Arbeitslosigkeit dieses anerkannte Vermittlungshemmnis zu reduzieren. Sie unterstützt bei der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt. Sie reduziert die Krankheitsanfälligkeit und vermeidet Krankenkosten. Durch den Aufbau von Perspektiven fördert sie Eigeninitiative und die Motivation zur Reduzierung von sozialen Leistungen.

Schuldnerberatung wirkt präventiv

Prävention ist in der Schuldnerberatung eine Querschnittsaufgabe, die zum Einen in den direkten Beratungsprozess einfließt und hilft eine erneute Überschuldung zu vermeiden. Zum Anderen wird durch aufklärende Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ein wichtiger Beitrag geleistet, dass Menschen nicht in eine Überschuldungssituation geraten. Hierzu tragen vor allem zielgruppenorientierte Veranstaltungen in der Jugendhilfe und in Schulen bei (Primärprävention).

Keine Geschäfte mit der Armut

Die langen Wartezeiten bei den Beratungsstellen der Wohlfahrts- und Verbraucherverbände machen sich unseriöse gewerbliche „Schuldenregulierer“ zunutze. Sie werben damit, dass es bei ihnen keine Wartezeiten gebe. Und Schuldner tappen in diese Falle, was in der Regel mit einer Verschärfung der Verschuldungssituation endet. Denn sie sind häufig nicht in der Lage, auf den ersten Blick zu erkennen, dass diese Firmen häufig nichts anderes tun, als gegen hohe Gebühren lediglich einfachste Bürodienste zu erledigen (Erfassen der Gläubiger und deren Forderung in einer EDV-Akte). Oder sie vermitteln an einen Anwalt, der zusätzlich Honorar verlangt. Nur selten gibt es eine auf den Einzelfall zugeschnittene soziale, wirtschaftliche und rechtliche Beratung.

Finanzielle Unterstützung und deren rechtliche Grundlagen müssen verbessert werden

Die derzeitige Finanzierung der Beratungsstellen wird von den Ländern, den Kommunen und mit dem Einsatz erheblicher Eigenmittel der Wohlfahrts- und Verbraucherverbände gewährleistet. Die Finanzierung ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich geregelt;

„Schlusslicht“ ist hier Hessen, wo es seit 2004 überhaupt keine Landesmittel mehr gibt. Die bestehenden rechtlichen Finanzierungsgrundlagen (InsO und SGB II/SGB XII) reichen wegen der unterschiedlichen Länderbestimmungen (InsO) und der unpräzisen Gesetzesformulierung oder fehlender Nominierungen (SGB II), die nicht akzeptable Auslegungsspielräume für die öffentlichen Kostenträger zulässt, nicht aus. Sie bedürfen einer besseren und vor allem eindeutigeren gesetzlichen Klarstellung und Regelung.

Obwohl Banken und Finanzdienstleister von der Arbeit der Schuldnerberatung ebenso profitieren, lehnen sie bisher in der Regel eine finanzielle Beteiligung ab. Lediglich in einigen Bundesländern ist es gelungen, die Sparkassen- und Giroverbände in die Finanzierung einzubinden. In NRW wird derzeit in Spitzengesprächen zwischen der Landesregierung und den Vorständen der Bankenverbände die Etablierung eines Fonds zur finanziellen Unterstützung der Schuldnerberatung diskutiert.

2. Schuldnerberatung bedarfsgerecht ausbauen

Das Angebot an Schuldnerberatungsstellen ist völlig unzureichend. Nur eine Minderheit der überschuldeten Haushalte (10-15 %) kann derzeit in einer Beratungsstelle beraten werden. (s. Anmerkung 1)

Dimension der Überschuldung in Deutschland

Seit das Bundesfamilienministerium 1990 die ersten Zahlen zur Überschuldungssituation in Deutschland (damals nur für den Bereich der BRD) veröffentlicht hat, hat sich die Zahl der überschuldeten Haushalte mehr als verdoppelt. Derzeit gilt jeder 12. Haushalt in Deutschland als überschuldet Haushalte. Diese Haushalte sind nicht mehr in der Lage, mit ihrem Einkommen bzw. Vermögen laufende Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Sie sind damit zahlungsunfähig.

Zusätzlich zu den oben Genannten ist eine Vielzahl weiterer Haushalte akut überschuldungsgefährdet; ihr Monatsbudget reicht gerade dazu aus, ihren wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Allerdings verbleibt ihnen danach so wenig Geld, dass bereits kleine Störungen – etwa die Reparatur der Waschmaschine oder steigende Energiepreise – den finanziellen Kollaps auslösen können.

Zahl der Beratungsstellen muss sich verdoppeln

Zurzeit gibt es in Deutschland etwa 1.000 anerkannte Beratungsstellen. Gemessen an der Zahl der überschuldeten Haushalte ist der Bedarf bei weitem nicht gedeckt. Das zeigt sich u.a. an den langen Wartezeiten, bis es zu einem ersten Gespräch kommt. Aufgrund der hohen Nachfrage können häufig Beratungsstellen nur eine existenzsichernde Kurzberatung und keine darüber hinaus gehende Entschuldungsberatung anbieten. Wegen der ungenü- genden Beratungskapazität ist es derzeit nur 10 % bis 15 % der überschuldeten Menschen möglich, in einer Schuldnerberatungsstelle kostenlose Hilfe zu erhalten.

3. Schuldnerberatung wirkt positiv auf Überschuldete, öffentliche Haushalte und Gläubiger!

Die Beratung überschuldeter Menschen ist eine notwendige und sinnvolle Hilfe. Notwendig, weil sich die Zahl der Menschen die überschuldet ist, in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt hat und diese Menschen ohne eine qualifizierte Schuldnerberatung häufig keine Chance mehr haben ihre aus der Überschuldung resultierenden Probleme zu lösen. Sinnvoll, weil die staatlichen Mehrausgaben als Folge einer nicht bewältigten Überschuldung ungleich höher sind als die Kosten einer Beratung.

