Aktuelle Situation der Überschuldung und Schuldnerberatung in Deutschland – Handlungsbedarf für Politik und Verwaltung zur Sicherung des Beratungsangebotes

0 Zusammenfassung

1. Ursache von Überschuldung

Die Ursachen von Überschuldung sind vielfältig. Arbeitslosigkeit ist dabei der Haupt auslöser von Überschuldung. Familiäre Problemsituationen wie z. B. Schei­dung oder Trennung und eine mangelnde Fähigkeit zu einer wirtschaftlichen Haus­haltsführung z. B. durch Informationslücken oder Bildungsdefizite können einen Haushalt von einer Verschuldung in die Zahlungsunfähigkeit (Überschuldung) füh­ren.

2. Bedeutung der Schuldnerberatungsstellen

Schuldnerberatungsstellen sind die wichtigste und vielfach auch einzige Anlauf­ stelle, die sich um das Anliegen Überschuldeter kümmert. Der steigende Beratungs­bedarf kann derzeit nicht gedeckt werden. Lange Wartezeiten bis zu einem ersten Gespräch sind die Folge. Die Situation wird sich bei Inkrafttreten der neuen Insol­venzordnung (und des dort vorgesehenen Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung) zum 1.1.1999 noch wesentlich verschärfen, wenn die Län­der, die für die Ausführung dieses Gesetzes zuständig sind, nicht kurzfristig die fi­nanziellen Mittel für einen bedarfsgerechten Ausbau der Beratungsstellen bereit­ stellen. Dann werden noch mehr Ratsuchende von den Beratungsstellen abgewie­sen werden müssen als dies bisher schon der Fall ist. Auch kann dann die erwartete Entlastung der Justiz durch das außergerichtliche Verfahren nicht eintreten.

3. Zahl der überschuldeten Haushalte

Die Zahl der überschuldeten Haushalte in Deutschland ist nach einer Studie, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag gegeben
hat, im Jahr 1997 auf 2,62 Mio. gestiegen. Das ist ein alarmierender Anstieg in den drei Jahren seit 1994 um über 30 Prozent ( + 619.000). Damit sind inzwischen sie­ben Prozent aller Haushalte in Deutschland überschuldet.

4. Bedarf an Schuldnerberatern in Deutschland

Um annähernd eine Bedarfsdeckung erreichen zu können, läßt sich unter Berück­ sichtigung der vorliegenden Bedarfsschätzungen und den Erfahrungen der Spitzen­ verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucher­ verbände und der Bundesarbeit sgemeinschfat Schuldnerberatung für eine annä ­hernd flächendeckende Versorgung mit Schuldnerberatung folgender Berater­ schlüssel festlegen: 2 Berater pro 50.000 Einwohner.
Für Deutschland errechnet sich auf Basis der Bevölkerungszahlen von 1997 ein Be­ darf von 3.282 Schuldnerberatern.
Ein Vergleich mit Bedarfsschlüsseln in anderen Bereichen zeigt, daß es sich hier um
eine Bedarfsschät zung an der unteren Grenze handelt . So gilt beispielsweise im­ Schwangerschaftskonfliktgesetz ein Schlüssel von mindestens einem Berater auf
40.000 Einwohner. Beim Vergleich ist jedoch zu berücksichtigen, daß ein Fall in der Schuldnerberatung für den Berater wesentlich arbeitsintensiver ist als in der Schwangerschaftskonfliktberatung.

5. Kosten der Schuldnerberatung

Die Kosten eines Arbeitsplatzes setzen sich nach Angaben der Kommunalen Ge­meinschaftsstelle (KGSt) zusammen aus den Personalkosten, den Sachkosten und den Gemeinkosten. Da Schuldnerberater in der Praxis noch unterschiedlich entlohnt werden, wurden hierfür die Kostenermittlung beispielhaft zwei Varianten berech­net. Dabei werden die Tarifdaten für das Jahr 1997 zu Grunde gelegt.

Bei der Variante 1 wird beim Schuldnerberater eine Vergütung nach IVb ange­nommen und es wird ihm die Kapazität von 50 % einer Sekretärin der Vergütungs­gruppe Vlb zur Verfügung gestellt. Die Gesamtkosten für den Arbeitsplatz eines Schuldnerberaters ( unter Einbeziehung der Verwaltungskraft) betragen hier 185.730 DM pro Jahr.
Bei der Variante 2 wird der Schuldnerberater nach IVa und die Sekretärin (50 %) nach Vc vergütet. Die Gesamtkosten betragen dann 200.250 DM pro Jahr.

