Stellungnahme zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Kontopfändungsschutzes in seiner Fassung vom 19.12. 2007

Vorbemerkung

Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) begrüßt grundsätzlich den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 19.12.2007 zur Reform des Kontopfändungsschutzes. Im Vergleich zur heutigen Rechtslage stellt der Gesetzentwurf eine deutliche Verbesserung des Schuldnerschutzes dar. Dennoch wird der notwendige Schutz von Schuldnern damit noch nicht ausreichend sichergestellt. Auch wird der Entwurf der Entlastung von Kreditinstituten und Gerichten nicht im notwendigen Umfang gerecht.

Der Entwurf bleibt in seinen positiven Auswirkungen auf Schuldner, Kreditinstitute und Voll- streckungsgerichte teilweise leider hinter dem Referentenentwurf des Justizministeriums vom 19.01.2007 zurück. Die AG SBV benennt in der nachfolgenden Stellungnahme den noch notwendigen Korrektur- bzw. Ergänzungsbedarf.

Keine Dauerwirkung der Kontopfändung (zu § 833a Abs. 2 ZPO-E)

Die Dauerwirkung einer Kontopfändung soll nach dem Regierungsentwurf im Regelfall bestehen bleiben. Die Möglichkeit der Aufhebung der Kontopfändung soll es gem. § 833a Abs. 2 ZPO-E für die Zukunft nur im Einzelfall auf Antrag des Schuldners geben. Der Schuldner muss nachweisen, dass seinem Konto seit 6 Monaten vor Antragstellung ganz überwiegend nur unpfändbare Beträge gutgeschrieben worden sind und glaubhaft machen, dass auch innerhalb der nächsten 12 Monate nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge zu erwarten sind.

Viele Schuldner werden nicht in der Lage sein, diese Anforderungen ohne beraterische Hilfestellung durch entsprechenden Nachweis bzw. Prognose zu erfüllen.

Weiterhin wird sich die Frage stellen, wie z.B. Arbeitsuchende glaubhaft machen sollen, dass auch innerhalb der nächsten 12 Monate nur ganz überwiegend nicht pfändbare Beträge zu erwarten sein werden.

Der Bearbeitungsaufwand für die Kreditinstitute nach Eingang einer Pfändung wird sich dadurch jedenfalls kaum reduzieren lassen, da die Aufhebung einer Pfändung nur im Einzelfall und nicht in der Regel möglich sein wird.

Die Notwendigkeit für die Schuldner, nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen, dass in der Vergangenheit wie in der Zukunft nur unpfändbares Einkommen zur Verfügung steht, wird bei den Schuldnerberatungsstellen und Sozialbehörden den Bearbeitungsaufwand deutlich erhöhen, da diese um Hilfestellung angefragt werden.

Der Referentenentwurf hatte noch eine automatische Begrenzung der Dauerwirkung auf 180 bzw. 90 Banktage vorgesehen, um insbesondere den Bearbeitungsaufwand der girokontoführenden Kreditinstitute in Grenzen zu halten und Kontokündigungen zu vermeiden. Eine Lösung dieser Probleme wird nach Überzeugung der AG SBV nur zu erzielen sein, wenn die Dauerwirkung einer Kontopfändung ganz aufgegeben wird, oder diese zumindest zeitlich begrenzt wird. In letzterem Fall sind dann aber Kalendermonate den Bankarbeitstagen vorzuziehen.

Frist von vier Wochen Minimum (zu § 835 Abs.3 Satz 2 und 4 ZPO-E)

Die Erfahrungen zeigen, dass die bisherige Frist von zwei Wochen, in der der Schuldner nach Zugang des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses einen Pfändungsschutzbeschluss des Vollstreckungsgerichtes erwirken muss, zu kurz ist. Daher wird die vorgesehene Verlängerung auf vier Wochen als zwingend angesehen.

Wir begrüßen es daher, dass die Bundesregierung nicht der Empfehlung des Bundesrates gefolgt ist, die Fristverlängerung rückgängig zu machen, da er hierin eine nicht hinnehmbare Benachteiligung der Gläubiger sieht. Denn soweit das gepfändete Konto pfändbare und nicht zu schützende Geldansprüche umfasst, würden diese an den Gläubiger lediglich nach vier statt bisher nach zwei Wochen ausgekehrt werden.