Funktion und Wirkungen der Schuldnerberatung

Es wird heute von niemandem mehr bestritten, dass die Beratung überschuldeter Menschen eine dringend notwendige und sinnvolle Hilfe ist. Eine zunehmende Zahl überschuldeter Menschen hat ohne eine qualifizierte Schuldnerberatung kaum mehr eine Chance ihre aus Überschuldung resultierenden Probleme zu lösen. Nicht nur für den betroffenen Schuldner und seine Familie hat die Überschuldung weitreichende finanzielle und soziale Probleme zur Folge. Bei einer Zahl von mehr als drei Millionen Haushalten müssen auch die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen mit in den Blick genommen werden. Finanzielle Ausfälle und gleichzeitige Mehrausgaben bei den sozialen Sicherungssystemen sind ebenso zu berücksichtigen wie die Auswirkungen verminderter Kaufkraft auf Konjunkturlage und Steueraufkommen. Vor diesem Hintergrund sind die Effekte von Schuldnerberatung, auch wenn hier in der Regel Einzelberatung geleistet wird, ebenso in einem komplexen und globalen Zusammenhang zu betrachten.

Die soziale Schuldnerberatung der Wohlfahrts- und Verbraucherverbände hat die Funktion einer wirtschaftlichen und sozialen Stabilisierung. Zu ihren Aufgaben gehört neben der Existenzsicherung, dem Schuldnerschutz und der Schuldenregulierung auch die psychosoziale Beratung.

Dass Schuldnerberatung das geeignete Instrument ist, um den Folgen von Überschuldungsproblemen entgegenzuwirken und die wirtschaftliche und soziale Handlungskompetenz wieder herzustellen, wurde in verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen zur Wirksamkeit von Schuldnerberatung bestätigt – zuletzt in einer Begleitstudie für den 3. Armuts- und Reichtumsbericht (s. Anmerkung 2).

In den Studien wird unter anderem nachgewiesen, dass schon nach einjähriger Begleitung durch Fachleute die Schulden erkennbar gesunken waren und die Gläubigerzahl reduziert wurde. Der Anteil der Klienten/innen, die über einen gesicherten Arbeitsplatz verfügen, nahm im selben Zeitraum um fast 2/3 zu. Auch im psychosozialen Bereich wurde festgestellt, dass bei den verschuldeten Menschen der Überblick über die Schulden deutlich gestiegen war und sich die Zuversicht, diese Situation zu bewältigen, von sehr gering zu gut entwickelt hat. Auch die Aussagen zu Selbstbewusstsein, Gesundheit und Wohlbefinden zeigten deutliche und nachhaltige Effekte.

Durch Schuldnerberatung ergeben sich insbesondere folgende positive Wirkungen:

Für den Überschuldeten

  • Existenzsicherung
  • Verbesserte Fähigkeit, Konsumausgaben am verfügbaren Einkommen zu orientieren
  • Geringere Gefährdung, sich erneut zu überschulden
  • Stärkung des Leistungswillens und des Selbsthilfepotentials
  • Gewinnung einer Lebensperspektive
  • Verbesserung der Lebensqualität
  • Bessere Chancen auf berufliche und soziale Integration
  • Wiederherstellung wirtschaftlicher und persönlicher Handlungskompetenz sowie Zahlungsfähigkeit und Kaufkraft
  • Schuldenabbau
  • Stabilisierung der familiären Situation
  • Verbesserung der gesundheitlichen Situation

Für die Gläubiger

  • Vermittlung zwischen Gläubiger- und Schuldnerinteressen
  • Bessere Beurteilung der Erfolgsaussicht von kostenintensiven Beitreibungsmaßnahmen
  • Informationen zur finanziellen, beruflichen, sozialen und familiären Situation
  • Vermeidung von zusätzlichem Verwaltungsaufwand
  • Vorlage eines realistischen Entschuldungskonzeptes

Für die Gesellschaft und öffentlichen Haushalte

  • Erhalt des Arbeitsplatzes bzw. Verbesserung der Vermittlungschancen
  • Beiträge statt Ausgaben für das System der sozialen Sicherung
  • Höhere Steuereinnahmen durch mehr Kaufkraft
  • Weniger soziale Folgewirkungen und Folgekosten
  • Amortisierung der Kosten der Schuldnerberatung nach knapp zwei Jahren nach Beginn der Beratung
  • Entlastung der Justiz durch weniger Zwangsvollstreckungsmaßnahmen
  • Entlastung der Arbeitgeber durch weniger Pfändungen/Abtretungen
  • Reduzierung von „Schwarzarbeit“

4. Keine Trennung von Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung!

Schuldnerberatung mit ihren verschiedenen Elementen ist eine umfassende und komplexe Tätigkeit, zu der aus fachlicher Sicht sowohl die soziale Schuldnerberatung als auch die Verbraucherinsolvenzberatung als wichtige Komponenten gehören. Diese Einheit muss trotz der unterschiedlichen Kompetenzen (Land, Kommune) und damit Finanzierungsquellen gewährleistet sein.