Das Jahr 1997 umfaßte 1582 Arbeitsstunden. Zieht man hiervon die Rüstzeit, z. B. für Dienstbesprechungen und allgemeine Verwaltungstätigkeiten, ab und ebenso die notwendigen Zeiten für Fort- und Weiterbildung, so verbleiben 1266 Stunden als Beratungszeit. Die Beratungszeit in diesem Sinne umfaßt jedoch auch unter an­ derem Öffentlichkeitsarbeit, kollegiale Fallberatung und Zeiten für Dokumentation, Gremienarbeit, Statistik und Supervision. Legt man die Variante 1 zu Grunde, so kostet eine Beraterstunde 146,71 DM, bei der Variante 2 158,18 DM.

Zu den hier ausgewiesenen Gesamtkosten müssen bei einer exakten Kostenberech­nung noch zwei Kostenkomponenten hinzugerechnet werden. Da sind zunächst die notwendigen Honorarkosten für Anwälte und die Fachleute für Steuern, Immobili­en etc.. Zum anderen sind bei einem Schuldnerberater die tatsächlichen Sachko­sten, insbesondere auch durch die Einführung der Verbraucherinsolvenzordnung, höher als die von der KGSt ermittelten Werte.

6. Zur Finanzierung von Schuldnerberatung

Schuldnerberatung ist derzeit auf eine Mischfinanzierung angewiesen. Der Grund­stock der Finanzierung sind dabei vielfach die Eigenmittel der Träger. Dazu kom­men Mittel der Kommunen, der Bundesländer, der Sparkassen, der Arbeitsämter und von Betrieben und Gewerkschaften, die sich die Dienstleistung Schuldnerbera­tung einkaufen. Diese scheinbare Vielzahl von Finanziers darf nicht darüber hin­wegtäuschen, daß die Finanzsituation vieler Schuldnerberatungsstellen unzurei­chend ist, da in jedem Bundesland die Regelungen der Länderfinanzierung unter­schiedlich sind und jede Beratungsstelle im Rahmen ihrer regionalen Gegebenhei­ten einen eigenen Finanzierungsmix finden muß. Es muß deshalb darüber nachge­dacht werden, welche Modelle sich auf andere Regionen übertragen lassen und welche neue Formen der Finanzierung, z. B. der Gläubigermitfinanzierung, gefun­den werden können, um einen bedarfsgerechten Ausbau der Schuldnerberatungs­stellen zu ermöglichen.

1 Ausgangssituation

Schulden machen ist im Wirtschaftsleben zu einem normalen Vorgang geworden. Während man früher für größere Anschaffungen zunächst ansparte, zeigt sich heu­te die Tendenz, zuerst die Konsumwünsche zu realisieren und danach erst abzube­zahlen. Kommt es dann bei einem Haushalt zu Einkommensrückgängen (z. B. durch Arbeitslosigkeit, Wegfall des Verdienstes der Ehefrau, Kurzarbeit), familiären Pro­blemsituationen oder liegt eine mangelnde Fähigkeit zu einer wirtschaftliche Haus­haltsführung vor, dann ist der Weg von der Verschuldung in die Überschuldung, d. h. in die Zahlungsunfähigkeit, fast vorprogrammiert. Hauptauslöser von Über­schuldung ist im internationalen Vergleich vielfach Arbeitslosigkeit.

Hilfen erhalten überschuldete primär durch die Schuldnerberatungsstellen. Schuld­nerberatung wird mit zunehmender Überschuldung der privaten Haushalte immer wichtiger. Derzeit kann der steigende Beratungsbedarf nicht gedeckt werden. Das zeigt sich in den langen Wartezeiten bis es zu einem ersten Beratungsgespräch kommen kann und in der geänderten Arbeitsweise der Beratungsstellen. Vielfach können nur noch Kurzberatungen durchgeführt werden. Das kann dazu führen, daß derart überlastete Beratungsstellen vorübergehend keine neue Ratsuchende mehr annehmen können. Tritt das Verbraucherinsolvenzverfahren am 1.1.1999 in Kraft, wird sich wegen der unzureichenden finanziellen Unterstützung der Schuldnerberatungsstellen durch die Länder, in deren Zuständigkeit die Ausführung dieses Gesetzes fällt, die Situation in den Beratungsstellen noch verschärfen.

