Beratung von (ehemals) Selbständigen in der Schuldner- und Insolvenzberatung

1. Problemstellung

Mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1.1.1999 waren aktiv Selbständige (Kleingewerbe- treibende) und ehemals Selbständige1 dem Verbraucherinsolvenzverfahren zugeordnet. Mit der Insolvenzrechtsreform zum 1.12.2001 ist der Zugang zum Verbraucherinsolvenzverfah- ren verändert worden. Zugang zum Verbraucherinsolvenzverfahren haben seitdem nur noch natürliche Personen, die nie selbständig waren, oder zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr selbständig sind und weniger als 19 Gläubiger und keine Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen haben. Noch aktive Kleingewerbetreibende sowie ehemals Selbständige mit mehr als 19 Gläubigern und/oder Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen haben hin- gegen das Regelinsolvenzverfahren zu beantragen.

Diese Neuregelung löste in den Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen2 Unsicherheit darüber aus, ob und inwieweit die dem Regelinsolvenzverfahren unterliegenden Schuldner beraten werden dürfen oder sollen bzw. ob diesen Schuldnern ein Anspruch auf Beratung zusteht.

In der Praxis ist zu beobachten, dass

  • (ehemals) Selbständige weiterhin um Beratung und Hilfestellung bei der Verfahrensvor- bereitung bzw. im Verfahren nachsuchen;
  • die meisten (ehemals) Selbständigen Unterstützung und Begleitung benötigen, da sie ohne rechtliche und psychosoziale Unterstützung mit dem Insolvenzverfahren überfordert sind;
  • (ehemals) Selbständige von den Insolvenzgerichten unabhängig von der zulässigen Verfahrensart an die Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen verwiesen werden;
  • (ehemals) Selbständigen häufig die finanziellen Mittel für eine Beratung durch einen Rechtsanwalt oder Steuerberater fehlen;
  • die Beratungsstellen die rechtliche Zulässigkeit der Beratung (ehemals) Selbständiger nicht sicher einzuschätzen vermögen;
  • einige Beratungsstellen nicht bereit sind, diese Schuldner zu beraten (Beratungsaus- schluss).

Der AK InsO will mit diesem Arbeitspapier die Rechtsgrundlagen der Beratung von (ehemals) Selbständigen, die damit zusammenhängenden möglichen Aufgaben und die Voraussetzungen für die Umsetzung dieser Beratung sowie Schlussfolgerungen oder Anregungen für die Praxis aufzeigen.

2. Berechtigung zur Schuldner- und Insolvenzberatung

Im Folgenden sollen die Möglichkeiten und Grenzen in der Beratung (ehemals) Selbständi- ger, die sich aus dem Rechtsberatungsgesetz (RBerG), dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) und der Insolvenzordnung (InsO) ergeben, verdeutlicht werden.

2.1 Rechtsberatungsgesetz

Das Rechtsberatungsgesetz definiert die Grenzen der Rechtsberatung und –besorgung. Da- nach darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten geschäftsmäßig – ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit – nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist.3

2.1.1 Rechtsbesorgung

Unter die Besorgung von Rechtsangelegenheiten fällt jede Tätigkeit, die auf die unmittelbare Förderung konkreter fremder Rechtsangelegenheiten gerichtet ist.4 Die Außenvertretung von Schuldnern gegenüber Dritten (Gläubigern, Behörden, Gerichten etc.) und auch die Beratung im Innenverhältnis, das Entwerfen von Schriftsätzen etc. wird als Rechtsbesorgung angesehen. Die Vertretung des Schuldners im Außenverhältnis ist nach dem Rechtsberatungsgesetz überwiegend den Rechtsanwälten vorbehalten.