4.1 IInhalte und Lösungsansätze der Schuldnerberatung

Die Menschen, die eine Schuldnerberatungsstelle aufsuchen, lassen sich in einer vereinfachten Darstellung in folgende Gruppen aufteilen:

  1. Der Ratsuchende benötigt fachliche und/oder sachliche Informationen und kann, nachdem er diese erhalten hat, seine Angelegenheiten selbständig regeln. Die Beratungsdauer ist in der Regel eher kurz.
  2. Der Ratsuchende benötigt fachliche und/oder sachliche Informationen und punktuell von der Beratungsfachkraft konkrete Unterstützung bei der Formulierung von Schreiben an Gläubiger bzw. in den Verhandlungen mit einzelnen Gläubigern, verfügt aber ansonsten über hinreichende Handlungskompetenz, um zu einer angemessenen Problemlösung zu gelangen. Die Beratungsdauer umfasst in der Regel wenige Termine.
  3. Der Ratsuchende befindet sich in einer finanziellen/wirtschaftlichen und in einer psychosozialen Krise. Auslöser der Krise können dabei sowohl materielle als auch psychosoziale Probleme sein. Die Bereitstellung von Expertenwissen reicht alleine zur konstruktiven Lösung der Probleme nicht aus. Die Beratung ist langfristig angelegt.

Nach den verschiedenen Konzeptionen zur Schuldnerberatung richtet sich das Beratungsangebot insbesondere an die unter Nr. 3 beschriebene Gruppe). Im Unterschied zu den Gruppen 1 und 2 gilt es hier, auch die soziale und wirtschaftliche Handlungskompetenz wiederherzustellen und zu fördern.

Die Schuldnerberatung beschränkt sich bei dem Personenkreis der Gruppe 3 nicht auf eine reine Wissensvermittlung oder primär finanziell-rechtliche Beratung, sondern bietet zudem aus einer ganzheitlichen umfassenden Sichtweise heraus eine sozialpädagogisch orientierte fallbezogene Hilfe an.

Es ergeben sich insbesondere folgende Aufgaben:

  • Existenzsicherung
  • Schuldenregulierung
  • Budgetberatung
  • Schuldnerschutz
  • Psychosoziale Hilfen
  • Hilfen zur Überwindung der materiellen Notlage

Zum Selbstverständnis der Schuldnerberatung gehört es, Konzepte zu entwickeln, die geeignet sind, die individuellen Notlagen zu beseitigen, indem die Handlungskompetenz wiederhergestellt und eine Stabilisierung der wirtschaftlichen und sozialen Situation erreicht wird.

Die Schuldnerberatung beschränkt sich nicht auf eine Klärung strittiger rechtlicher Fragen, sondern sucht gemeinsam mit den Betroffenen nach Lösungen für die individuellen Ursachen und Wirkungen der Überschuldung. Zur wirtschaftlichen Stabilisierung trägt die Schuldnerberatung bei, indem sie einerseits die kritische Auseinandersetzung des Ratsuchenden mit seinem eigenen Konsum- und Ausgabenverhalten initiiert und fördert, sowie andererseits eine möglichst alle Gläubiger einbeziehende Schuldenregulierung durchführt.

Schuldnerberatung orientiert sich an der Problemlage des Einzelfalls. Sie muss in der Lage sein, die Sorgen und Schwierigkeiten der Ratsuchenden zu erkennen und deren Selbsthilfemöglichkeiten zu aktivieren. Sie benötigt Kenntnisse über die Lebenssituation spezieller Klientengruppen.

Die Schuldnerberatung muss bei Gläubigern und Behörden mit deren institutionellen Gegebenheiten und Abläufen vertraut sein. Die Beratungsfachkraft benötigt umfangreiche und mitunter sehr weit ins Detail gehende Kenntnisse aus unterschiedlichen Fachgebieten. Ein effektives und sachgemäßes Wirken erfordert darüber hinaus die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen, Personen und Gremien.

Die fallbezogene Hilfe wird im Weiteren ergänzt durch strukturbezogene Dienstleistungen wie Öffentlichkeitsarbeit und Prävention sowie Intervention auf das politische Handeln. Überschuldung darf nicht primär als individuelle Schwäche verstanden werden, sondern ist viel- mehr ein spezifischer Ausdruck wirtschaftlicher Armut und psychosozialer Notlagen, der im Kontext der Entwicklung einer modernen Wirtschaftsgesellschaft zu sehen ist.

4.2 Insolvenzberatung als ein Bestandteil der Schuldnerberatung

In der Schuldnerberatung haben mit der Einführung des Verbraucherinsolvenzverfahrens Komplexität und fachliche Anforderungen zugenommen. Schuldnerberatungsfachkräfte bedürfen in anerkannten Insolvenzberatungsstellen über ihre Kenntnisse der originären Arbeit der Schuldnerberatung hinausgehende, umfassende Kenntnisse der Insolvenzordnung und der jeweils aktuellen Rechtsprechung. Für eine Trennung in traditionelle Schuldnerberatung einerseits und Verbraucherinsolvenzberatung andererseits gibt es keinen fachlichen Grund.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist ein nachrangiges rechtliches Instrument und Verfahren zur Regulierung der Schulden. Außergerichtliche Vereinbarungen zwischen Schuldner und Gläubiger haben Vorrang und sind in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung weitgehend frei.

Nur wenn eine außergerichtliche Einigung nicht möglich ist, kann das Verbraucherinsolvenzverfahren quasi als Ultima Ratio eingeleitet werden.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist somit insgesamt im Kontext der Regulierungsmaß- nahmen zu sehen, unter denen es eine Variante darstellt.

Um den jeweiligen Finanzierungsmodalitäten zu entsprechen, wird von den Schuldnerberatungsstellen und den Kostenträgern oft künstlich etwas voneinander getrennt, das gar nicht trennbar ist. Diese Trennung basiert zum Teil auf der gegebenen Mischfinanzierungsstruktur der Schuldnerberatung. Die Kommunen sind zuständig für die Beratung nach § 16a SGB II und § 11 Abs. 5 SGB XII. Einige Länder bezuschussen nur die Tätigkeiten, die auf der Basis der Insolvenzordnung erbracht werden. Da kein Kostenträger Teile der Schuldnerberatung finanzieren will, für die – vermeintlich – ein anderer Kostenträger zuständig ist, kommt es in der Praxis zu absurden Abgrenzungsbemühungen, um den Verlust von Fördermitteln nicht zu riskieren und dadurch den Eigenanteil der Träger noch weiter zu erhöhen. Die künstliche Trennung ist unter Umständen sogar kontraproduktiv, wenn insbesondere Anspruchsberechtigte nach dem SGB II vom Zugang zu einer zeitnahen Insolvenzberatung ausgeschlossen sind, wenn eine Kommune explizit nicht die Tätigkeiten einer Insolvenzberatung finanziert.

