Stellungnahme zum Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom September 2004 „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts“

Zusammenfassung

  1. Die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV) begrüßt, dass mit dem beabsichtigten Rechtsdienstleistungsgesetz alle rechtsdienstleistenden Tätigkeiten, die im Rahmen der Schuldner- und Insolvenzberatung anfallen, ausdrücklich erlaubt bzw. erlaubnisfrei gestellt werden. Dies bedeutet die für die Schuldner- und Insolvenzberater in den Beratungsstellen der freien Wohlfahrtspflege und der Verbraucherverbände überfällige notwendige Rechtssicherheit für ihren Arbeitsalltag.
    1. Auch die im Diskussionsentwurf vorgesehene Bündelung der verschiedenen rechtlichen Beratungsformen unter dem weiten Oberbegriff der Rechtsdienstleistung ist aus der Perspektive der Schuldner- und Insolvenzberatung zu begrüßen. Da notwendiger Bestandteil der Schuldner- und Insolvenzberatung die umfassende rechtliche Beratung und Vertretung der ver-/ überschuldeten Ratsuchenden auf der Grundlage der Sozialgesetzbücher II und XII1 sowie der Insolvenzordnung ist, ist die bisherige Trennung zwischen Rechtsberatung und -besorgung unter dem aktuellen Rechtsberatungsgesetz künstlich und überholt.
    2. Die Komplexität von Schuldner- und Insolvenzberatung, die für die Ratsuchenden und ihre Angehörigen umfassende rechtliche, ökonomische und soziale Dienstleistungen aus einer Hand zu erbringen hat2, bringt es aber notwendigerweise mit sich, dass Schuldner- und Insolvenzberatung immer eine Hauptleistung darstellt. Soweit § 5 Abs. 1 RDG-DiskE Schuldner- und Insolvenzberatung derzeit noch als Nebenleistung erlaubt, ist dieser Gesetzgebungsvorschlag abzulehnen. Schuldner- und Insolvenzberatung ist niemals Nebenleistung!
    3. Die mit § 8 Nrn. 3 und 5 RDG-DiskE vorgesehene grundsätzliche Absicherung der rechtsdienstleistenden Tätigkeiten von Trägern der freien Wohlfahrtsverbände und der Verbraucherverbände kraft ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs ist hingegen wiederum zu begrüßen. Für das Arbeitsfeld Schuldner- und Insolvenzberatung bedeutet dies die uneingeschränkte rechtliche Absicherung der sozialen Schuldnerberatung. Die gesonderte Absicherung der anerkannten Insolvenzberatungsstellen über Nr. 4 ist die logische Übernahme der bereits zulässigen Rechtsdienstleistung nach den Vorschriften der Insolvenzordnung und der entsprechenden Landesausführungsgesetze.
  2. Aus der Sicht des Schuldnerschutzes als Teil des rechtlichen Verbraucherschutzes wird der Diskussionsentwurf seiner Zielsetzung, Rechtsuchende vor unqualifizierter Rechtsberatung und -besorgung zu schützen, nicht gerecht. Denn er hebt nahezu vollständig den im aktuell geltenden Rechtsberatungsgesetz implementierten Schuldnerschutz grundlos auf. Der Diskussionsentwurf befördert mit den §§ 5 Abs.1 und 3 sowie § 7 RDG-DiskE und mit dem nicht (mehr) vorgesehenen (praktikablen) Schutzinstrumentarium gegen unqualifizierte Rechtsdienstleistungen in unakzeptabler Weise die Ausbreitung gewerblicher unseriöser Schuldenregulierer, die mit überschuldeten Menschen – nachweisbar – Geschäfte machen. Was bringt die öffentliche Warnung und die – leider notwendige – Kampagne des Bundeskriminalamtes zusammen mit den Landeskriminalämtern, den Verbraucherzentralen und den öffentlichen Schuldnerberatungen zur Bekämpfung von unseriösen Kreditvermittlern und „Finanzsanierern“3, und was bringen die deutlichen Warnhinweise im aktuellen „Verbraucherpolitischen Bericht der Bundesregierung 2004“ vor den negativen Folgen einer übereilten Deregulierungsoffensive, wenn gleichzeitig Bundesgesetze Schlupflöcher für diese „Finanzsanierer“ eröffnen?
  3. Neben den positiven Aspekten des Diskussionsentwurfs bedarf dieser daher an zwei Stellen der dringenden Nachbesserung: Einmal bei der Klarstellung, dass Schuldner- und Insolvenzberatung keine Nebenleistung sein kann; zum anderen bei der Umsetzung eines angemessenen Schuldnerschutzes gegen gewerbliche Schuldenregulierer und ihre – bekannten – anwaltlichen Helfershelfer, die auch die Anwaltskammern mit Besorgnis beobachten. Hier muss eine Balance zwischen Deregulierung (Marktöffnung für seriöse Dienstleister) und rechtlichem Verbraucherschutz gefunden werden, die der Zielsetzung in § 1 RDG-DiskE gerecht wird.