Schuldnerberatung darf grundsätzlich – unabhängig davon wer beraten wird – nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht rechtsbesorgend tätig werden. Andererseits ist Schuldnerberatung ohne Rechtsbesorgung nicht angemessen leistbar. Deshalb haben sich bereits 1987 der Deutsche Anwaltverein und der Deutsche Städtetag in einem Positionspapier darauf geeinigt, dass Schuldnerberatung – am Einzelfall orientiert – rechtsbesorgend tätig sein kann. Hiernach soll Schuldnerberatung prüfen, „ob am Einzelfall orientiert eigenes außerprozessuales Handeln möglich ist und für den Hilfesuchenden erfolgsversprechender ist als die sofor- tige Einschaltung eines Anwalts. So könnte im Einzelfall in Betracht kommen, dass die Schuldnerberatung mit Dritten über den Erlass, die Stundung oder eine tragbare Tilgung verhandelt“ und damit auch rechtsbesorgend tätig ist.5

2.1.2 Rechtsberatung

Rechtsberatung wird als Unterform der Rechtsbesorgung angesehen, welche nur im Innen- verhältnis wirkt.6 Nach dem Rechtsberatungsgesetz dürfen Behörden und Körperschaften

des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Zuständigkeit Rechtsberatung leisten.7 Dies bedeutet, dass Schuldnerberatungsstellen in öffentlicher Trägerschaft (Kommunen und Landkreise) auf der Grundlage der §§ 8, 17 BSHG Schuldner nach dem Rechtsberatungsgesetz beraten dürfen. Die Rechtsberatung durch den Sozialhilfeträger wird somit durch das Rechtsberatungsgesetz im Grundsatz nicht eingeschränkt, wenn ein enger Zusammenhang zum „Sozialfall“ besteht.8 Dies gilt auch für die Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände.9

Ergebnis

→ Die Grenzen des Rechtsberatungsgesetzes gelten für die Beratung aller Ratsuchenden gleichermaßen.

→ Rechtsbesorgung ist nach dem Rechtsberatungsgesetz überwiegend den Rechtsanwälten vorbehalten. Öffentliche und der freien Wohlfahrtspflege zugehörige Schuldnerberatungsstellen dürfen nach dem Rechtsberatungsgesetz keine Rechtsbesorgung leisten. Solange der Schwerpunkt in der sozialen Beratung liegt, werden aber rechtsbesorgende Tätigkeiten faktisch akzeptiert. Es liegt im engeren Sinn keine Rechtsbesorgung, sondern eine zulässige soziale Hilfe vor, wenn der Schwerpunkt nicht im juristisch-fachlichen Bereich, sondern auf den „Ebenen des vernünftig praktischen Handelns“10 liegt.

→ Rechtsberatung auf der Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes wird der Schuldnerberatung grundsätzlich faktisch zugestanden. Eine eindeutige rechtliche Absicherung ist damit jedoch nicht gegeben.

2.2 Bundessozialhilfegesetz

Die Grundlagen für einen Anspruch auf Schuldnerberatung ergeben sich aus den §§ 8,17 BSHG. Schuldnerberatung soll eine Notlage vermeiden bzw. überwinden helfen, die den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt erforderlich macht. Das Bundessozialhilfegesetz sieht grundsätzlich zwei Beratungsformen vor:

  1.  Funktionelle Beratung und Unterstützung durch den Sozialhilfeträger selbst;11 hierzu gehören auch Hinweise an weitergehende, qualifizierte Beratungsangebote von Verbänden, Rechtsanwälten usw. Hierunter könnte man somit Einmal- und Kurzberatungen fassen;
  2. Institutionelle Beratung und Unterstützung, wenn die Schwierigkeiten in der Situa- tion oder Person des Hilfebedürftigen einer intensiveren, fachlich besonders qualifi- zierten und auch begleitenden Beratung und Betreuung bedürfen. Hierunter fallen insbesondere langfristige Beratungen und Betreuungen.12