Somit wird zunächst einer Personengruppe, die über keinerlei pfändbares Einkommen verfügt, der mögliche Zugang zu einer Entschuldung verwehrt.

5. Bedarfsschlüssel muss Grundlage der Finanzierung sein!

Grundlage jeglicher Finanzierung sollte ein allgemein anerkannter Bedarfsschlüssel sein, um ein den Bedarf deckendes Netz an Schuldnerberatungsstellen in Deutschland zu gewährleisten. Jede/r überschuldete Bürger/in muss die Möglichkeit haben, kurzfristig einen Beratungstermin zu bekommen. Es sollten deshalb mindestens zwei vollzeitbeschäftigte Schuldnerberatungsfachkräfte für 50.000 Einwohner zur Verfügung stehen. Auf Grundlage dieser Bedarfsrechnung fehlen derzeit bundesweit nach Schätzungen der AG SBV etwa 1.600 Beratungsfachkräfte.

Beratungs- und Finanzierungsbedarf

Im Abschnitt 1 wurde erläutert, wie sich die derzeitige Überschuldungssituation in Deutschland darstellt. Diese Zahlen machen deutlich, dass akuter Handlungsbedarf für Politik und Verwaltung besteht. Deshalb soll im Folgenden dargestellt werden, wie hoch der derzeitige Bedarf an Schuldnerberatungsfachkräften in den einzelnen Bundesländern ist und was Schuldnerberatung kostet, um hier für Politik und Verwaltung eine Entscheidungsgrundlage zu liefern.

Bedarfsschlüssel für beratende Berufe im sozialen Bereich gibt es in vielen anderen Bereichen. So hält die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e. V. in ihrem „Rahmenplan für ambulante Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke und ihre Angehörigen“ mindes- tens eine Fachkraft für 10.000 Einwohner für erforderlich (s. Anmerkung 3). Die Richtlinien sozialpsychiatrischer Dienste sehen für Baden-Württemberg das Verhältnis von einer Fachkraft auf 50.000 Einwohner vor und für die Stadt Stuttgart von einer Fachkraft auf 20.000 Einwohner (s. Anmerkung 4). Im Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten werden die Länder verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass mindestens eine vollzeitbeschäftigte Beratungsfachkraft je 40.000 Einwohner zur Verfügung gestellt wird (s. Anmerkung 5).

Die Anzahl der notwendigen Schuldnerberatungsfachkräfte ergibt sich aus dem Bedarf für die Schuldnerberatung einschließlich der Verbraucherinsolvenzberatung. Für beide Bereiche existieren bereits Schätzungen. So ermittelt die GP-Studie Ost (s. Anmerkung 6), dass für eine flächendeckende Versorgung mit Schuldnerberatung zwei Beratungsfachkräfte je 40.000 Einwohner notwendig sind.

Unter Berücksichtigung der vorliegenden Schätzungen und der Erfahrungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung, der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und der Verbraucherzentrale Bundesverband, lässt sich folgender Bedarfsschlüssel ermitteln:

2 Beratungsfachkräfte je 50.000 Einwohner

Aus Sicht der AG SBV sollten deshalb mindestens zwei vollzeitbeschäftigte Schuldnerberatungsfachkräfte für 50.000 Einwohner zur Verfügung stehen. Zur Sicherung dieses Mindestangebotes an Beratungsfachkräften sollte eine gesetzliche Grundlage (wie z. B. im Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung) geschaffen werden. In Bundesländern, in denen die Überschuldungsquote über dem Durchschnitt liegt, ist der Schlüssel entsprechend zu erhöhen.

Dieser Bedarfsermittlung liegt die Berechnungsgröße „Einwohner“ zu Grunde, da Einwohnerzahlen bei allen Kommunen verfügbar sind. Manchmal werden in diesem Zusammenhang die „Haushalte“ als Bezugsgröße gewählt. Nach den Angaben des Mikrozensus lebten 2009 in Deutschland im Durchschnitt 2,04 Personen in einem Haushalt (s. Anmerkung 7).

Die erforderliche Anzahl der Schuldnerberatungsfachkräfte lässt sich auf Basis der Haushalts- und Bevölkerungszahlen für das Jahr 2009, Berechnungsschlüssel zwei Beratungsfachkräfte je 50.000 Einwohner, für Gesamtdeutschland berechnen.

Für Deutschland resultiert daraus ein Bedarf von 3.300 Beratungsfachkräften

Diese Bedarfszahl ist abhängig von den Sozialdaten und von regionalen Besonderheiten. Sie entspricht dem Minimum dessen, was an Beratungsfachkräften erforderlich ist.

6. Die Finanzierung von Schuldnerberatung muss gesichert sein!

Damit die Finanzierung in allen Ländern/Kommunen von einer vergleichbaren Grundlage ausgeht, sollte eine künftige Finanzierung der Schuldnerberatungsstellen auf Grundlage eines anerkannten Bedarfsschlüssels aus einer Hand erfolgen. Die Entscheidung über die unterschiedlichen Anteile der Finanzierung kann nicht dem Verhandlungsgeschick (der Träger) bzw. der Verhandlungsbereitschaft (der unterschiedlichen Finanziers) überlassen bleiben.