Ansparschutz ausdehnen (zu § 850 k Abs. 1 ZPO-E)

Es ist unstrittig und unerlässlich, dass Sozialleistungsempfänger Rücklagen für Reparatu- ren, notwendige Anschaffungen, Klassenfahrten usw. bilden müssen. Obwohl das Sozial- leistungsrecht dieses Ansparen mittels pauschalierter Beträge zur Deckung besonderer Bedarfslagen (z.B. Anschaffung von Kleidung oder Ersatzbeschaffung/Reparatur von Haushaltsgeräten) fordert, nimmt der Regierungsentwurf keine entsprechende Pfändungsschutzregelung auf. In der Begründung des Entwurfs wird dargelegt, es werde im Verlauf des weiteren Gesetzgebungsverfahrens unter Einbeziehung der Kreditwirtschaft zu prüfen sein, ob und ggf. wie ein Ansparen ermöglicht werden könne. Unklar bleibt, wie und wann diese Prüfung erfolgen kann.

Die Regelung in § 850 k Abs. 1 Satz 3 ZPO-E hilft zum Schutz des Ansparguthabens im Sinne des Sozialrechts nur begrenzt weiter. Sie schützt insbesondere dann nicht, wenn zum Zeitpunkt des Eingangs der Pfändung schon Guthaben im Sinne des Sozialrechts angespart worden ist, denn dieses Ansparguthaben unterliegt der Pfändung!

Des weiteren wird es sich in der Praxis zeigen müssen, ob die Kreditinstitute auch über mehrere Monate hinweg tatsächlich in der Lage sein werden zu übersehen, welcher Betrag aus den Vormonaten von der Pfändung nicht erfasst ist und den unpfändbaren Betrag im laufenden Monat erhöhen.

Insofern ist die beabsichtigte Regelung unzureichend.

Richtig ist aber in jedem Fall, dem Vorschlag des Bundesrates, das beabsichtigte Übertragen zu streichen, nicht zu folgen. Eine Gläubigerbenachteiligung, wie vom Bundesrat behauptet, wäre nämlich nicht gegeben, wenn allein aus dem nicht verbrauchten, unpfändbaren Teil des Einkommens (und nur um den geht es hier) notwendige Rücklagen gebildet werden und diese auf den Folgemonat übertragen werden.

Automatischen Schutz des Wohngeldes und der Erstattung von Krankheitskosten einbeziehen (zu § 850 k Abs. 2 Nr. 2 ZPO-E)

Für die Wohngeldgutschrift auf einem gepfändeten Pfändungsschutzkonto muss, sofern im Einzelfall die Grundfreibeträge überschritten sind, ein Freigabebeschluss des Vollstreckungsgerichtes erwirkt werden. Wohngeld ist aber eine zweckgebundene Sozialleistung und wird häufig parallel zu gepfändetem bzw. niedrigem Lohn ausgezahlt. Wohngeld muss daher in die Regelung des § 850 k ZPO-E einbezogen werden.

Auch sind Erstattungsleistungen der privaten und gesetzlichen Krankenversicherung so- wie Beihilfen des Dienstherrn, die zur Begleichung von Heilbehandlungskosten ausge- zahlt werden, freizustellen.

§ 850 k Abs.1 ZPO-E

Bei der Ermittlung des pfändbaren Einkommensanteils findet die Pfändungstabelle bei Arbeitseinkommen und ebenso bei der der Pfändung unterworfenen Sozialleistungen in gleicher Weise Anwendung. Der Gläubiger hat die Möglichkeit, mehrere Einkommen gem. § 850 e ZPO zusammenrechnen zu lassen. Die Empfehlung des Bundesrates, ein Ausdehnen der Pfändungstabelle bei Einkommen, die nicht aus Arbeitseinkommen resultieren, nicht vorzunehmen, überzeugt nicht. Es kann nicht gesetzgeberisches Ziel sein, dem Gläubiger auf dem Konto des Schuldners einen Pfändungszugriff zu ermöglichen, der weiter geht als bei einer Pfändung an der „Quelle“ (Arbeitgeber, Sozialleistungsträger.) Es ist daher richtig, dass die Bundesregierung dieser Empfehlung des Bundesrates nicht gefolgt ist.

Zielkonflikte bei der Bescheinigung über Nichtpfändbarkeit ausräumen (zu § 850 k Abs. 5 ZPO-E)

Nach Satz 2 muss der Schuldner durch Vorlage einer Bescheinigung des Arbeitgebers, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachweisen, dass sein Kontoguthaben nicht der Pfändung unterliegt. Durch den nachfolgenden Satz 3 wird diese Möglichkeit aber wieder eingeschränkt. Es wird auf eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichtes verwiesen, falls dieser Nachweis nicht geführt werden kann.