Das Bundessozialhilfegesetz sieht zunächst keinen subjektiven Rechtsanspruch des Hil- febedürftigen vor, sondern schafft lediglich eine einseitige Verpflichtung des öffentlichen Trägers, ein sogenanntes objektives Recht. Mit der Einführung des § 17 BSHG wurde jedoch der Auftrag der Sozialhilfeträger verstärkt, auf Beratung und Unterstützung hinzuwirken.13

Der Verpflichtung zur Beratung und Unterstützung ist dann nachzukommen, wenn die Hilfebedürftigkeit im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes (Hilfe zum Lebensunterhalt) sonst nicht überwunden werden kann. Ein Beratungsanspruch des Hilfesuchenden besteht demnach dann, wenn für die Überwindung einer bestehenden Hilfebedürftigkeit Beratung bzw. Unterstützung geboten ist. Hier sieht das Bundessozialhilfegesetz eine Pflichtleistung des Sozialhilfeträgers und somit einen Rechtsanspruch des Hilfesuchenden vor.14 Grundlage für den Anspruch ist eine Notlage, aus der sich ein Bedarf nach § 11 Abs. 1 i.V.m. §§ 1 Abs. 2, 8 Abs. 1 und 4 Abs. 2 BSHG ergibt.15 Für den Fall der Vermeidung einer Notlage, d.h. zur Vorbeugung, sieht § 17 BSHG eine Kann-Leistung vor, aus der sich allerdings auch eine Verpflichtung zur Hilfeleistung ergeben kann.16 Soweit ein Beratungsanspruch besteht, ergibt sich auch eine Rechtsberatungs- und Rechtsbesorgungsbefugnis im beschriebenen Umfang.17

Ergebnis

→ Bei der Überwindung einer Notlage ist vom Sozialhilfeträger auf Beratung und Unterstützung hinzuwirken, d.h. in diesem Fall besteht ein Beratungsanspruch des Hilfe- suchenden;

→ Daraus folgt, dass (ehemals) Selbständige zur Überwindung einer Notlage einen Anspruch auf Schuldnerberatung haben bzw. der Sozialträger hierauf hinzuwirken und ggf. die angemessenen Kosten zu tragen hat;

→ Bei der Vermeidung einer Notlage soll der Sozialhilfeträger zwar ebenfalls auf die Beratung und Unterstützung hinwirken. Die Kosten hierfür können übernommen wer- den. Eine Pflichtleistung des Sozialhilfeträgers ist jedoch in diesem Fall nur unter be- stimmten Voraussetzungen gegeben;15

→ Daraus folgt, dass bei (ehemals) Selbständigen, die in einer Notsituation sind, aber (noch) keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben, vom Sozialhilfeträger zur Vermeidung einer Notlage, die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erforderlich macht, gleichfalls auf Beratung und Unterstützung durch Schuldnerberatung hinzuwirken ist;

→ Die Beratung und Unterstützung (ehemals) Selbständiger durch die Schuldnerberatung ist abhängig vom jeweiligen Auftrag durch den Sozialhilfeträger. Liegt keine Einschränkung der Beratung und Unterstützung bei der Überwindung des Sozialhilfebezugs vor, können (ehemals) Selbständige beraten werden. Der Beratungsanspruch und -umfang ergibt sich dann aus den weiteren Vorgaben und Einschränkungen des Sozialhilfeträgers. Einschränkungen können sich insbesondere aus Einkommens- /Einnahmenhöhe, bei Vermögen und sonstigen Ressourcen des Ratsuchenden erge- ben. Somit wäre zunächst in einer ersten persönlichen Beratung zu klären, ob sich aus der persönlichen und finanziellen Situation ein weitergehender Beratungsanspruch ergibt oder nicht.