6.1 Kommunale Finanzierung

Der bedeutendste Finanzierungsträger der Schuldnerberatung ist die Kommune gemäß den Regelungen im SGB II und SGB XII und im Rahmen der allgemeinen Daseinsvorsorge. Dazu unterstützen Städte und Landkreise entweder Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege und der Verbraucherberatung bei der Schuldnerberatung, sie beauftragen sie und/oder unterhalten eigene Schuldnerberatungsstellen.

Die Kommunen sollen Dienste nicht neu schaffen, soweit geeignete Einrichtungen und Dienste Dritter vorhanden sind, ausgebaut oder in Kürze geschaffen werden können. Sowohl nach § 17 Abs. 2 SGB II als auch nach § 5 Abs. 3 SGB XII, sollen die Kommunen die Träger der Wohlfahrtspflege dabei angemessen unterstützen.

Demnach gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf Finanzierung der Schuldnerbera- tung für folgende Personengruppen:

  • Für Personen mit Anspruch auf Sozialhilfe oder Grundsicherung nach SGB XII (z. B. dauerhaft erwerbsunfähige Menschen, Personen über 64 Jahren). Angemessene Kosten sollen übernommen werden, „wenn eine Lebenslage, die Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt erforderlich macht, sonst nicht überwunden werden kann. In anderen Fällen können die Kosten übernommen werden“ – nach § 11 Abs. 5 Satz 3 SGB
  • Für Personen, „wenn eine Lebenslage besteht, die Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB XII erwarten lässt, sonst nicht überwunden werden kann. Die Kosten sollen übernommen werden. In anderen Fällen können die Kosten übernommen werden“ – nach § 11 Abs. 5 Satz 3 SGB XII. Dies können alle Personen sein, die Schuldnerberatung benötigen und andernfalls Sozialhilfe bedürftig
  • Für erwerbsfähige Hilfebedürftige mit ALG II-Bezug (Leistungsberechtigte). Dies gilt auch für diejenigen, welche erwerbstätig sind oder die ALG I beziehen, deren Einkommen jedoch nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt für sich und die in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu decken (§ 9 SGB I). Wenn Schuldnerberatung zur Integration in den Arbeitsmarkt oder zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist – üblicherweise beseitigt Schuldnerberatung ein Vermittlungshemmnis – besteht ein Anspruch nach § 16a Abs. 2 Nr. 2 SGB
  • Für Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ohne ALG II-Anspruch. Die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft, die selbst keinen ALG II-Anspruch haben, sondern Grundsicherung beziehen, haben Zugang zu Dienst- und Sachleistungen (und damit zur Schuldnerberatung), wenn dadurch Hemmnisse zur Eingliederung des erwerbsfähigen Leis- tungsberechtigten (d. h. des ALG II-Beziehers) beseitigt oder vermindert werden (vgl 7 Abs. 2 SGB II). Aus rechtlichen Gründen ist letzteres immer der Fall, wenn hinsicht- lich auch nur eines Teils der Schulden eine gemeinsame Verpflichtung besteht. Eine Beratung des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten erfordert dann auch eine Beratung des Mitverpflichteten in der Bedarfsgemeinschaft. Die Erfahrung der Schuldnerbera- tung spricht jedoch dafür, dass sich Schulden eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft immer unmittelbar auf alle im Haushalt lebenden Personen auswirken. Im Hinblick auf die gemeinsame Haushaltsführung stellen derartige Schulden ein eben solches Ver- mittlungshemmnis für den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten dar wie eigene Schulden.
  • Personen, die nicht in unmittelbarem Leistungsbezug stehen (Erwerbstätige, ALG I- Bezieher) können auf der Grundlage von § 1 in V. mit § 3 SGB II präventive Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, wenn diese die Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit unterstützen oder zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit erforderlich sind (Vergleiche Empfehlungen des Deutschen Vereins Anmerkung 8). Die Auffassung des Deutschen Vereins wird gestützt durch die „Handlungsempfehlungen für Arbeitsgemeinschaften und optierende kommunale Träger für die Gewährung von Schuldnerberatung auf der Grundlage des SGB II“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Anmerkung 9) und Feststellungen des Bundesministe- riums für Wirtschaft und Arbeit (Anmerkung 10). „Mit dieser Präzisierung der gesetzlichen Bestimmungen wird verhindert, dass Erwerbstätige, deren Verbleib in Arbeit durch sofortige Schuldnerberatung gesichert werden könnte, diese Eingliederungsleistung erst im Falle der Arbeitslosigkeit erhalten. Für ALG I-Bezieher wird verhindert, dass erst durch das Eintreten der Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II Schuldnerbe- ratung als notwendige Leistung gewährt wird. Diese Auffassung der Bundesregierung ist als tragende Rechtsauffassung zu verstehen“(Bertsch/Just, Anmerkung 11.) Diese Auffassung vertritt auch weiterhin die AG SBV.

Die Entscheidung des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 13. Juli 2010 (Anmerkung 12), in der einer erwerbsfähigen und erwerbstätigen Person ( mit einem Nettoeinkommen, das erheblich über der Pfändungsfreigrenze lag und bei der keine drohende Hilfebedürftigkeit vorlag). der Anspruch auf Finanzierung der Schuldnerberatung auf der Grundlage des SGB II verwehrt wurde, hat allerdings bei einigen Kostenträgern zu Verunsicherung geführt. Es ist deshalb aus Sicht der AG SBV eine Klarstellung durch den Gesetzgeber dringend erforderlich.