Es ist zu befürchten, dass die Kreditinstitute aus Gründen der Rechtssicherheit in der Regel nur Entscheidungen der Vollstreckungsgerichte akzeptieren werden. Solange keine gesetzliche Regelung geschaffen ist, die den Nachweis der Unpfändbarkeit für die Kreditinstitute verbindlich regelt, läuft das Bestreben, die Vollstreckungsgerichte und die Kreditinstitute zu entlasten, vielfach ins Leere.

Die Aufnahme der geeigneten Stellen im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO in den Gesetzentwurf zeigt die Akzeptanz und Wertschätzung, die der Schuldnerberatung zuteil wird. Grundsätzlich zeigt sich an dieser Stelle aber auch das Problem, dass die Schuldnerberatung dieser Aufgabe aufgrund von nicht ausreichender Finanzierung nur begrenzt wird nachkommen können. Dieses Dilemma muss gelöst werden.

Wirksamwerden des Pfändungsschutzkontos vorziehen (zu § 850 k Abs. 6 ZPO-E)

Ist ein Kontoguthaben bereits gepfändet, kann die Führung eines Pfändungsschutzkontos (P-Konto) erst ab dem Folgemonat nach Eingang der Pfändung verlangtwerden. Die Folge ist, dass in den Fällen, bei denen bisher eine Freigabe des unpfändbaren Einkommens durch Entscheidung des Vollstreckungsgerichts erforderlich war, auch zukünftig für die Zeit bis zur Umwandlung in ein P-Konto ein Freigabeantrag beim Vollstreckungsgericht erforderlich sein wird.

Es ist aus verschiedenen Gründen davon auszugehen, dass die Umwandlung des Girokontos in ein P-Konto bei dem Kreditinstitut im Regelfall erst nach Eingang einer Pfändung verlangt werden wird, auch wenn dies nach § 850 k Abs. 6 Satz 2 ZPO-E schon vor Eingang der Pfändung möglich wäre.

Hierfür spricht:

  • Eine Kontopfändung ist im Vorfeld nicht immer abzusehen.
  • Wer offenbart sich ohne Not gegenüber seiner Bank wegen anderweitig bestehender Schulden?
  • Es ist zu befürchten, dass ein P-Konto in der Außenwirkung als ein Konto „2. Klasse“ angesehen und deswegen nicht beantragt wird.
  • Es ist zu befürchten, dass das P-Konto bei den Kreditauskunfteien als die Kreditwür- digkeit mindernd eingestuft wird.
  • Es ist nicht gewährleistet, dass Banken für die Umwandlung eines normalen Kontos in ein P-Konto keine hohen Entgelte in Rechnung stellen werden.
  • Die Höhe des monatlichen Kontoführungsentgelts für ein P-Konto ist noch nicht ab- zusehen.
  • Paare führen in vielen Fällen ein gemeinsames Konto. Da ein gemeinsames P-Konto nicht möglich ist, werden sie, auch wegen sonst zweifach zu entrichtender Kontoführungsgebühren, es so belassen, wie es ist.

Falls das P-Konto seine Wirkung erst im Folgemonat nach Eingang einer Pfändung entfalten kann, wird – aus den genannten Gründen – eine Entlastung der Vollstreckungsgerichte nur begrenzt stattfinden.

Erforderlich ist daher eine Regelung, die den Schutz durch ein P-Konto schon mit Eingang der Pfändung möglich macht. Es ist daher zu regeln, dass die Umwandlungsmöglichkeit rückwirkend zum Tag des Eingangs der Pfändung beim Kreditinstitut möglich ist.

Ein Rechtsanspruch auf ein P-Konto ist nicht vorgesehen. Für Schuldner, die heute über kein Konto verfügen, wird der Umwandlungsanspruch keine Lösung ihres Problems schaffen.

Im Insolvenzverfahren darf auch die Pfändung eines P-Kontos keine Wirkung mehr haben (zu Art. 3 des Regierungsentwurfs)

Art. 3 des Regierungsentwurfs sieht lediglich vor, in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO die neue Regelung des § 850 l ZPO-E aufzunehmen. Dies genügt aber nicht. Es ist nicht einzusehen, warum die Pfändung eines P-Kontos im Insolvenzverfahren seine Wirkung behalten soll. Daher ist Art. 3 des Regierungsentwurfs so zu ergänzen, dass in § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO auch die neue Regelung zum P-Konto (§ 850 k ZPO-E) aufzunehmen ist.