1 Die Auswirkungen des RDG-DiskE auf die Beratungstätigkeit der Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen

1.1 Schuldner- und Insolvenzberatung als „Rechtsdienstleistung“ im Sinne von § 2 RDG-DiskE

Die im Rechtsberatungsgesetz geltende Unterscheidung zwischen Rechtsberatung und – besorgung soll durch den breiter angelegten Begriff der Rechtsdienstleistung abgelöst werden. Eine Rechtsdienstleistung soll nach der neuen Legaldefinition dann vorliegen, wenn „nach der Verkehrsanschauung oder der erkennbaren Erwartung des Rechtsuchenden eine umfassende rechtliche Beurteilung oder eine nach rechtlicher Prüfung erfolgende Gestaltung rechtlicher Verhältnisse“ gegeben ist.

Aus der Sicht des Arbeitsfeldes Schuldner- und Insolvenzberatung ist diese Definition zu begrüßen. Löst sie doch die für Schuldner- und Insolvenzberatung bisher geltende Unterscheidung zwischen erlaubter Rechtsberatung und bloß faktisch „geduldeter“ Rechtsbesorgung4 ab, die ohnehin für die Anforderungen der Beratungspraxis nie tauglich war und die Berater in einer Unsicherheit zwischen erlaubter und „verbotener“ Tätigkeit belässt. Mit § 2 RDG-DiskE würde diese Unsicherheit und rechtliche Grauzone entfallen.

Schuldner- als auch Insolvenzberatung ist nach dem Wortlaut des Diskussionsentwurfes und seiner Begründung zu Recht unzweifelhaft als eine umfassende Rechtsdienstleistung zu verstehen. Die Beratung und Vertretung von Schuldnern erfordert sowohl eine umfassende rechtliche Beurteilung von Sachverhalten als auch die Gestaltung rechtlicher Verhältnisse. Ebenso wird die Vertretung des Rechtsuchenden im Außenverhältnis gewünscht und teilweise – z.B. von den Insolvenzgerichten – auch ohne rechtliche Grundlage akzeptiert und gar gefördert. Die rechtlichen Tätigkeiten im Rahmen der Schuldner- und Insolvenzberatung sind kein „Nebenprodukt“ im Rahmen sozial und ganzheitlich geprägter Beratung und Betreuung von ver- und überschuldeten Ratsuchenden, sondern notwendiger, integraler Bestandteil jedes Beratungsprozesses. Ohne Rechtsberatung und in vielen Fällen auch ohne Vertretung des Schuldners im Außenverhältnis ist eine bedarfsgerechte Beratung nicht möglich. Zu jeder – seriösen – Schuldner- und Insolvenzberatung gehört denknotwendig die zivilrechtliche Forderungsprüfung, die Prüfung von Vollstreckungshandlungen und die Erwirkung von Vollstreckungsschutz, die Beratung nach Maßgabe der Insolvenzordnung sowie die Beratung im Sozial- und Unterhaltsrecht. Schuldner- und Insolvenzberatung ohne Rechtsmäßigkeitsprüfungen und ohne Rechtshandeln ist unmöglich.