Schuldnerberatungsstellen sind in den o. g. Fällen in die Leistungserbringung der Sozialleistungsträger des SGB II und SGB XII einbezogen. Diese erfolgt in der Regel über Vereinbarungen nach § 75 SGB XII in Verbindung mit § 11 Abs. 5 oder nach § 17 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 16a SGB II. Dabei ist „den Trägern der Grundsicherung der Abschluss exklusiver Verträge mit einzelnen Leistungserbringern nicht gestattet. Auf den Abschluss exklusiver Verträge gerichtete wettbewerbsrechtliche Verfahren sind nicht zulässig“ (Brünner S. 24, Anmerkung 13), da sie gegen das Verbot der Angebotssteuerung als Eingriff in die Berufsfreiheit ohne gesetzliche Grundlage verstoßen würden. Da niemandem eine Leis- tungserbringung ohne kostendeckende Finanzierung aufgezwungen werden kann, ist der Einbezug in die Leistungserbringung des Sozialhilfeträgers als Teilfinanzierung im Rahmen einer Zuwendungsfinanzierung ausgeschlossen. Deshalb sind Vereinbarungen nach § 75 SGB XII oder nach § 17 Abs. 2 SGB II nach dem Modell des sozialrechtlichen Dreieckverhältnisses als Dienstleistungskonzession zu schließen.

6.2 Finanzierung durch die Bundesländer (s. Anmerkung 14)

Die Länder beteiligen sich in der Förderung der nach § 305 InsO anerkannten Beratungsstellen entweder in Form von Einzelfallpauschalen oder Festbetragszuwendungen zu den Personalkosten. Hessen hat die Förderung seit 2004 eingestellt.

Die Fallpauschalen in den Ländern (BW; BAY.; BR.; NS; SA.) unterscheiden sich nach der Höhe; sie sind abhängig von der Zahl der Gläubiger und in BW auch vom Ergebnis des außergerichtlichen Einigungsversuchs. So werden Pauschalen für bis zu fünf Gläubiger zwischen 200,- € und 428,- € und bei über 15 Gläubigern zwischen 435,- € und 776,- € gezahlt. Die Fallpauschalen haben sich in den letzten Jahren laufend geändert.

Die Zuwendungen (B; NRW; MV; RLP; SR; SH; TH) umfassen eine Anteilfinanzierung der Personal- und Sachkosten. Sie richten sich in der Regel nach einem Einwohnerschlüssel und schwanken zwischen 24.500,- € (RLP) und 46.000,- € (NRW)* pro Mitarbeiter/in oder bis zu 45 % der zuwendungsfähigen Personalausgaben. Bemerkenswert für Berlin ist, dass hier richtigerweise keine Trennung bei der Finanzierung zwischen Schuldner- und Insolvenzberatung vorgenommen wird. In Schleswig-Holstein sind die 36 Beratungsstellen verpflichtet, neben der Schuldner- und Insolvenzberatung auch präventive Angebote durchzuführen.

Das Land Sachsen (SN) hat die bisher gesetzlich festgeschriebene Finanzierung der 53 an- erkannten Beratungsstellen über Fallpauschalen aufgegeben. Seit dem 01.01.2011 werden 29 Beratungseinheiten (BE) mit 75.000,- € jeweils für ein Jahr als Projekt gefördert. Die Auswahl der BE erfolgte über ein Interessenbekundungsverfahren. Dies führte dazu, dass erfahrene Beratungskräfte nun für ihre Tätigkeit in der Insolvenzberatung keine Förderung mehr erhalten und Standorte aufgegeben werden müssen. In einigen Landkreisen ist die Trägervielfalt und damit ein gewisses Wunsch- und Wahlrecht der Bürger/innen im Bereich der Insolvenzberatung nicht mehr gewährleistet.

Einen Sonderfall stellen Bremen und Hamburg dar. In Bremen zahlt das Land eine Fallpauschale nach § 17 SGB II oder § 75 SGB XII für die soziale Schuldnerberatung und gewährt für den zusätzlichen Aufwand der Insolvenzberatung eine weitere Fallpauschale. Dies jedoch nur dann, wenn der Schuldner Anspruch auf Leistungen nach dem SGB hat. Alle anderen Fälle sind auf Anwälte oder die öffentliche Rechtsberatung angewiesen.

In Hamburg werden erfolgsabhängige Beratungspauschalen einzelfallbezogen vergütet. Sie sind abhängig von der Zahl der Gläubiger und dem Ergebnis (Einigung, Bescheinigung nach § 305 InsO) der Beratung. Die Beratungskosten werden auf Grundlage von § 11 (5) SGB XII vom Sozialhilfeträger übernommen, sofern das Einkommen des Ratsuchenden festgelegte Einkommensgrenzen nicht überschreitet.

Die Förderung der fünf spezialisierten Präventionsprojekte in Schleswig-Holstein wird mit dem 31.12.2011 eingestellt.

Das Land Thüringen zahlt bis zu 90.000,- € jährlich für die Personalkosten einer Fachbera- tungsstelle und 7.560,- € für die Sach- und Verwaltungsausgaben.

6.3 Finanzierungsbeteiligung durch Banken/Wirtschaft

Wie bereits im Kapitel 2 erläutert, hat die Arbeit der Schuldnerberatung auch positive Wirkungen für die Gläubiger.

Bereits 1996 hat die damalige CDU/FDP-Regierung in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der SPD-Bundestagsfraktion (DS 13/5282 – Frage Nr. 14) erkannt, dass es auch eine ergänzende finanzielle Unterstützung der Schuldnerberatungsstellen durch die Wirtschaftsverbände geben sollte. Sie forderte die Beteiligten dazu auf, wegen einer möglichen finanziellen Unterstützung der Beratungsarbeit – aber auch bei präventiven Maßnahmen – Gespräche zu führen. Zum selben Zeitpunkt wurde auf internationaler Ebene durch die Generaldirektion 14 (Verbraucherpolitik der europäischen Kommission) die Notwendig- keit der Mitfinanzierung der Schuldnerberatung durch die Wirtschaftsverbände gesehen.