Regelung für „Stief-Familie und nichteheliche Lebensgemeinschaft“ nach- holen

Für Patchwork-Familien, nichteheliche Lebensgemeinschaften und Lebenspartnerschaften normiert das Sozialrecht eine wirtschaftliche Einstehensverpflichtung samt Einkommenszurechnung. Die Pfändungstabelle nach § 850c ZPO stellt demgegenüber allein auf die Anzahl der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtungen ab. Mangels gesetzlicher Rege- lung wäre die Lösung weiterhin in einer Neuberechnung des Sozialleistungsanspruchs unter Berücksichtigung des Pfändungszugriffs zu sehen, was den Lebensstandard für alle auf Sozialleistungsniveau absenkt und für erwerbstätige Schuldner kaum Leistungsan- reize für eine Einkommenssteigerung schafft.

Die notwendige gesetzliche Lösung muss allerdings allgemein für die Einkommenspfän- dung greifen und kann demzufolge nicht nur isoliert für die Kontopfändung konzipiert sein.

Die aktuell favorisierten Lösungen sind jedenfalls nicht akzeptabel. Neben den Transferleistungssystemen belasten sie insbesondere gepfändete Arbeitnehmer, die mit ihrem – z.T. ohnehin geringem – Einkommen eine „Stief-Familie“ finanzieren, für die sie gar keine gesetzliche Unterhaltspflicht haben. Solange das Sozialrecht sie zwingt, hier faktisch Unterhalt zu leisten, muss dies bei der Pfändung berücksichtigt werden. Es kann auch gesellschaftspolitisch nicht gewollt sein, dass Arbeitnehmer mit Patchwork-Familien sich bei Pfändungen u. U. schlechter stehen, als wenn sie nicht arbeiten und die gesamte Familie Transferleistungen in vollem Umfange erhält.

Verbindliche Antragsvordrucke entwickeln

Abschließend schlagen wir vor, dass das Bundesjustizministerium ermächtigt wird, bun- deseinheitliche Vordrucke für den Antrag auf Kontopfändung sowie für den Kontopfän- dungsschutzantrag zu entwickeln.

Durch standardisierte Kontopfändungen und Freigabebeschlüsse könnten die Kreditinsti- tute verstärkt EDV einsetzen und so ihren Bearbeitungsaufwand samt Kosten reduzieren sowie die Kontofreigabe erheblich beschleunigen.

Durch allgemein verständliche Erläuterungen zu Fristen, Zuständigkeiten und Verfahren des Kontopfändungsschutzes (samt Antragsvordruck für die Kontofreigabe) wären viele Schuldner in der Lage, ihre Existenz ohne beraterische Hilfe zu sichern. Es erscheint auch als Aufgabe der Justiz, die von einer Kontopfändung Betroffenen neutral und umfassend über ihre Rechte zu belehren, statt dies zunächst den Kreditinstituten als Drittschuldnern zu überlassen. Diese informieren häufig interessengeleitet und verstärken häufig noch den Vollstreckungsdruck und raten zu unwirtschaftlichen Ratenarrangements mit den pfändenden Gläubigern, um eine schnelle Ruhendstellung der Kontopfändung zu erreichen und damit ihren Bearbeitungsaufwand zu verringern.

Gesetzgeberischer Reformbedarf jenseits der ZPO

  • Viele Menschen werden trotz der Reform des Kontopfändungsrechtes ohne ein Konto bleiben, weil ihnen seitens der Kreditinstitute weiterhin die Einrichtung eines Kontos verwehrt wird.
    Wir erneuern deswegen auch an dieser Stelle unsere Forderung nach einem gesetzlichen Anspruch auf ein Recht auf ein Girokonto.
  • Wir freuen uns über den gewachsenen Stellenwert der Schuldner- und Insolvenzberatung. Dieser findet u.a. seinen Ausdruck in § 850 k Abs. 5 ZPO-E durch die Benennung der geeigneten Stellen im Sinne von § 305 InsO. Wir möchten aber auch darauf hinweisen, dass es an den finanziellen Grundlagen mangelt, damit Schuldnerberatung den vielfachen Erfordernissen, die an sie formuliert werden, gerecht werden kann. Erforderlich sind klare und verbindliche Regelungen, die eine Finanzierung von Schuldnerberatung in ausreichendem Umfang möglich machen.
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