Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge

Mit dem am 16. Dezember 2020 vorgelegten Regierungsentwurf eines Gesetzes für faire Verbraucherverträge verfolgt die Bundesregierung das Ziel, die Position der Verbraucherinnen und Verbraucher gegenüber der Wirtschaft zu verbessern und faire Verbraucherverträge im Hinblick auf Vertragsschluss und Vertragsinhalte zu fördern. Dabei sollen neben anderen Regelungsbereichen solche Vertragsklauseln unwirksam sein, die per AGB vereinbart wurden, den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher jedoch widersprechen. Hierzu soll auch die Übertragbarkeit der Ansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern gesichert werden. Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) nimmt Stellung zu § 308 Nr. 9 a) BGB-E geregelten Verbot des Abtretungsausschlusses.

§ 308 Nr. 9 BGB-E – Neuregelung

Es ist vorgesehen, dass ein in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbartes Abtretungsverbot eines Anspruches des Vertragspartners (Verbraucherinnen und Verbraucher) gegen den Verwender (das Unternehmen) unwirksam ist. Die in § 308 BGB-E angefügte Nr. 9 a) sieht vor, dass Verbraucherinnen und Verbraucher ihre auf Geld gerichteten Ansprüche gegen Un-ternehmen künftig weitgehend uneingeschränkt abtreten können.

Bewertung:

Das vorgesehene Verbot des Abtretungsverbotes unterläuft in bestimmten Fällen den Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Zugriff auf das monatliche pfändungsfreie Existenzminimum. Die Möglichkeit, Zahlungen für den allgemeinen Lebensunterhalt wie Miete, Energie und Lebensmittel zu tätigen, wird hiermit unterbunden. Damit wird auch die grundsätzliche Wertung des Gesetzgebers umgangen, die einen Schutz für das monatliche Existenzminimum bis zu einer individuellen Pfändungsgrenze festlegt.

Die vorgesehene Neuregelung bedarf daher unbedingt einer Einschränkung in Bezug auf Zahlungskonten bei Kreditinstituten. Hier sollte eine Ausnahme vom Verbot vorgesehen werden, weil sie sowohl den gesetzlichen Intentionen des bestehenden Existenzschutzes und somit auch den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher widerspricht.

Begründung:

Der mit der Regelung verfolgte Zweck, Verbraucherinnen und Verbrauchern die Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen Unternehmer zu erleichtern, ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Die Neuregelung stellt aber im Fall einer offengelegten Abtretung auf dem Zahlungskonto des Verbrauchers in bestimmten Fällen eine eindeutige Verschlechterung des Verbraucherschutzes dar. Das Verbot des Abtretungsausschlusses bei Zahlungskonten gefährdet zum einen die Sicherung des pfändungsfreien Auszahlungsanspruchs gegenüber dem Kreditinstitut und sichert auch nicht den Pfändungsschutz bei offen gelegten Abtretungen, wie nachfolgend aufgezeigt wird.

1. Pfändungsfreier Auszahlungsanspruch des Kontoinhabers gegenüber Kreditinstitut gefährdet

Unternehmen, die über eine Abtretung des Verbrauchers verfügen, wie z. B. Inkassodienstleister, können bei der Einziehung der Forderung künftig auch auf das Kontoguthaben zugreifen. Formularmäßige Ratenzahlungsvereinbarungen von Inkassobüros sehen häufig auch Sicherungsabtretungen des Kontoguthabens bzw. generell aller Auszahlungsansprüche gegenüber dem jeweiligen Kreditinstitut vor.

Diese laufen aber dann ins Leere, wenn seitens der Kreditinstitute diesbezüglich die Abtretung der Auszahlungsansprüche verboten oder eingeschränkt wird. Dies ist so auch in den AGB der Banken für Kredite und Darlehen geregelt und soll – auch aufgrund der Initiative der AG SBV – in die AGB Banken aufgenommen werden.

Mit der Neuregelung in § 308 Nr. 9 a) BGB-E wird es künftig möglich, dass das Inkassounternehmen im Beispiel oben die Abtretung bei der kontoführenden Stelle offenlegt, wenn es Probleme mit der Ratenzahlung gibt. Das Kreditinstitut ist dann wiederum gezwungen, die Forderung in bestimmten Fällen zu bedienen – unabhängig von Pfändungsgrenzen.