Ein derart umfassender Aufgaben- und Verantwortungsbereich kann daher niemals als Nebenleistung angeboten werden, wie es aber derzeit nach § 5 Abs. 1 RDG-DiskE möglich wäre. Es bedarf daher dringend einer Klarstellung – auch und insbesondere im Interesse der Rechtsuchenden (siehe hierzu nachfolgend Punkt 2) –, dass Schuldner- und Insolvenzberatung bzw. die in ihrem Rahmen vorzunehmenden Rechtsdienstleistungen keine erlaubte Nebenleistung im Sinne von § 5 Abs. 1 RDG-DiskE sind.

1.2 Die Erlaubnisfreiheit von Schuldner- und Insolvenzberatung nach § 8 RDG-DiskE

Rechtsdienstleistungen der Schuldner- und Insolvenzberatung sollen automatisch erlaubt sein, wenn sie durch

  • einen Träger der freien Wohlfahrtspflege gemäß § 5 SGB XII (§ 8 Nr. 5 RDG Disk-E) oder
  • eine Verbraucherzentrale oder einen mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbraucherverband (§ 8 Nr. 3 RDG Disk-E) oder
  • eine nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO anerkannte Insolvenzberatungsstelle (§ 8 Nr. 4 RDG Disk-E)
    in ihrem jeweiligen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich erbracht werden.

Mit diesen Regelungen wird erstmals umfassend Schuldner- und Insolvenzberatung im Rahmen öffentlicher und öffentlich anerkannter Stellen erlaubnisfrei gestellt. Dies ist ausdrücklich zu begrüßen, da es auch den Anforderungen der Praxis gerecht wird.

Hierbei unterstellt die AG SBV, dass es für die automatische Erlaubnis zur Erbringung von Rechtsdienstleistungen durch die Schuldnerberatungsstellen in der Trägerschaft der freien Wohlfahrtspflege nach § 8 Nr. 5 RDG-DiskE ausreicht, dass sich ihr öffentlicher Auftrag aus ihrer Mitgliedschaft zu einem in § 5 SGB XII genannten Wohlfahrtsverband, zur Kirche oder zu einer Religionsgesellschaft des öffentlichen Rechts ableitet. Ein weitergehender direkter Auftrag nach § 11 Nr. 5 SGB XII bzw. § 16 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB II durch einen örtlichen Sozialhilfeträger, der in der Praxis auch nicht in jedem Fall vorliegt, ist hingegen für die Erlaubnisfreiheit der Rechtsdienstleistung aus Sicht der AG SBV nicht erforderlich. Aus der Begründung zu § 8 Nr. 5 RDG DiskE5 ist zu entnehmen, dass sich die ausgeübte Tätigkeit als Teil des öffentlich geregelten Aufgaben- bzw. Zuständigkeitsbereichs aus anderen Gesetzen oder Vorschriften ableiten lässt und die insoweit erbrachte Rechtsdienstleistung von daher gestattet wäre. Im Bereich der Schuldnerberatung ergibt sich der öffentliche Auftrag aus dem Sozialgesetzbuch (zweites und zwölftes Buch). Dies ist auch der Begründung zu Nummer 56 zu entnehmen, wonach Rechtsdienstleistungen, die im Rahmen unterstützender Tätigkeiten der freien Wohlfahrtspflege für die Träger der Sozialhilfe – unerheblich ob damit eine Refinanzierung erfolgt oder nicht – geleistet werden, zulässig sind.

