Stellungnahme zum Vorschlag der Europäischen Kommission vom 27.07.2011 für eine Verordnung zur grenzüberschreitenden vorläufigen Kontopfändung

Die Europäische Kommission hat am 27. Juli 2011 einen Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontopfändung vorgelegt (KOM (2011) 445 endg.). Diese Verordnung verfolgt den Zweck, die grenzüberschreitende Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen zu erleichtern. Hierzu hat der Bundesrat am 14. Oktober 2011 mit der Bundesrats-Drucksache 426/11Stellung genommen.

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) möchte mit den folgenden Ausführungen zu einigen aus ihrer Sicht relevanten Punkten des Verordnungsentwurfes Stellung nehmen.

Grundsätzlich ist zu bemerken, dass die hier geregelte vorläufige Kontopfändung durch das fehlende Erfordernis eines Vollstreckungstitels als Wirksamkeitsvoraussetzung eher dem nationalen Rechtsinstitut des Arrestes im Sinne von § 916 ZPO ähnelt. Der Arrest hat als Instrument im Rahmen der Schuldnerberatung bisher kaum Relevanz erlangt. Dies trifft viel eher auf die vorläufige Kontopfändung gemäß § 845 ZPO zu, die allerdings das Vorhandensein eines Vollstreckungstitels voraussetzt. Die vorläufige Kontopfändung wird nach Einschätzung der AG SBV bei privaten Schuldnern häufig nicht ihrem eigentlichen Zweck entsprechend zur Rangwahrung einer späteren Pfändung, sondern zur Ausübung von Druck auf Schuldner mit unpfändbaren Einkünften eingesetzt. Gleichzeitig muss konstatiert werden, dass der Bezug zu ausländischen Gläubigern durch private Schuldner gerade in Zusammenhang mit dem Internet (z.B. sog. Abofallen, deren Betreiber häufig aus dem Ausland agieren, um sich dem Zugriff deutscher Behörden zu entziehen) erfahrungsgemäß überproportional häufig eher bei zweifelhaften Gläubigern mit entsprechend zweifelhaften Forderungen besteht. Unter diesen Gesichtspunkten ist es erforderlich, die geplante Neuregelung kritisch zu betrachten.

1. Wahrung der Schuldnerrechte

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass in elementaren Punkten Schuldnerrechte und Schuldnerschutz innerhalb des Verordnungsvorschlages offenbar gewahrt wurden – so wie sie auch für die nationalen Rechtsinstitute des Arrestes und der vorläufigen Kontopfändung Gültigkeit haben. Gemäß Art. 32 sollen die jeweiligen Pfändungsfreigrenzen des Mitgliedstaates Gültigkeit haben, in denen das zu pfändende Konto geführt wird. So ist sichergestellt, dass die nationalen Bestimmungen des Pfändungsschutzkontos gemäß § 850 k ZPO Anwendung finden und eine Blockade des Kontos im Rahmen der Freibeträge ausgeschlossen ist. In Art. 36 des Verordnungsentwurfes ist geregelt, dass Verbraucherschuldner sämtliche Rechtsbehelfe gegen den europäischen Pfändungsbeschluss (EuBvKpf) im Mitgliedsstaat ihres Wohnsitzes einlegen können. Der EuBvKpf gilt nicht im Insolvenzverfahren, berührt also nicht die Regelungen des Verbraucherinsolvenzverfahrens.

2. Voraussetzungen des Beschlusses zu allgemein

Im Hinblick auf die oben beschriebene allgemeine Gefahr der Nutzung des EuBvKpf im Verbraucherbereich zum Zwecke der Ausübung von Druck, teilt die AG SBV die auch bereits vom Bundesrat geäußerten Bedenken im Hinblick auf die vorzutragenden Umstände einer drohenden Vermögensverschlechterung. Es muss sichergestellt sein, dass nicht allein der mit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens und der Einleitung der Zwangsvollstreckung naturgemäß verbundene Zeitablauf als ausreichender Anlass drohender Vermögensverschlechterung angesehen werden kann. Vorgeschlagen wird die Erarbeitung eines Regelkatalogs: beispielsweise das Vortragen konkreter, tatsachenbezogener Umstände für den Erwerb besonderen, nicht pfändungsgeschützten Vermögens sowie zur Vereitelung des diesbezüglichen Anspruches, etwa das Erlangen einer Erbschaft oder eines Verkaufserlöses, die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit oder der Wechsel des Arbeitgebers.

3. Keine Anhörung des Schuldners

Die AG SBV teilt auch die Bedenken des Bundesrates im Hinblick auf die in Art. 10 grundsätzlich nicht vorgesehene Anhörung des Schuldners vor Erlass eines EuBvKpf, die eine nochmalige Verbesserung der Gläubigerrechte gegenüber den nationalen Arrestvorschriften vorsieht. Dabei ist zu bedenken, dass bereits diese eine deutliche Einschränkung des allgemeinen Vollstreckungs- und Vermögenssicherungsverfahrens darstellen. Eine mündliche oder schriftliche Anhörung des Schuldners sollte daher zumindest im Ermessen des Gerichtes stehen können.

4. Systemwidrige Einholung von Kontoinformationen

Erhebliche Bedenken bestehen seitens der AG SBV im Hinblick auf die in Art 17 vorgesehene Einholung von Kontoinformation durch den Gläubiger. Diese Vorschrift versetzt den Gläubiger in die Lage, ohne Durchführung eines Hauptsacheverfahrens relevante Informationen über potentielle, dem Datenschutz unterliegende Kontoverbindungen und informationen des Schuldners zu erfahren. Dies widerspricht nationalen Vorschriften elementar, die dies nur im Rahmen der eidesstattlichen Versicherung nach Erlangung eines Vollstreckungstitels oder im Wege einer vor Gericht durchzuführenden Auskunftsklage vorsieht. Gläubiger werden hier in die Lage versetzt, geschützte Daten ohne sachliche Prüfung durch ein Gericht zu erfahren, um eine spätere Pfändung vorzubereiten und sich damit einen ungerechtfertigten Vorteil zu verschaffen oder aber auf andere, erfahrungsgemäß nicht notwendig seriöse Weise Druck auszuüben. Eine solche Auskunftsmöglichkeit ist systemwidrig und sollte gestrichen werden.

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