2.3 Insolvenzordnung

Das Rechtsberatungsgesetz sieht für die Rechtsberatung und –besorgung im Rahmen der Insolvenzberatung eine Sonderregelung für geeignete Stellen vor. Nach Art. 1 § 3 Nr. 9 RBerG ist den als geeignet anerkannten Stellen die Besorgung von Rechtsangelegenheiten im Rahmen ihres Aufgabenbereichs erlaubt. Die Erlaubnis zur Rechtsbesorgung betrifft damit ausschließlich durch Landesrecht anerkannte Insolvenzberatungsstellen. Der Aufgabenbereich der „geeigneten Stellen“ ergibt sich einerseits aus der Insolvenzordnung und andererseits aus den jeweiligen Ausführungsgesetzen der Länder zur Insolvenzordnung.

Die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten umfasst sowohl die außergerichtliche als auch die gerichtliche Vertretung des Schuldners. Die gerichtliche Vertretung ist nach § 305 Abs. 4 InsO im Rahmen des gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahrens möglich. Die Vertretung des Schuldners vor Gericht im vereinfachten Insolvenzverfahren oder in der „Wohlverhaltensperiode“ ist in den Landesausführungsgesetzen zur Insolvenzordnung unterschiedlich geregelt und deren Umfang nicht abschließend geklärt. In der Praxis akzeptieren jedoch viele Amtsgerichte eine Vertretung durch die geeigneten Stellen.

Ehemals Selbständige, die dem Verbraucherinsolvenzverfahren unterfallen, können außergerichtlich und gerichtlich in dem oben beschriebenen Umfang durch die Insolvenzberatungsstelle vertreten werden. Die Beratung (ehemals) Selbständiger, die dem Regelinsolvenzverfahren zuzuordnen sind, ist von der Ausnahmeregelung des Rechtsberatungsgesetzes nicht erfasst.

Ergebnis

→ Die Rechtsberatungs- und Rechtsbesorgungsbefugnis der Insolvenzberatungsstellen orientiert sich an der Verfahrensart (Verbraucher- oder Regelinsolvenzverfahren). Im Verbraucherinsolvenzverfahren werden den geeigneten Stellen im Rahmen ihres Aufgabenbereichs rechtsbesorgende Tätigkeiten zugestanden. Im Regelinsolvenzverfahren dürfen auch geeignete Stellen nicht rechtsbesorgend tätig werden.

3. Aufgaben in der Beratung (ehemals) Selbständiger

Auch bei den (ehemals) Selbständigen stehen die in der Schuldnerberatung üblichen Aufga- ben im Vordergrund wie z.B. Existenzsicherung, Krisenintervention, Schuldnerschutz etc. Bei den Selbständigen kommt der Existenzsicherung besondere Bedeutung zu, da hier bei Aufgabe der selbständigen Tätigkeit außer der Sozialhilfe in der Regel keine anderen Sicherungssysteme bestehen.

Weitergehende Beratungsinhalte bei Selbständigen können sein:

  • Abklärung, ob selbständige Tätigkeit aufrechterhalten werden kann/sollte oder nicht (ggf. unter Hinzuziehung von Kooperationspartnern, siehe hierzu nachfolgenden Punkt 5.1);
  • Beratung und Hilfestellung bei der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit (Abwicklungsbe- ratung);18
  • Beratung und Hilfestellung bei freiwilligen außergerichtlichen Verhandlungen.19

Bei der weitergehenden Entschuldungsberatung ist dann nach den einschlägigen Verfahrensarten der InsO zu unterscheiden:

3.1 Verbraucherinsolvenzverfahren

Die Aufgaben im Verbraucherinsolvenzverfahren ergeben sich aus der Insolvenzordnung20 und den jeweiligen Landesausführungsgesetzen. Für Insolvenzberatungsstellen sind folgende Aufgaben benannt:21

  • Information über Voraussetzungen und Ablauf des vereinfachten Insolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiung;
  • Beratung und Unterstützung bei der Schuldenbereinigung, insbesondere im außergerichtlichen Einigungsverfahren;
  • Ausstellen der Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Einigungsversuchs;
  • Unterstützung bei der Erstellung der nach § 305 Abs. 1 InsO erforderlichen Antragsunterlagen;
  • Beratung und ggf. Vertretung im gerichtlichen Schuldenbereinigungsplanverfahren (§ 305 Abs. 4 InsO);
  • Beratung und ggf. Begleitung/Vertretung im vereinfachten Insolvenzverfahren und in der „Wohlverhaltensperiode“.