Ein Abtretungsverbot kann daher auch im Sinne des Verbrauchers bzw. der Verbraucherin sein. Das ist der Fall, wenn der angestrebte Vertragszweck unterlaufen wird. Dies wäre im Falle des Girokontos die Existenzsicherung, das heißt die Möglichkeit, innerhalb gewisser Grenzen monatlich die zur Lebensführung existentiell notwendigen Ausgaben tätigen zu können.

Gläubiger erlangen mit dem vorgesehenen Verbot des Abtretungsausschlusses ohne zivilprozessuale Prüfungs- und Sicherungsmechanismen Zugriff auf Vermögenswerte, auf die sie im Wege der Zwangsvollstreckung nicht zugreifen könnten.

2. Unzureichender Schutz gemäß § 400 BGB

Der Zugriff auf das Kontoguthaben ist auch nicht in ausreichender Weise durch § 400 BGB geschützt. Danach kann nicht abgetreten werden, was nicht gepfändet werden kann.

Für das Zahlungskonto ist die Pfändbarkeit von Kontoguthaben in §§ 850k ff ZPO geregelt. Geldleistungen, die an der Quelle unpfändbar sind, verlieren mit der Einstellung in das Kontokorrent ihre Selbständigkeit und damit ihre Einstufung als unpfändbar. Damit muss die Frage der Pfändbarkeit neu bewertet werden. Hierfür hat der Gesetzgeber das Institut des „Pfändungsschutzkontos“ gemäß § 850k ZPO geschaffen.

Auf einem Zahlungskonto ist damit nur unpfändbar, was im Rahmen der Vorschriften zum Pfändungsschutzkonto als pfändungsgeschützt definiert wird. Es ergeben sich damit drei Konstellationen:

  • Zahlungskonto (Girokonto)
    Handelt es sich bei dem durch die Abtretung betroffenen Girokonto nicht um ein Pfändungsschutzkonto, existiert kein Pfändungs- und damit auch kein Abtretungsschutz. Für die Unpfändbarkeit im Zusammenhang mit dem Girokonto stellt der Gesetzgeber auf das Vorliegen eines Pfändungsschutzkontos ab.
  • Gepfändetes Pfändungsschutzkonto
    Handelt es sich um ein Pfändungsschutzkonto, welches gepfändet wurde, besteht ein Schutz vor einer offen gelegten Abtretung im Rahmen der Freibeträge des Pfändungsschutzkontos.
  • Nicht aktiv gepfändetes Pfändungsschutzkonto
    Handelt es sich hingegen um ein Pfändungsschutzkonto, welches aktuell nicht ge- pfändet ist und damit nicht „aktiviert“ wurde, ist unklar, ob und in welcher Höhe ein Schutz vor Abtretung besteht. Die Frage ist hier, ob §§ 850k ff ZPO ein solches grundsätzliches Pfändungsverbot für Kontoguthaben/ Auszahlungsansprüche gegen die Bank aussprechen oder eben tatsächlich nur für den Fall der Pfändung. § 899 ff ZPO[1] jedenfalls gehen für die Wirkung des Pfändungsschutzkontos, das heißt für die Frage, wann in welcher Höhe Guthaben auf dem Konto der Pfändung unterliegen oder nicht, von einem gepfändeten Konto aus. Es gibt materiell-rechtlich gewichtige Gründe für einen umfassenden Pfändungs- und Abtretungsschutz, eine klare Entscheidung, weder gerichtlich noch durch den Gesetzgeber, liegt hierzu aber nicht vor.

Zusammenfassung:

Sowohl für den Kontoinhaber wie auch für das Kreditinstitut als Drittschuldner bei der Pfändung bzw. Schuldner im Falle einer offen gelegten Abtretung muss unmittelbar und rechtlich eindeutig feststehen, wer in welcher Höhe auf das Guthaben zugreifen darf. Für das Kreditinstitut als Schuldner ist es von essenzieller Bedeutung, ob eine Auszahlung mit befreiender Wirkung an den Abtretungsgläubiger oder den Kontoinhaber erfolgen kann, um Haftungsfragen zu vermeiden. Der Kontoinhaber muss über sein unpfändbares Existenzminimum unmittelbar verfügen können und nicht erst nach einem langen Rechtsstreit. Daher ist zur Sicherung des Verbraucherschutzes und des Existenzminimums bei Zahlungskonten vom Verbot des Abtretungsausschlusses bei Zahlungskonten abzusehen.

[1] PKoFoG – tritt am 01.12.2021 in Kraft

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