1.3 Schuldner- und Insolvenzberatung im Verhältnis zu § 6 Abs. 2 RDG- DiskE

Schuldner- und Insolvenzberatung im Rahmen der freien Wohlfahrtspflege und den Verbraucherverbänden erfolgt grundsätzlich unentgeltlich. Gleichwohl sieht die AG SBV im § 6 Abs. 2 RDG-DiskE keine weitere Grundlage für die Erlaubnisfreiheit der rechtsdienstleistenden Tätigkeiten der Schuldner- und Insolvenzberatung. Diese rechtsdienstleistenden Tätigkeiten sind – wie bereits ausgeführt – integraler Hauptbestandteil der Dienstleistung „Schuldner- und Insolvenzberatung“. Die Begründung zum Diskussionsentwurf7 verweist als Beispielfall für eine unter § 6 Abs. 2 unterliegende Fallgestaltung auf die „im Kern nicht rechtliche Sozialberatung“ hin, „die (nur) im Einzelfall rechtsdienstleistende Tätigkeiten erfordern“ kann. Diese Charakterisierung trifft für die Schuldner- und Insolvenzberatung gerade nicht zu. Daher wird als maßgebliche Rechtsgrundlage ausschließlich der bereits oben kommentierte § 8 mit seinen Nrn. 3-5 RDG-DiskE erachtet.

2 Die Auswirkungen des RDG-DiskE auf die Situation der Ratsuchenden

2.1 Allgemeine Bemerkungen

Die Belange des Verbraucherschutzes sind im Hinblick auf die Situation überschuldeter Ratsuchender nicht ausreichend sichergestellt. Der Diskussionsentwurf birgt daher für diese Gruppe von Verbrauchern schwerwiegendes Gefahrenpotenzial in sich. Denn er eröffnet an mehreren Stellen Einfallstore für unseriöse gewerbliche Schuldenregulierer, weil die jetzt vorgesehenen Öffnungsklauseln ihre bisher sanktionierte Tätigkeit legitimieren. Damit werden die auch von den Bundesministerien für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft beklagten „Geschäfte mit der Armut“8 zunehmen. Für die Verbraucher ist es weder nachvollziehbar noch vermittelbar, wenn in diesem sensiblen Bereich die verschiedenen Bundesministerien nicht „Hand in Hand“ arbeiten. Im Interesse des Verbraucherschutzes bedarf es daher einiger dringlicher Korrekturen im Diskussionsentwurf. Im Einzelnen sehen wir diesbezüglich Handlungsbedarf bei den nachfolgenden Regelungen.

2.2 Rechtsdienstleistungen im Zusammenhang mit einer anderen Tätigkeit gem. § 5 Abs. 1 RDG-DiskE

Die Vorschrift sieht vor, dass Rechtsdienstleistungen erlaubt sind, die im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erbracht werden und die eine zum Berufs- oder Tätigkeitsbild oder zur vollständigen Erfüllung der vertraglichen Pflichten gehörige Nebenleistung darstellen.

Damit ist unseriösen Schuldensanierern Tür und Tor geöffnet, ihre Tätigkeit als schwerpunktmäßig wirtschaftliche Arbeit zu formulieren und die damit verbundene Rechtsberatung als Nebenleistung herunterzudefinieren. Entsprechende Strategien sind bereits unter der jetzigen Rechtslage zu beobachten, wenn etwa in Anzeigen oder Werbeblättern explizit darauf hingewiesen wird: „wirtschaftliche Sanierungshilfe – keine Rechtsberatung!“ Schuldnerberatung und die damit zwingend einhergehende Prüfung bzw. Bearbeitung der Rechtsverhältnisse wird hier künftig als so genannte Nebenleistung instrumentalisiert werden. Es kann aber nicht im Interesse des Gesetzgebers liegen, eine sinnvolle und notwendige zeitgemäße gesetzliche Fortschreibung des Rechts der Rechtsberatung mit der Eröffnung von neuen Missbrauchsmöglichkeiten zu verbinden. (Zur Problematik, dass das Aufgabenfeld Schuldner- und Insolvenzberatung nach dem Diskussionsentwurf als Nebenleistung denkbar ist, siehe bereits Punkt 1.1.)