3.2 Regelinsolvenzverfahren

Bei der Beratung (ehemals) Selbständiger, die dem Regelinsolvenzverfahren zuzuordnen sind und auf Basis der §§ 8, 17 BSHG beraten werden, fallen folgende Aufgaben an:

  • Information über die Voraussetzungen und Ablauf des (Regel-)Insolvenzverfahrens und der Restschuldbefreiung;
  • Beratung und Hilfestellung bei der Vorbereitung und Antragstellung;22
  • Information bei Fragen/Problemen im Restschuldbefreiungsverfahren;
  • Beratung und Hilfestellung zur Sicherung der materiellen Existenz während des Insol- venzverfahrens und der „Wohlverhaltensperiode“.23

Ergebnis

→ Die Existenzsicherung und Krisenintervention sind zentrale Aufgaben in der Beratung (ehemals) Selbständiger.

→ Die Aufgaben bei der Beratung (ehemals) Selbständiger sind abhängig von der Verfahrensart.

  • Bei den ehemals Selbständigen, die dem Verbraucherinsolvenzverfahren zugeordnet werden, ergibt sich auch nach der in Kraft getretenen Insolvenzrechtsreform keine Änderung der Aufgabenbereiche.
  • Bei den (ehemals) Selbständigen, die seit 1.12.2001 dem Regelinsolvenzver- fahren unterfallen, orientiert sich die Beratung ausschließlich an den Erfordernissen des Einzelfalls. Die sich aus den gesetzlichen Regelungen der Insolvenzordnung und der Landesausführungsgesetze ergebenden Befugnisse für das Verbraucherinsolvenzverfahren gelten nicht.

4. Voraussetzungen der Beratung (ehemals) Selbständiger

Bei der Beratung (ehemals) Selbständiger sollten nachfolgende Voraussetzungen gegeben sein:

4.1 Finanzielle Voraussetzungen

Angesichts der allseits propagierten Existenzgründungsoffensiven und der nach dem „Hartz- Konzept“ zukünftig zu fördernden selbständigen Tätigkeiten von Arbeitslosen („Ich-AG`s“) muss auch das mögliche Scheitern bedacht werden. Hinsichtlich der Finanzierung der Beratung von gescheiterten Selbständigen sind die Sozialhilfeträger, die bereits in Teilbereichen verpflichtet sind24, die zuständigen Ministerien des Bundes und der Länder25, Wirtschaftsve bände, Kreditwirtschaft und weitere Verbände gefordert.

4.2 Fachliche Voraussetzungen

Die Beratung (ehemals) Selbständiger erfordert vertiefte Kenntnisse über das Regelinsolvenzverfahren, darüber hinaus Grundkenntnisse über:

  • die Erlaubnis und den Entzug eines Gewerbes;
  • die Bewertung einer „schein“selbständigen Tätigkeit
  • die betriebswirtschaftlichen Abläufe einer selbständigen Tätigkeit;
  • das Steuer- und Abgabenrecht.

4.3 Dienst- und haftungsrechtliche Voraussetzungen

Voraussetzung für die Beratung (ehemals) Selbständiger ist der Auftrag des Trägers zum Inhalt und Umfang der Beratung.

Die Beratung (ehemals) Selbständiger löst bei Beachtung der oben beschriebenen Einschränkungen26 kein größeres haftungsrechtliches Risiko aus. Die für die Beratung ohnehin unerlässliche Vermögensschadenshaftpflichtversicherung ist vorsorglich daraufhin zu überprüfen, ob der Versicherungsschutz ausreichend ist.