In dieser allgemein unbefriedigenden Situation will das folgende Papier

  • die aktuelle Überschuldungssituation in der Bundesrepublik darstellen,
  • den aktuellen Beratungsbedarf an Schuldnerberatung ermitteln,
  • den Finanzierungsbedarf hieraus ableiten und
  • die aktuellen Finanzierungsmöglichkeiten für Schuldnerberatungsstellen aufzeigen.

Die folgende Darstellung knüpft dabei an das Gutachten von Korczak (1997) über das Marktverhalten, die Verschuldung und die Überschuldung privater Haushalte in den neuen Bundesländern an. Korczak hat darin die Zahl der überschuldeten Haushalte bis zum Jahr 1994 ermittelt. Inzwischen wurde dieses Gutachten fortge­schrieben und die Zahl der überschuldeten Haushalte bis zum Jahr 1997 geschätzt, so daß nun Angaben über das aktuelle Ausmaß der Überschuldung in Deutschland vorliegen.

Das vorliegende Papier will die aktuellen Diskussion bei den Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung auf eine verläßliche Grundlage stellen und den Schuldner­beratungsstellen Argumentationshilfen geben.

2 Überschuldungssituation in Deutschland 1997

Im September 1998 hat Korczak (1998) eine Expertise vorgelegt, die er im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstellt hat. Darin hat er die Zahl der überschuldeten Haushalte in West- und Ostdeutschland für das Jahr 1997 geschätzt.

a) Methodische Vorbemerkung

Die Zahl der Überschuldeten wird derzeit in keiner Statistik erfaßt. Korczak (1998) hat deshalb die Zahl der überschuldeten Haushalte in 1997 über ein Indikatoren­ bündel ermittelt, das aus  sechs Einzelindikatoren besteht:

1. die Ergebnisse einer Repräsentativbefragung zur finanziellen Situation von Familien,
2. die Entwicklung der Konsumentenkredite und Kreditkündigungen,
3. die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen,
4. die Ergebnisse zu den Mietschulden,
5. die Ergebnisse zu den Energieschulden,
6. die Entwicklung der Eidesstattlichen Versicherungen .

Anhand der vorliegenden Daten wurden zwei Szenarien berechnet, ein „best-case­ scenario“, mit dem ein Minimum-Wert der überschuldeten Haushalte berechnet wurde, und ein „worst-case-scenario“, bei dem ein Maximum-Wert ermittelt wur­de.

b) Zahl der überschuldeten Haushalte 1994 und 1997

Korczak (1997) schätzt die Zahl der überschuldeten Haushalte in 1994 mit einem Korridor . So betrug die Zahl der überschuldeten Haushalte in den alten Bundeslän­ dern 1.458.000-1.578.000 (= 4,9-5,3 % aller privaten Haushalte) und in den neuen Bundesländern 433.000-516.000 (=6,4-7,6 % aller privaten Haushalte). Nach Aus­kunft der GP-Forschungsgruppe läßt sich hieraus jeweils ein Mittelwert bilden. Ad­diert man die beiden Mittelwerte, so ergibt sich 1994 für Deutschland eine Zahl von 2.000.000 überschuldeten Haushalten, das sind 5,5 % aller Haushalte.

Betrachtet man die Schätzung für 1997, so betrug die Zahl der überschuldeten Haushalte in Westdeutschland 1,915 Mio.- 2,299 Mio. und in Ostdeutschland 442.00 – 582.000. Berechnet man analog zu den Daten von 1994 den Mittelwert auch für 1998, so ergibt sich eine Überschuldung in Deutschland von 2,62 Mio. überschuldeten Haushalten. Das ist ein alarmierender Anstieg in den drei Jahren seit 1994 um über 30 Prozent (+619.000) in Deutschland. Damit sind inzwischen sieben Prozent aller Haushalte in Deutschland überschuldet.

