Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2013

Die Bekämpfung von Armut und Überschuldung privater Haushalte in Deutschland muss oberstes Ziel der Politik sein.
Die Folgen von Armut und Überschuldung für die Betroffenen sind u. a. soziale und wirtschaftliche Ausgrenzung, Arbeitsplatzverlust bzw. erschwerte Aufnahme einer neuen Beschäftigung, Kontokündigung, familiäre Probleme, Krankheit – speziell Suchtkrankheiten -, Leben am Existenzminimum und Motivationsverlust.
Verbraucherüberschuldung ist aber auch ein volkswirtschaftliches Problem mit gravierenden Folgen für die öffentlichen Kassen und entsprechender Mehrbelastung der Sozial- und Justizhaushalte sowie steigenden Kosten für Transferleistungen und im Gesundheitswesen. Der Staat leidet unter den Steuer- und Beitragsausfällen, die Binnenkonjunktur unter der begrenzten Nachfrage nach Konsumgütern. In Not geratene Banken werden mit MilliardenBeträgen gerettet, während überschuldete Haushalte nur unzureichenden Zugang zu den Hilfsangeboten der sozialen Schuldnerberatung haben. In Zeiten öffentlicher Debatten über das stetig wachsende Missverhältnis zwischen „Arm und Reich“, was sich auch aus dem aktuellen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung ergibt, entwickelt sich die Frage nach der Unterstützung überschuldeter oder von Überschuldung bedrohter Haushalte zunehmend zu einer der vordringlichsten sozialpolitischen Fragen.

Die Arbeitsgemeinschaft der Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) fordert die Politik auf, sich für die Belange überschuldeter Haushalte einzusetzen und stellt folgende Forderungen auf:

  1. Schuldnerberatung für alle Menschen in einer schuldenbedingten Notlage
    Kernaufgabe der Schuldnerberatung ist die Hilfe für alle natürlichen Personen, die sich in einer schuldenbedingten Notlage befinden oder denen diese droht. Die aktuell vorherrschende Differenzierung im Zugang zu gemeinnützigen Angeboten der Schuldnerberatung darf es nicht geben. Vielmehr muss die Schuldnerberatung für alle Hilfesuchenden angeboten werden und kostenfrei sowie zeitnah zugänglich sein. Ein schneller und offener Zugang muss aus präventiver Sicht auch für Überschuldete gelten, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen und über ein eigenes Einkommen verfügen.
    Frage: Wird Ihre Fraktion sich dafür einsetzen, dass alle Personen, die in einer schuldenbedingten Notlage sind, einen offenen Zugang zur Schuldnerberatung erhalten?
  2. Schuldnerberatung sichern.
    Seit Jahren liegt die Zahl der überschuldeten Privatpersonen über 6 Millionen2. Der Beratungsbedarf der Betroffenen ist hoch und inhaltlich breit gefächert. Die vorhandenen Schuldnerberatungsstellen und die dort tätigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen können diesen Bedarf kaum decken. Die Schuldnerberatung muss ausgebaut werden, um eine zeitnahe qualifizierte und kostenfreie Beratung für die Betroffenen anzubieten. Statt der vielfach defizitären „Patchworkfinanzierung“ muss endlich eine ausreichende und zukunftssichernde Finanzierung der Schuldnerberatung gewährleistet werden.
    Frage: Wie wird sich Ihre Fraktion dafür einsetzen, die Beratungsleistungen zu sichern und die Beratungskapazität zu erhöhen?
  3. Girokonto für alle Bürgerinnen und Bürger
    Um die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr für alle sicherzustellen, muss ein gesetzlicher Anspruch auf ein Girokonto auf Guthabenbasis verankert werden. Dieses Basiskonto muss die essentiellen Kontofunktionen gewährleisten und zu angemessenen Konditionen angeboten werden. Die Empfehlung der Deutschen Kreditwirtschaft zum „Girokonto für jedermann“ ist gescheitert, die Ergebnisse der derzeitigen Arbeit der EU an einem Richtlinienentwurf sind noch nicht absehbar.
    Frage: Wie wird sich Ihre Fraktion für ein Recht auf ein Basiskonto, welches die essentiellen Kontofunktionen gewährleistet, einsetzen?
  4. Verantwortliche Kreditvergabe, vor allem beim Dispokredit
    Die Pflicht zu einer bedarfsgerechten und verantwortungsvollen Kreditberatung muss gesetzlich verankert werden. Die Bank muss ihre Kreditberatung dokumentieren und für Schäden aus einer nicht bedarfsgerechten Beratung haften. Besondere Regelungen sind für den Dispokredit erforderlich. Dieser stellt mit einem durchschnittlichen Zinssatz von 11 % das teuerste Kreditprodukt dar. Um zu hohen Zinssätzen Einhalt zu gebieten, muss der Zinssatz an einen gesetzlich festzulegenden Refinanzierungszinssatz gekoppelt werden und in seiner maximalen Höhe beschränkt werden (z.B. Refinanzierungsszinssatz + x-Prozent). Leitlinien für den Umgang mit überschuldeten Kunden sind aufzustellen und zwingend von der Kreditwirtschaft einzuhalten: So muss der eingeräumte Kreditrahmen noch stärker an der Höhe des monatlichen Einkommens orientiert werden. Überschuldeten Kunden muss ein Gespräch angeboten werden, Wege der Rückzahlung oder Umschuldung sind aufzuzeigen. Die Betroffenen müssen frühzeitig auf die Angebote der Schuldnerberatung hingewiesen werden.
    Frage: Wie wird Ihre Fraktion die Banken im Hinblick auf eine verantwortliche Kreditvergabe in die Pflicht nehmen?
  5. Unseriöse Kreditvermittlung stoppen
    In finanzieller Not wenden sich viele Schuldner an vermeintliche Kreditvermittler. Geschickt stellen diese Vermittler einen angeblichen Kredit in Aussicht. Nicht selten muss der Betroffene aber zuvor hohe Aufwandsentgelte an den Vermittler bezahlen oder Zusatzverträge unterschreiben, die mit dem Kredit in keinem Zusammenhang stehen. Eine Vermittlerprovision ist nach geltendem Recht aber erst nach Abschluss des Kreditvertrages zu bezahlen. Die Praxis zeigt jedoch, dass das geltende Recht nicht ausreichend ist, um die unseriösen Praktiken der vermeintlichen Kreditvermittler einzudämmen. Für die Tätigkeit als Kreditvermittler reicht eine einfache Gewerbeerlaubnis aus. Damit wird unseriösen Anbietern Tür und Tor geöffnet. Um den Zugang zur Kreditvermittlung zu erschweren, ist diese Tätigkeit gesetzlich zu regulieren: Registrierungs- und Dokumentationspflicht, Sachkundenachweis, Berufshaftpflichtversicherung und Bußgeldvorschriften müssen gesetzlich verankert werden.
    Frage: Was wird Ihre Fraktion tun um unseriöse Praktiken bei der Kreditvermittlung zu verhindern?
  6. Prävention und finanzielle Bildung strukturell absichern
    Maßnahmen der Prävention und der finanziellen Bildung benötigen eine strukturelle Verankerung im schulischen und außerschulischen Bereich. Hier gilt es im schulischen Bereich Finanzkompetenz als Kernbestandteil von Bildungsstandards zu definieren. Auch für den außerschulischen Bereich sollten zur Stärkung der Finanzkompetenz offene Angebote entwickelt werden. In der Umsetzung müssen die Kompetenzen der Beraterinnen und Berater in der Schuldnerberatung Berücksichtigung finden.
    Frage: Wie wird Ihre Fraktion das Thema Prävention und finanzielle Bildung strukturell absichern?
  7. Ministerielle Zuständigkeit für das Thema Überschuldung
    Überschuldung ist ein Querschnittsthema, das den Zuständigkeitsbereich mehrerer Ministerien betrifft. Die federführende Koordination eines Ministeriums ist erforderlich, um die vielfältigen und notwendigen Einzelaktivitäten zu einem politischen Gesamtansatz zu bündeln. Unter Einbeziehung von Politik, Wohlfahrts- und Verbraucherverbänden, Wissenschaft und Kreditwirtschaft ist ein nationaler Aktionsplan gegen Überschuldung zu entwickeln. Darüber hinaus sollten regelmäßige Runde Tische mit Interessenvertretern einberufen werden, um den fachlichen Austausch zu fördern.
    Frage: Wie wird Ihre Fraktion im Falle einer Regierungsbildung das Thema Überschuldung organisatorisch aufgreifen und wo federführend ansiedeln?
Verfasst in: Positionen