5. Folgerungen

Neben der Schaffung der genannten Voraussetzungen ist für die Beratung (ehemals) Selbständiger folgendes anzustreben:

5.1 Kooperation und Netzwerke

Bei der Beratung (ehemals) Selbständiger ist eine verstärkte Kooperation und die Schaffung von Netzwerken wünschenswert. Mögliche Kooperationspartner können z.B. sein:

  • Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern;
  • Steuerberater;
  • Unternehmensberater;
  • Ehrenamtlich tätige Senioren, die ihre spezifischen Kenntnisse fallorientiert einbringen (z.B. Business Angel oder Aktivsenioren usw.);
  • Existenzgründungsberatungsstellen.

5.2 Fachberatungsstellen für die Beratung (ehemals) Selbständiger

Nach der neuesten Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend27 sind ca. 60 % der Schuldnerberatungsstellen mit einer Beratungskraft besetzt. Die Übernahme einer umfassenden Beratung (ehemals) Selbständiger kann von diesen Stellen nicht noch zusätzlich geleistet werden.

Die Beratung (ehemals) Selbständiger sollte daher so organisiert werden, dass auf regionaler oder Landesebene spezialisierte Stellen („Kompetenzzentren“), die sich gezielt mit der Beratung dieser Zielgruppe befassen, geschaffen werden. Die Aufgabe spezialisierter Beratungsstellen ist sowohl die Beratung (ehemals) Selbständiger als auch die (Fach-) Beratung und Unterstützung der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen vor Ort.

6. Zusammenfassung

  • Anspruch auf Beratung nach Bundessozialhilfegesetz
    Für (ehemals) Selbständige, die nicht mehr dem Verbraucherinsolvenzverfahren unterfallen, ist auf der Basis des Bundessozialhilfegesetzes eine Erstberatung vorzuhalten. In der Erstberatung ist zu prüfen, ob nach §§ 11 ff BSHG bzw. die mit dem Sozialhilfeträger vereinbarten Voraussetzungen für eine weitere bzw. weitergehende Beratung gegeben sind oder nicht. Wenn eine Notsituation vorliegt, sind (ehemals) Selbständige sowohl zur Überwindung als auch zur Vermeidung von Leistungen der Sozialhilfe zu beraten.
  • Ressourcen der (ehemals) Selbständigen
    Vorhandene Ressourcen der (ehemals) Selbständigen sind in die Beratung einzubezie- hen. Daher ist besonderer Wert auf Einmal-/Kurzberatungen zu legen. Eine Fallübernahme und Vertretung gegenüber Dritten ist nur dann angezeigt, wenn der Schwerpunkt auf der sozialen Beratung liegt.
  • Kooperation mit anderen Institutionen/Dienstleistern
    Die Beratung (ehemals) Selbständiger erfordert von der Schuldnerberatung, mit Institutionen/Dienstleistern gezielt Kooperationen einzugehen bzw. örtliche Netzwerke aufzubauen.
  • Spezielle (Fach-) Beratungszentren
    Die Einrichtung von landesweit tätigen „Kompetenzzentren“ zur Beratung (ehemals) Selbständiger ist im Bereich der Schuldner-/Insolvenzberatung anzustreben.
  • Zusätzliche Qualifikation der Berater/innen
    Die erforderlichen zusätzlichen Kenntnisse müssen durch die Teilnahme an Fortbildungen erworben werden.