3 Beratungs- und Finanzierungsbedarf

Im vorangegangen Abschnitt wurde geklärt, wie sich die Überschuldungssituation in Deutschland im Jahr 1997 darstellt. Diese Zahlen machen deutlich, daß akuter Handlungsbedarf für Politik und Verwaltung besteht. Deshalb soll im folgenden geklärt werden, wie hoch der derzeitige Bedarf an Schuldnerberatern in den einzel­nen Bundesländern ist und was Schuldnerberatung kostet, um hier für Politik und Verwaltung eine Entscheidungsgrundlage zu liefern.

a) Beratungsbedarf insgesamt

Der Bedarf an Schuldnerberatern ergibt sich aus dem Bedarf für die allgemeine Schuldnerberatung und dem Bedarf für die Verbraucherinsolvenzberatung. Für bei­de Bereiche existieren bereits Bedarfsschätzungen. Beispielhaft sollen die Bedarfs­schlüssel zweier Schätzungen genannt werden. So ermittelt die GP-Studie Ost, daß für eine flächendeckende Versorgung mit Schuldnerberatung zwei Berater je 40.000 Einwohner notwendig sind. Für die Verbraucherinsolvenzberatung ermittelt ein Gutachten, das im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Sozia­les des Landes Nordrhein-Westfalen erstellt wurde, einen Bedarf von einem Berater je 65.000 Einwohner. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Bedarfsschätzungen und der Erfahrungen der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände und der Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung läßt sich folgender Bedarfsschlüssel ermitteln:


2 Berater je 50.000 Einwohner


Dabei umfaßt dieser Beraterschlüssel sowohl den Bedarf für die allgemeine Schuld nerberatung als auch für die Verbraucherinsolvenzberatung.

Dieser Bedarfsermittlung liegen als Berechnungsgröße die „Einwohner“ zu Grunde, da Einwohnerzahlen bei allen Kommunen verfügbar sind . Manchmal werden in die­sem Zusammenhang die „Haushalte“ als Bezugsgröße gewählt. Nach den Angaben des Mikrozensus lebten 1997 in Deutschland im Durchschnitt 2,20 Personen in ei­nem Haushalt. Bedarfsschlüssel für beratende Berufe im sozialen Bereich gibt es auch in anderen Bereichen. So hält die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren e. V. in ihrem „Rahmenplan für ambulante Beratungs- und Behandlungsstellen für Sucht kranke und ihre Angehörige“ mindestens eine Fachkraft für 10.000 Einwohner für erfor­derlich. Die Richtlinien Sozialpsychiatrischer Dienste sehen für Baden-Württemberg das Verhältnis von einer Fachkraft auf 50.000 Einwohner vor und für die Stadt Stuttgart von einer Fachkraft auf 20.000 Einwohner. Im Gesetz zur Ver­meidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten werden die Länder ver­pflichtet dafür Sorge zu tragen, daß mindestens ein vollzeitbeschäftigter Berater je 40.000 Einwohner zur Verfügung gestellt wird. Der Vergleich dieser, zum Teil in Gesetzesform allgemeinverbindlch festgelegten Schlüssel, mit dem ermittelten Bedarf an Schuldnerberater von 2 Beratern je 50.000 Einwohnern zeigt, daß es sich hier um eine Bedarfsschätzung an der unteren Gren­ze handelt. Dies wird vor allem auch dann deutlich, wenn man berücksichtigt, daß beispielsweise ein Fall in der Schuldnerberatung wesentlich arbeitsintensiver für einen Berater ist als ein Fall in der Schwangerschaftskonfliktberatung .

Im folgenden Abschnitt wird auf Grundlage des ermittelten Bedarfsschlüssels der konkrete Bedarf an Schuldnerberatern regionalisiert nach Bundesländern ausgewie­ sen.

b) Beratungsbedarf nach Bundesländern

Legt man die genannten Berechnungsschlüssel zu Grunde so kann man basierend auf den Haushalts- und Bevölkerungszahlen für das Jahr 1997 den Bedarf an Schuldnerberatern für Gesamtdeutschland und die einzelnen Bundesländer berech­ nen. Für Deutschland errechnet sich demnach ein Bedarf von 3282 Beratern.

c) Kosten der Schuldnerberatung

Zu berücksichtigen sind alle Kosten, die einer Schuldnerberatungsstelle für ihrer Hilfeleistung entstehen. Das sind:

  • Personalkosten
  • Sachkosten
  • Verwaltungs(Gemein-)kosten

Die Kostenberechnung eines Arbeitsplatzes kann sich an den regelmäßig erschei­nenden Berichten der Kommunalen Gemeinschaftsstelle in Köln (KGSt) orientie­ren. Personalkosten entstehen für:

  • den Berater/die Beraterin
    Da es sich bei der Schuldnerberatung um einen besonders komplexen Fachdienst handelt, wird auch auf Grund der gestiegenen Anforderungen in diesem Arbeits­feld von einer Vergütung von IVa gemäß den tarifvertraglichen Regelungen (BAT/AVR/BAT-KF) ausgegangen.
  • für Verwaltungskräfte
    Nach KGSt-Gutachten ist für einen Beratungsplatz eine Verwaltungskraft mit 25% Arbeitszeit notwendig. Dieser Wert ist jedoch für die bei einem Schuldner­ berater anfallenden Verwaltungsarbeiten unzureichend. Dies ist insbesondere auch durch die Mehrarbeiten der Fall, die sich durch die Einführung der Verbrau­ cherinsolvenzordnung in diesem Bereich ergeben . Deshalb wird für die folgen­ den Berechnungen der KGSt-Ansatz korrigiert und eine Verwaltungskraft mit 50% Arbeitszeit in Ansatz gebracht.
  • für Nebenkosten Fortbildung, Supervision etc.
  • Honorarmittel
    für Anwälte, Fachleute für Steuern, Immobilien etc.

Sachkosten fallen an für:

  • allgemeiner Bürobedarf
    Papier, Porto, Kopierkosten, etc.,
  • Raumkosten (Miete bzw. Abschreibung, Reinigung, Strom, Heizung, etc.), Telekommunikation, EDV,
  • Instandhaltung (Einrichtungsgegenstände, Bürogeräte), Periodika und Literatur.

Verwaltungs(Gemein-)kosten sind :

anteilige Kosten für Leitungsaufgaben und andere Dienstleistungen des Trägers (z.B. Personalverwaltung). Es werden (lt. KGSt.) jeweils bis zu 20% der Brutto­ Personalkosten für den/die Beraterinnen und die Verwaltungskraft anerkannt.


Beispiel einer Kostenberechnung für einen Schuldnerberater

Wegen der in der Praxis noch unterschiedlichen Bewertungen der Stelle eines Schuldnerberaters wird die Kostenberechnung beispielhaft in zwei Varianten er­stellt. Bei Variante 1 wird der Berater nach IVb und die Verwaltungskraft nach Vlb vergütet, bei Variante 2 der Berater nach IVa und die Verwaltungskraft nach Vc.

Dabei wird für einen Berater eine Verwaltungskraft mit 50 % Arbeitszeit für not­wendig erachtet. Nach dem Gutachten der KGSt – Bericht 7/1998 ist von folgenden Kosten ( Tarife 1997 bezogen auf die alten Bundesländer) auszugehen:

Kosten eines Arbeitsplatzes für 1 Berater/in (Vollzeit)

IVb  IVa
Personalkosten DM 93.500 DM 102.600
Sachkosten (insges. mit Technikunterstützung) DM 30.500 DM 30.500
Gemeinkosten (10%) DM 9.350 DM 10.260
Summe DM 133.350 DM 143.360

Kosten eines Arbeitsplatzes für 1 Sekretär/in (50 %):

Vlb Vc
Personalkosten DM 33.750 DM 37.850
Sachkosten (insges. mit Technikunterstützung) DM 15.250 DM 15.250
Gemeinkosten (10%) DM 3.380 DM 3.790
Summe DM 52.380 DM 56.860
Gesamtkosten: DM 185.730 DM 200.250

Zu den hier ausgewiesenen Gesamtkosten müssen bei einer exakten Kostenberech­nung noch die notwendigen Honorarkosten für Anwälte, Fachleute für Steuern, Immobilien etc. hinzugerechnet werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die tatsächlichen Sachkosten bei einem Schuldnerberater höher sind als dies im KGSt­ Bericht ermittelt wurde. Insbesondere durch die Einführung der Verbraucherinsol­venzordnung entsteht hier ein erhöhter Aufwand für Schriftwechsel, Kopien, Porto­ und Telefonkosten. Dieser erhöhte Aufwand bei den Sachkosten wäre bei einer ex­akten Berechnung ebenfalls den Gesamtkosten hinzuzurechnen