1998 hat die AG SBV den Vorschlag der CDU/FDP-Regierung aufgegriffen und mit Unterstützung des Bundesfamilienministeriums und des Bundesjustizministeriums ein Gesprächsforum mit den Verbänden der Kreditwirtschaft, der Versicherungen und des Handels ins Leben gerufen. Das Gesprächsforum entwarf u. a. eine Reihe von Modellen einer möglichen Zusammenarbeit zwischen Kreditinstituten und Schuldnerberatungsstellen. Die Umsetzung des einen oder anderen Modells hätte Entscheidungen auf den Führungsebenen der Wohlfahrtsverbände und der Verbände der Kreditwirtschaft erfordert und eine engagierte Moderation der Politik.

Die ehemalige Bundesfamilienministerin Schmidt hat im Juni 2005 in einem persönlichen Schreiben an den Sprecher der AG SBV eine Moderationszusage gegeben, damit der festgefahrene Diskussionsprozess im Gesprächsforum weitergeführt werden konnte. Es ist auf Grund politischer Änderungen weder zu einer vermittelnden Moderation auf der Führungsebene noch zur Entwicklung einer Strategie zur finanziellen Sicherung der Schuldnerberatung (wie sie ebenfalls in diesem Schreiben angekündigt war) seitens des Bundesfamilienministeriums gekommen.

Die Verbraucherzentrale NRW hat anlässlich der Landtagswahlen in NRW im Frühjahr 2010 alle Wahlkreiskandidaten von CDU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke gefragt, ob zukünftig auch die Banken an der Finanzierung der Schuldnerberatung beteiligt werden sollen (die Sparkassenverbände in NRW beteiligen sich bereits seit mehr als 10 Jahren). 92 % der Antwortenden haben diese Frage mit Ja beantwortet (s. Anmerkung 15).

In einer repräsentativen Forsa-Umfrage (s. Anmerkung 16) im Auftrag der VZ NRW haben sich Ende April 2010 71 % der befragten Menschen in NRW für eine finanzielle Beteiligung der Banken an der Schuldner- und Insolvenzberatung ausgesprochen.

Daraufhin haben die Freie Wohlfahrtspflege NRW und die Verbraucherzentrale NRW gemeinsam angestrebt, dass Überlegungen zur Einrichtung eines Bankenfonds in den Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis90/Die Grünen festgeschrieben wurden. Erste Gespräche zwischen den Spitzenverbänden, dem Familien-, Verbraucherschutz- und dem Finanzministerium haben stattgefunden. Spitzengespräche zwischen der Familienministerin NRW und den Vorständen der Bankenvereinigung NRW und des Rheinisch Westfälischen Genossenschaftsverbandes sind terminiert. Ziel ist es, einen Bankenfond analog des Spar- kassenfonds in Höhe von 3 Mio. € aufzulegen.

Derzeit sind in vier Bundesländern die Sparkassen- und Giroverbände an der Finanzierung der Schuldnerberatung beteiligt. In Niedersachsen (500.000,- €) und Schleswig-Holstein (350.000,- €) handelt es sich um ein freiwilliges Engagement, in Nordrhein-Westfalen (3 Mio.€) und in Rheinland-Pfalz (1 Mio. €) um eine im jeweiligen Sparkassengesetz vorgeschriebene Verpflichtung.

Darüber hinaus gibt es vereinzelte finanzielle Unterstützung auf regionaler Ebene im Sinne von Sponsoring bestimmter Aktivitäten der Schuldnerberatung.

Aus Sicht der AG SBV müssten – auch im Sinne der gleichen Behandlung – alle Sparkas- senverbände und Banken an der Mitfinanzierung der Schuldnerberatung zur Bekämpfung der steigenden Überschuldung und der Verbesserung der Finanzkompetenz der privaten Haushalte beteiligt werden. Die Beteiligung der Finanzwirtschaft sollte über eine gesetzliche Grundlage oder eine vergleichbare verbindliche Vereinbarung geregelt werden. Eine Abwicklung könnte über eine Fondslösung oder eine Stiftung erfolgen.

6.4 Sonstige Finanzierungsmöglichkeiten

Mit alternativen Finanzierungsformen sollen besondere und zusätzliche Beratungsangebote geschaffen werden, z. B. Präventionsangebote, Beratung für spezielle Zielgruppen oder be- sondere Beratungsansätze. Es muss immer eine klare Trennung zur öffentlichen und wohlfahrtsstaatlichen Beauftragung stattfinden. Diese Finanzierungsformen dürfen nicht dazu beitragen, dass sich die öffentliche Hand aus der Finanzierung der Schuldnerberatung zurückzieht.

Im Wesentlichen sind folgende drei Finanzierungsansätze zu benennen:

  1. Sponsoring
  2. Projektfinanzierungen
  3. Alternative privatwirtschaftliche Finanzierungen

 

  1. Sponsoring:
    Beratungsangebote für spezielle Zielgruppen (z. B. Eigenheimbesitzer; Selbstständige), Präventionsangebote, besondere Beratungsformen oder eine Restkostenfinanzierung können sinnvoll durch Sponsoring refinanziert werden. Dies erfordert allerdings Kapazitäten des Trägers eine intensive Akquise zu betreiben. Sponsoring dient auch immer dem Marketingzweck des Geldgebers. Von daher gilt es, sehr wohl abzuwägen, wer als Sponsor für die Belange der Schuldnerberatung in Frage kommt.Unabdingbare Voraussetzung für diesen Finanzierungsansatz ist jedoch dass die Anbieterunabhängigkeit gewahrt bleibt.
  2. Projektfinanzierung:
    Es bietet sich an, vor allem Präventionsangebote und besondere Beratungsangebote (z.B. Schuldnerberatung speziell auf die Bedürfnisse psychisch Kranker ausgerichtet etc.), durch öffentlich rechtliche Geldgeber oder Stiftungen als Projekte finanzieren zu lassen. Es gibt eine deutlich höhere Planungssicherheit als beim Sponsoring. Projekte sind aber immer zeitlich befristet und teilweise muss ein erheblicher Anteil Eigenmittel eingesetzt werden.
  3. Alternative privatwirtschaftliche Finanzierungen:
    I
    n diesen Bereich fallen vor allem Dienstleistungen für Betriebe, Gewerkschaften etc. Schuldnerberatung wird dabei in der Regel als eigenständiges Beratungsangebot „eingekauft“, bei größeren Betrieben teilweise auch als Unterstützung bzw. als Ergänzung des betrieblichen Sozialdienstes. Wie bei der öffentlichen Finanzierung werden Pauschalfinanzierungen, Fallpauschalen oder eine Abrechnung nach Fachleistungsstunden vereinbart. Da hierbei feste Verträge geschlossen werden, besteht eine hohe Planungssicherheit zumindest für die Vertragslaufzeit.