  1. Das Arbeitspapier verwendet nachfolgend die mit Klammern versehene Schreibweise „(ehemals) Selbständige“ immer dann, wenn es beide Zielgruppen gleichermaßen betrifft, d.h. den Personenkreis, der seine selbständige Tätigkeit eingestellt hat, und den Personenkreis, der sie derzeit noch ausübt.
  2. Unter Insolvenzberatungsstellen werden die von den Bundesländern gemäß § 305 Abs.1 Nr.1 InsO als „geeignete Stellen“ anerkannten Schuldnerberatungsstellen verstanden.
  3. Art. 1 § 1 I RBerG
  4. Rennen/Caliebe, RBerG, Art. 1 § 1 Rn. 28; BGH NJW 1989, 2125; 1956, 591.
  5. Gemeinsames Positionspapier des Deutschen Anwaltvereins und kommunaler Spitzenverbände von 1987, abgedruckt in: Deutscher Verein „Überlegungen zur Schuldnerberatung in der sozialen Arbeit, Frankfurt, 1989, S. 19-21. Zur Abgrenzung zwischen sozialer Beratung und Rechtsberatung siehe auch: Bundessozialhilfegesetz, Lehr- und Praxiskommentar, Nomos-Verlag, 5. Auflage LPK –BSHG § 8, Rz 26-32.
  6. Heinhold. Hubert: Rechtsberatung und Sozialarbeit – ein Scheinkonflikt? Informationen zum Arbeits- losenrecht und Sozialhilferecht (info also) Heft 4/2001, S.197 – 203 (S.198)
  7. Art. 1 § 3 Nr. 1 RBerG
  8. vgl. Gemeinsames Positionspapier des Deutschen Anwaltvereins und kommunaler Spitzenverbände, 1987, a.a.O.
  9. Siehe Rechtsberatung durch die Verbände der freien Wohlfahrtspflege – Ergebnis einer Besprechung im Bundesministerium der Justiz am 24.2.1969. Siehe auch Münder/ Höfker/Kuntz/Müller/ Schruth/ Westerath: Schuldnerberatung in der sozialen Arbeit, 4. Aufl. 1999, Anhang
  10. LPK BSHG, § 8 Rz 29
  11. § 17 Abs. 1 Satz 1 BSHG.
  12. § 17 Abs. 1 Satz 2 BSHG. Siehe auch Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 17, Rz. 9.
  13. Siehe Schellhorn/Jirasek/Seipp, § 17 Rz. 5 und 6
  14. Mergler/Zink, BSHG, Stand: April 1999, § 17, Rz. 10, 14; LPK § 17, Rz. 13, 16, 17
  15. LPK § 17, Rz. 9; Mergler/Zink, § 17, Rz. 10
  16. LPK, § 17, Rz. 16; Mergler/Zink § 17, Rz. 14 i.V.m. § 6 BSHG (vorbeugende Hilfe).
  17. Siehe Punkt 2.1
  18. Zur Klarstellung: Eine betriebswirtschaftliche Beratung zur Abwicklung/Weiterführung eines Betriebes ist in der Regel nicht Aufgabe der Schuldnerberatung
  19. Im Rahmen der Schuldnerberatung kann für Selbständige – auf freiwilliger Basis – eine außergerichtliche Einigung angestrebt werden.
  20. §§ 305 ff InsO
  21. Die konkreten Aufgaben weichen in den einzelnen Ländern geringfügig voneinander ab.
  22. Im Regelinsolvenzverfahren besteht kein Vordruckzwang und keine Verpflichtung zur Erstellung bestimmter Verzeichnisse analog § 305 InsO. Gleichwohl ist der Schuldner auf die Antragstellung vorzubereiten, da er im Verfahren mitwirken muss.
  23. Sicherung des Kontos, Höhe der Pfändbarkeit bzw. zugestandener Unterhalt etc.
  24. siehe Punkt 2.2
  25. Z.B. die vom Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft in Kooperation mit der Deutschen Aus- gleichsbank geförderte Internetberatung „aus-fehlern-lernen.info“; die projektgebundene Beratung derG.I.B. (Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung NRW) (Krisenintervention in kleinen und mittleren Unternehmen) und das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Kooperation mit dem iff (institut für finanzdienstleistungen, Hamburg) finanzierte Pilotprojekt der Krisenhotline Köln.
  26. siehe Punkt 2.2
  27. Korzcak, Dieter, Überschuldung in Deutschland zwischen 1988 – 1999, Kohlhammer 2001, S. 131f
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