2.3 Rechtsdienstleistungen in Zusammenarbeit mit Personen, denen die entgeltliche Erbringung von Rechtsdienstleistungen erlaubt ist – § 5 Abs. 3 RDG-DiskE

Gleichermaßen problematisch nimmt sich die Möglichkeit aus, die § 5 Abs. 3 RDG-DiskE unseriösen gewerblichen Schuldenregulieren bietet. Bereits aktuell sind nicht wenige Kooperationen zwischen einschlägig bekannten Schuldenregulierern und manchen Rechtsanwälten bekannt, in denen beide Seiten zum Nachteil der ratsuchenden Schuldner zusammenwirken. Im Ergebnis haben die überschuldeten Personen zusätzlich zu den bereits bestehenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber ihren Gläubigern dann auch noch erhebliche Gebührenschulden gegenüber den vermeintlichen Schuldenregulierern und den mit ihnen verbundenen Anwälten.9 Neben einer unverantwortlichen Geschäftemacherei mit überschuldeten Menschen behindern diese Schuldenregulierer und ihre Anwälte die anteilige Befriedigung der Gläubiger, weil die Ratenzahlungen des Schuldners nicht weiter geleitet werden. Sie belasten außerdem die Justiz, da die Gläubiger meist wieder Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einleiten, wenn die vom Schuldner angekündigten Ratenzahlungen bei ihnen nicht eingehen.

In einer Reihe von Fällen ist es in der (jüngeren) Vergangenheit mit Hilfe des geltenden Rechtsberatungsgesetzes gelungen, dass die Judikative solche „Arbeitsbündnisse“ unterbinden konnte. So entschied schon 1987 der BGH10, dass der Rechtsanwalt als vom gewerblichen Schuldenregulierer hinzugezogener Assistent in dieser Konstellation nur Erfüllungsgehilfe ist und es dabei bleibt, dass der gewerbliche Schuldenregulierer selbst eine entsprechende Erlaubnis zur Rechtsberatung nach dem Rechtsberatungsgesetz benötigt. Da den gewerblichen Schuldenregulierern diese Erlaubnis fehlt, stellen ihre Aktivitäten nach derzeitiger Rechtslage eine unerlaubte Rechtsberatung dar. Dieser Rechtsverstoß bildet die Grundlage für die zahlreichen vom Verbraucherzentrale Bundesverband – erfolgreich – vorgenommenen Abmahnungen und Unterlassungsklagen. Die nunmehr vorgesehene Regelung in § 5 Abs. 3 RDG-DiskE würde der bisherigen juristischen Argumentationskette, der die Gerichte folgen, die Grundlage entziehen und somit ein Vorgehen gegen unseriöse Schuldenregulierer erheblich erschweren, wenn nicht gänzlich vereiteln.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass § 5 Abs. 1 und Abs. 3 RDG-DiskE nochmals vor dem Hintergrund der aufgezeigten Missbrauchsmöglichkeiten beleuchtet und modifiziert werden müssen. Sinnvoll wäre im Zusammenhang mit Abs. 1 eine Regelung, wonach Schuldnerberatung in keinem Fall eine Nebenleistung sein kann. Im Zusammenhang mit Abs. 3 wird zur Klarstellung der Problematik ergänzend auch auf die Gesetzesbegründung verwiesen.11 Dort wird zu Recht darauf hingewiesen, dass der Verbraucher im heutigen Wirtschafts- und Rechtsverkehr erwarten darf, dass ihm