Kosten Beraterstunden (bei 1266 Stunden jährlich):

Variante 1: Vergütungsgruppen BAT IVb / Vlb DM 146,71

Variante 2: Vergütungsgruppen BAT IVa / Vc DM 158,18

Arbeitsstunden

Ausgegangen wird (lt. KGSt-Gutachten) von jährlich 1582 Arbeitsstunden. Hiervon wird eine „Rüstzeit“ für nicht fallbezogene Tätigkeiten (Dienstgespräche, allgemei­ne Verwaltungstätigkeit etc.) von 15% abgezogen. Für die notwendigen Maßnah­men der Fort- und Weiterbildung in der Schuldnerberatung sollte die „Rüstzeit“ um weitere 5% (2 Wochen=78 Std.) ergänzt werden.
Jährlich stehen somit 1266 Stunden Beratungszeit als Zeitbudget (pro Berater/in) zur Verfügung.

Die Beratungszeit in diesem Sinne umfaßt jedoch nicht nur das persönliche Ge­spräch mit einem Ratsuchenden, sondern ihr werden folgende Kategorien zuge­rechnet :

1. Telefon-/Kurzberatung/offene Sprechstunde im Einzelfall bis zu 45 Min.

2. Grundberatung als Krisenintervention/Sondierungsphase
sie dauert über einen Zeitraum von 3 – 4 Monate. Zeitdauer pro Fall bis zu 30 Stunden.

3. lntensivberatung /w eitergehende Berat ung /Nachbetreuung
die lntensivphase kann 6 – 12 Monate, die Nachbetreuung mit dem Ziel der Ver­selbständigung kann ebenfalls bis zu 12 Monate dauern (bei lnsO ggf. noch län­ ger).

4. Strukturelle/einzelfallübergreifende Arbeit
in ihr werden Öffentlichkeitsarbeit, Prävention und kollegiale Fallberatung ge­ macht. Hier sind pro Woche 4 Stunden anzusetzen.

5. Sonstiges
hierzu zählen u.a. Zeiten für Dokumentation, Evaluation, Gremienarbeit, Quali­ tätssicherung, Statistik und Supervision.

4. Möglichkeiten der Finanzierung

Schuldnerberatung ist derzeit auf eine Mischfinanzierung angewiesen. Grundlage der Finanzierung sind dabei vielfach Eigenmittel der Träger.

1. Kommunale Finanzierung

Rechtsgrundlage einer kommunalen Finanzierung sind die §§ 6,8,1O des Bundes ­sozialhilfegesetzes (BSHG) als auch § 17 BSHG und die Leistungsvereinbarungen nach § 93 BSHG. Zudem ist die Finanzierung aufgrund der Bestimmungen (§§ 13, 16 u.17) des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) möglich.

2. Landes-Finanzierung

a) Bisher

  • anteiliger Zuschuß
    In einigen Bundesländern wird ein anteiliger Zuschuß für die Schuldnerbe­ratung gewährt. Beispiel Thüringen: pro 50.000 Einwohner (Ballungsgebiet : 40.000 Einw.) werden bis zu 50% der Personalkosten finanziert, zuzüglich DM 1O.000 für die Erstausstattung.
  • Zuschuß in Kombination mit dem Sparkassen- und Giroverband
    In Schleswig-Holstein und Niedersachsen gibt es eine anteilige Bezu­schußung von Land und Sparkassen- und Giroverband.
    Beispiel Niedersachsen: gemeinsam mit dem Sparkassen- und Girover­band Niedersachsen werden DM 1,4 Mio. zu je 50% von Land und Ver­ band für 60 SB-Stellen gezahlt.
  • Zuschuß für Fachberatung
    Beispiel Nordrhein-Westfalen: 15 Fachberater bei den Wohlfahrtsverbän­den werden mit DM 750.000 jährlich bezuschußt.

b) Zukünftig

  • lnsO-Beratung
    Eine Finanzierung der zusätzlichen Aufgaben durch das Insolvenzrecht wird durch die jeweiligen Landesausführungsgesetze und entsprechende Förderrichtlinien bestimmt.