6.5 Finanzierung durch Klientenbeteiligung

Eine Mitfinanzierung der Beratungskosten durch den Schuldner scheidet regelmäßig schon deshalb aus, weil die betroffene Zielgruppe in Folge der Überschuldungsproblematik zum Teil dauerhaft am Existenzminimum lebt bzw. das über die jeweilige Pfändungsfreigrenze hinaus erzielte Einkommen für die Dauer des Verfahrens in die Gläubigerbefriedigung fließt. Vor diesem Hintergrund lehnt die AG SBV die Beteiligung der Ratsuchenden an den Kosten der Beratung ab.

7. Fazit

  • Schuldnerberatung braucht Planungssicherheit. Die Finanzierung der Schuldnerberatung muss eine angemessene personelle und materielle Ausstattung der Schuldnerberatungsstelle unter Berücksichtigung tariflicher Löhne, Verwaltungskosten, Fortbildung und Sachkosten umfassen. Nur dadurch kann die Qualität und der Erfolg der Schuldnerberatung sichergestellt
  • Es wird deutlich, dass derzeit keine einheitliche, befriedigende Finanzierung
  • Die jetzige Finanzierung aus vielen Töpfen gibt den Trägern keine Planungssicherheit und erhöht den
  • Die Zugänge über die kommunale Finanzierung sind uneinheitlich und schließen viele Hilfesuchende
  • Vielerorts gibt es wegen der Finanzierung eine Trennung zwischen sozialer Schuldnerberatung und Insolvenzberatung. Dies ist ein kontraproduktiver Zustand und widerspricht der Beratungspraxis der
  • Zur Bemessung des Bedarfs an Beratungsfachkräften liegt kein einheitlicher Personalschlüssel entsprechend einer Einwohnerzahl
  • Die Finanzierungsdefizite können nicht von den betroffenen Schuldnern selbst aufgebracht werden.

Anmerkungen

  1. Lebenslagen in Deutschland – der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung Drucksache des Deutschen Bundestages Nr. 14/5990 vom 8. Mai 2001
  2. Hamburger, F. Kuhlemann, A. Walbrühl, : Wirksamkeit von Schuldnerberatung. Expertise im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Gummersbach 2004 und Kuhlemann, A und Walbrühl, U.: Lebenslagen von Familien und Kindern/ Überschuldung privater Haushalte , Expertise zur Erarbeitung des dritten Armuts- und Reichtumsberichtes der Bundesregierung von im Auftrag des BMFSF (Materialien zur Familienpolitik Nr.22.2008) (07/2008)
  3. Neuer Rahmenplan für ambulante Beratungs- und Behandlungsstellen für Suchtkranke und ihre Angehörigen (1992), in: Informationen zur Suchtkrankenhilfe, Heft 2, S. 11 ff
  4. Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums zur Durchführung der Richtlinien für die Förderung von sozialpsychiatrischen Diensten (1991), in: GABl. 1991, Nr. 10
  5. Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (1995): Abschnitt 1: Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung, § 4 Öffentliche Förderung der Beratungsstellen, 21. August 1995, BGBl. I 1050, zul. g. 26. Mai 1997, BGBl. I 1130
  6. Korczak, Dieter (1997): Marktverhalten, Verschuldung und Überschuldung privater Haushalte in den neuen Bundesländern, Gutachten, Stuttgart/Berlin/Köln
  7. Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Ergebnisse des Mikrozensus – Bevölkerung in Privathaushalten am Haupt- und Nebenwohnsitz (Jahresdurchschnitt 2008)
  8. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge „Empfehlungen zur Schuldnerberatung nach SGB II“ ,März 2005
  9. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
    „Handlungsempfehlungen für Arbeitsgemeinschaften und optierende kommunale Träger für die Gewährung von Schuldnerberatung auf Grundlage des SGB II“, Mai 2005
  10. Anmerkungen des Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in einem Schreiben an die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Arbeit der SPD Bundestagsfraktion, August 2004
  11. Frank Bertsch/Werners Just: „Für eine Offensive der wirtschaftlichen Bildung und Beratung“, Dezember 2004, veröffentlicht in NDV/Heft 5/2005
  12. Bundessozialgericht Urteil, vom 13. Juli 2010, Kassel (BSG Az: B 8 SO 14/09 R)
  13. Dr. Frank Brünner, „Finanzierung der Erbringung kommunaler Eingliederungsleistungen nach § 16a SGB II durch Dritte“, S. 26; unveröffentlichtes Gutachten für das Diakonische Werk Württemberg
  14. Gemäß internem Papier der für die InsO zuständigen obersten Landesbehörden zur
    „Förderung von Schuldner-/Insolvenzberatung in den Bundesländern“, Stand Juni 2010
  15. Laut Pressemitteilung der Verbraucherzentrale NRW vom 31. März 2010
  16. Forsa im Auftrag der Verbraucherzentrale NRW vom 19.-30. April 2010; 1001 repräsentative Wahlberechtigte in NRW
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