„Lösungen aus einer Hand“12 angeboten werden, „bei denen nicht nur technische oder wirtschaftliche Fragen, sondern gerade auch die sich in diesem Zusammenhang stellenden rechtlichen Fragen geklärt werden.“13 So ist für den Verbraucher z.B. nicht verständlich, wenn ihm in familiären Angelegenheiten nicht aus einer Hand sowohl die Mediation (z.B. zur einvernehmlichen Klärung der wirtschaftlichen Scheidungsfolgen) als auch die familienrechtliche Beratung angeboten werden kann. Nur ist es hier so, dass dem klassisch ausgebildeten Juristen das erforderliche Mediationswissen und die entsprechende Erfahrung fehlt, wie umgekehrt den Mediatoren häufig das juristische Handwerkszeug fehlt. Hier gilt also die in der Begründung zu § 5 Abs. 3 RDG-DiskE getroffene Feststellung, dass für die „Gesamtlösung“ „in der Regel weder Rechtsanwälte noch die Fachleute für die wirtschaftlichen oder ähnlichen Fragen ausreichend ausgebildet sind“14 und daher sinnvolle Arbeitskooperationen zwischen Nichtanwalt/Anwalt möglich sein sollen. Ganz anders ist jedoch der Fall bei den „Arbeitsbündnissen“ zwischen unseriösen gewerblichen Schuldenregulierern und Rechtsanwälten gelagert. Hier stellt die gewerbliche Schuldenregulierung im Gegensatz z.B. zur Mediation gerade keinen eigenständigen Berufszweig dar. Der Verbraucher weiß hingegen, dass die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege und die Verbraucherverbände für die wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Fragen eine „Lösung aus einer Hand“ anbieten. Diese Beratungsstellen sind für diesen komplexen Aufgabenbereich auch „ausreichend ausgebildet“. Gerade dieses Wissen der Verbraucher ist es ja, was sie dann im Falle der Überschuldung in die Arme von unseriösen gewerblichen Schuldenregulierern laufen lässt: Sie gehen automatisch davon aus, dass diese alles aus einer Hand anbieten können und genau mit diesem Wissen bzw. dieser Fehlvorstellung spielen wiederum die unseriösen gewerblichen Schuldenregulierer! Gewerbliche – nicht anerkannte und/oder unseriöse – Schuldenregulierer splitten doch ein traditionell und auch denknotwendig zusammengehörendes Aufgabenfeld wie das der Schuldner- und Insolvenzberatung unnötig in verschiedene Aufgabenbereiche auf. Auch dies – nicht nur das Rechtsberatungsgesetz – macht doch die Hinzuziehung eines Anwalts erst erforderlich. Das Gros der gewerblichen Schuldenregulierer verfügt doch weder über eine einschlägige berufliche Qualifikation noch über eine einschlägige berufliche Erfahrung. Außerdem scheitern die meisten der Anerkennungsverfahren nach § 305 InsO für diese gewerblichen Schuldenregulierer deshalb, weil Verstöße gegen das Rechtsberatungsgesetz und/oder das Strafgesetzbuch bekannt sind. Es muss daher dafür gesorgt werden, dass § 5 Abs. 3 RDG-DiskE nicht solche Kooperationen stützt, in denen es nicht um die vom Gesetzgeber gemeinte „Gesmatlösung“ geht.