3. Gläubiger-Finanzierung

Verschiedene Formen sind möglich bzw. müssen entwickelt werden. So sehen beispielsweise derzeit 2 Landessparkassen-Gesetze (Nordrhein­ Westfalen und Rheinland-Pfalz) eine Mitfinanzierung vor.
Um die gesetzliche Auflage besser erfüllen zu können zahlen die beiden nord­rhein-westfälischen Sparkassenverbände ab 1. Januar 1998 -zunächst befristet auf 3 Jahre- jährlich insgesamt 5 Mio. an die Schuldnerberatungsstellen. (pro Einwohner ca. 0,35 DM)

4. Finanzierung durch das Arbeitsamt

a) ,,Indirekte Finanzierung“ im Rahmen der sozialpädagogischen Betreuung durch Beratung von Teilnehmer/innen an Beschäftigungs- und Qualifizierungs­ projekten.

b) ,,Freie Förderung“ zur Finanzierung von Schuldnerberatung nach § 10 Sozialgesetzbuch Drittes Buch . Im Rahmen dieser Förderung wird u.a. die Möglichkeit geschaffen, Schuldnerberatung direkt und ohne Umwege zu för­dern. Sie ermöglicht auch eine „begleitende und nachgehende Betreuung“ das heißt. die Beratung muß nicht mit Eintritt in ein Arbeitsverhältnis beendet sein.

c) ,,Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“(ABM) zur Finanzierung von Schuldnerbera­ tung, z.B. bei präventiver Arbeit mit jungen Familien/Jugendliche.

5. Sonstige Finanzierungsmöglichkeiten

Dienstleistungen für Betriebe, Gewerkschaften etc. als „Betriebssozialarbeit“. Schuldnerberatung wird hier als Beratungsangebot für die Mitarbeiter/innen ver­ traglich „ eingekauft „.

6 Literaturverzeichnis

Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (1996): Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände zu den vertraglichen Verein­barungen zwischen Trägern von Schuldnerberatungsstellen und Kommunen bzw. Kreisen im Rahmen der §§ 17,93 BSHG, Mai.

Büro für sozialwissenschaftliche Beratung (1996): Bedarf an Verbraucherinsolvenz­ beratung in Nordrhein-Westfalen. Gutachten im Auftrag des Ministeriums für Ar­beit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen, unveröffentlichtes Manuskript, Köln.

Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (1998): Konjunkturauf­schwung kann Pleitewelle nur leicht bremsen. Frühjahrsumfrage der Inkasso­ Branche belegt weiter sinkende Zahlungsmoral, Pressemitteilung vom 23. April.

Deutscher Sparkassen- und Giroverband (1995): Zur Überschuldungssituation priva­ter Haushalte, Bonn.

Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (1995): Abschnitt 1 – Aufklärung, Verhütung, Familienplanung und Beratung, § 4 Öffentliche Förderung der Beratungsstellen, 21. 8. 95, BGBI. 1 1050, zul. g. 26. 5. 97, BGBI. 1
1130.

Kommunale Gemeinschaftsstelle (KGSt)(1998) : Kosten eines Arbeitsplatzes (Stand 1997), Bericht Nr. 7/1998, Köln.

Korczak, D. (1992): Überschuldungssituation und Schuldnerberatung in der Bun­ desrepublik Deutschland, Stuttgart, Berlin, Köln.

Korczak, D. (1997): Marktverhalten, Verschuldung und Überschuldung privater Haushalte in den neuen Bundesländern, Gutachten, Stuttgart, Berlin, Köln.

Korczak, D. (1998): Überschuldungssituation in Deutschland im Jahr 1997. Aktuali­sierung der Daten zur Überschuldung des Gutachtens der GP Forschungsgruppe aus dem Jahr 1994 im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frau­en und Jugend, Expertise, unveröffentlichtes Manuskript, Weiler/München.

Neuer Rahmenplan für ambulante Berat ungs- und Behandlungsstellen für Sucht­kranke und ihre Angehörige (1992), in: Informationen zur Suchtkrankenhilfe, Heft 2, s. 11ff .

Landesarbeitsamt Nordrhein-Westfalen/Landesarbeit samt Baden-Württemberg (1996): Zur Überschuldung von Arbeitslosen. Ursachen, Befunde, Strategien, Düs­seldorf.

Verwaltungsvorschrift des Sozialministeriums zur Durchführung der Richtlinien für die Förderung von sozialpsychiatrischen Diensten (1991), in: GABI. 1991, Nr. 10.

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