2.4 Interessenvereinigungen gem. § 7 RDG-DiskE

Eine weitere Variante unseriöser Geschäftemachereien mit Überschuldeten ist schon heute die Gründung einschlägiger Vereine zur so genannten „Schuldnerselbsthilfe“ etc. (in der Regel in Kooperation mit einschlägigen Anwaltskanzleien). Die Regelung in § 7 Abs. 1 RDG-DiskE ermöglicht Interessenvereinigungen für ihre Mitglieder Rechtsdienstleistungen im Rahmen ihres satzungsgemäßen Aufgabenbereiches wahrzunehmen, soweit sie nicht von übergeordneter Bedeutung gegenüber der Wahrung gemeinschaftlicher Interessen sind und soweit sie hierzu personell, sachlich und finanziell in der Lage sind.

In der Gesetzesbegründung zu § 7 RDG-DiskE werden hierzu zwar präzisierend einige Ausführungen gemacht, die entsprechenden Missbrauch verhindern sollen. So wird etwa dargelegt, dass eine Vereinigung nicht unter § 7 RDG-DiskE fällt, „bei der jedes Mitglied mit seinem Beitritt lediglich durch die Bündelung der jeweiligen gleich liegenden Einzelinteressen Nachdruck für die Durchsetzung seines Individualinteresses bezweckt (z. B. Vereine der Kreditgeschädigten einer Anlagegesellschaft o. ä.). Auch eine Ausweitung des Satzungszweckes auf die allgemeine Rechtsberatung der Mitglieder wäre unzulässig, da die Rechtsdienstleistung gegenüber der Wahrung der übrigen Vereinsziele nicht von übergeordneter Bedeutung sein dürfen.“15 Des Weiteren wird hervorgehoben, „dass die Vereinigung von ihrer Ausstattung her in der Lage sein muss, den Mitgliedern qualifizierte Rechtsdienstleistungen anbieten zu können.“16

Der bereits bisher wahrnehmbare „Ideenreichtum“ zur Umgehung/Aushebelung einschlägiger Schutzvorschriften lässt jedoch leicht erahnen, dass durch entsprechende Aus- bzw. Umgestaltung von Satzungen und Kooperationsabsprachen die in § 7 Abs. 1 RDG-DiskE aufgestellten Hürden zur Missbrauchsvermeidung leicht umgangen werden können.

Auch die Vertretungen der Anwaltschaft erkennen das Problem. So trug der Bayerische Anwaltverein zu dieser Problematik in der entsprechenden Anhörung im Bayerischen Landtag am 21. Oktober 2004 hierzu wie folgt vor: „Geeignete Stellen sollten die Anwaltschaft und die Schuldnerberatungen bleiben, keinesfalls die immer häufiger auftretenden gemeinnützigen Vereine mit angeschlossener Rechtsanwaltsfabrik, da durch diese kein einziges Insolvenzverfahren verhindert, kein einziger Schuldner im Insolvenzverfahren sachdienlich vertreten wird.“

Es werden immer mehr derartiger Vereine gegründet. Deren Mitglieder werben im Schneeballsystem neue Mitarbeiter mit dem Versprechen von Provisionszahlungen an, ohne dass weiter auf deren Ausbildung Wert gelegt wird. Diese suchen über Institutionen, Anzeigen usw. den Kontakt zu Schuldnern, mit denen zunächst ein Telefongespräch geführt wird. In einem nächsten Schritt werden, nachdem der Schuldner vertraglich die Zahlung eines Honorars von durchschnittlich 2.000 bis 4.000 EUR zugesagt hat, die Gläubigeradressen und Forderungsbestände und sämtliche für den Insolvenzantrag relevanten Daten von ihm erfragt. Dies geschieht in der Regel in dem einzigen persönlichen Treffen mit dem Berater. Dieser schickt die Daten dann an die „Fabrik“, in welcher zwei Anwälte und andere Mitarbeiter pro forma das außergerichtliche Schuldenbereinigungsverfahren durchführen und nach dessen Scheitern sofort Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellen, in welchem der Schuldner dann freilich alleine zurecht kommen muss. Zwei Anwälte wickeln also die Fälle aus dem gesamten Bundesgebiet ab.

Es versteht sich von selbst, dass bei einem derartigen Vorgehen keinerlei Lerneffekte bei dem Schuldner erzielt werden, keine einzige außergerichtliche Schuldenbereinigung erfolgreich abgeschlossen, kein einziges Insolvenzverfahren vermieden wird. Vielmehr kommt es auf der Basis ungeprüfter Daten zu Verfahren, in welchen sämtliche Problemfelder von Treuhänder und Richter gelöst werden müssen. Daneben sind die Schuldner mit doppelten Gebühren belastet, da sie Honorar an den gewerblichen Regulierer wie auch an den Anwalt zahlen müssen, ohne dass der gewerbliche Regulierer geldwerte Leistungen erbringt. Da ihm ohnehin die Rechtsberatungsbefugnis fehlt und der Anwalt im Falle seiner alleinigen und ausschließlichen Beauftragung durch den Schuldner auch alle administrativen Arbeiten im Zusammenhang mit der Schuldenregulierung/Insolvenz über sein Sekretariat abwickeln müsste und hierfür nur die – niedrigen – RVG-Gebühren abrechnen könnte, wird der Schuldner hier zweifach ausgenommen.

Hier ist unserer Meinung nach dringend ein Einschreiten des Gesetzgebers erforderlich. Es müsste festgelegt werden, dass ein Schuldenbereinigungsverfahren bzw. sein Scheitern nur von einem am Gerichtsstand des Schuldners niedergelassenen Anwalt durchgeführt bzw. bescheinigt werden darf.“17

Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 RDG-DiskE normierte Untersagung von Rechtsdienstleistungen ist grundsätzlich angesichts der Sachlage zu begrüßen. Dies könnte jedoch umgangen werden, in dem das „Firmenschild“ gewechselt, d. h. ein neuer Verein mit den gleichen Akteuren gegründet wird, wie es schon jetzt für gewerbliche Schuldenregulier typisch ist. Daher sollte die Untersagung nicht nur die juristische Person, sondern auch die verantwortlichen natürlichen Personen umfassen.

Abschließend ist festzuhalten, dass aus der Sicht der AG SBV eine Reihe von Verbesserungen zwingend angesagt sind, damit die in der Begründung des Diskussionsentwurfes dargelegten Leitlinien und Zielsetzungen realisiert werden können. In Bezug auf den Verbraucherschutz und das Rechtsgut Recht ist hierzu auf folgende Ausführung aus der Begründung hinzuweisen: „Der Rechtssuchende, sei er Verbraucher, sei er Unternehmer, muss vor den oft weitreichenden Folgen unqualifizierten Rechtsrats geschützt werden. Vor allem die Belange des Verbraucherschutzes, der Schutz der Rechtspflege und der in ihr tätigen Personen aber auch das Rechtsgut Recht als solches rechtfertigen es daher, die Berufs- und Dienstleistungsfreiheit in den Bereichen, in denen Rechtsdienstleistungen erbracht werden, einzuschränken.“ …. “Auch hilf- und mittellose Personen haben einen Anspruch auf qualitätsvolle Rechtsberatung. In diesem Bereich sind daher qualitätssichernde Vorgaben zur Sicherstellung des Verbraucherschutzes erforderlich.“18


  1. 11 Nr. 5 SGB XII und § 16 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II
  2. Entwurf der Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung Schuldner- und Insolvenzberater (inkl. Anlage 1 – Entwurf einer Rahmenordnung zur Weiterbildung von Schuldner- und Insolvenzberatern)
  3. Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) und seine Kampagne vom Dezember 2004 (www.polizei-beratung.de/presse)
  4. Aufgrund der Vereinbarung zwischen dem BMJ und der BAG FW aus dem Jahr 1969 und der Vereinbarung zwischen dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Anwaltverein von 1987.
  5. Begründung zum Diskussionsentwurf S. 57, 59
  6. Hinweis: Statt „…Schuldnerberatungsstellen in Nummer 5“ muss es korrekt heißen „… Schuldnerberatungsstellen in Nummer 4“.
  7. Siehe Begründung zu 6 Abs. 2, S. 53, 54
  8. Geschäfte mit der Armut – unseriöse Kreditvermittlung und Schuldenregulierung, Berlin 2003, ISBN 3-00-011234-0
  9. Instruktiv hierzu etwa Urteil des Landgerichts Hamburg vom 17. April 2004 oder Beschluss des Landgerichts Rostock vom 24.10.2000 (3 O 554/99).
  10. BGH NJW 1987, Seite 3003 – 300
  11. S. 51/52
  12. S. 51
  13. Ebenda
  14. Ebenda
  15. RDG-DiskE, Begründung S. 56
  16. Ebenda
  17. So auch die Forderung des Bayerischer Anwaltverbandes in seiner Stellungnahme vom 19.10.2004 zur Anhörung im Sozialausschuss des Bayer. Landtags zur Finanzierung der Insolvenzberatung am 21.01.2004, S. 5, 6
  18. RDG-DiskE Begründung S. 23, 32
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